Wir sitzen schon seit Stunden in dem kleinen Café im Montmartre, ganz klischeemäßig. Die Sonne geht schon unter, soviel Zeit haben wir hier verschwendet und während dein munteres Geplapper langsam meinen von billigem Rotwein träge gewordenen Kopf überfordert, hocken wir bei blutroter Sonne auf filigranen weißen Metallstühlchen und trinken unseren überzuckerten Cappuccino.
Mein Künstlerleben setzt mir zu, lenkt mich aber ab. Du redest von deinem tollen Leben in Chicago, deinem Job als Reporter und deiner Model-Freundin und wie zur Bestätigung meiner Unzulänglichkeit blicke ich missbilligend an mir herunter. Toll.
„Mich freut das.“, würge ich über den Rand meiner Tasse hervor während ich mit meiner Nase fast in das heiß dampfende Getränk stupse.
„Und was machst du so?“, fragst du neugierig, lehnst dich zurück und ich starre auf deine Hände, die wirklich göttlich schön sind. Du plapperst weiter und setzt deine Tasse auf den Tisch, leckst dir den Cappuccino von den Lippen und ich hoffe, du erwartest nicht, dass ich dir zuhöre. Minutenlang starre ich dich einfach nur an, versuche mich an früher zu erinnern. An Tage vor gut sieben Jahren, als wir beide bloß Straßen und nicht Meere voneinander weg wohnten und als wir noch bis nachmittags in deinem Bett lagen und redeten.
„…Ich mein, ich komm hier an und alles, was du tust, ist mir zuhören.“, beschwerst du dich.
„Ich hör dir gern zu.“, erwidere ich
Auch ich setze meine Kaffeetasse ab, vergrabe die Hände in meinem Schoß und verstecke mich unter meinem Pony, unauffällig.
„Oh man.“ Du lachst ernst. „Nein, Jen. Nein, tust du nicht. Zumindest früher. Es war doch immer andersrum, oder? Du hast erzählt und ich hab dir zugehört. Das war uns beiden immer lieber.“
In deinen Augen läuft Unsicherheit aus. Unsicherheit, vielleicht auch Angst vor etwas unbekanntem, fremdgewordenem, das dir gegenüber in einem französischen Café sitzt und sich einen Kaffee nach dem anderen bestellt.
„Vielleicht liegt das an unseren Leben, Noah. Vielleicht liegt es daran, dass deines interessanter ist, als meins. Und nicht nur das, sondern auch erfolgreicher, geordneter und eigentlich genau das, was ich immer wollte.“
Das will ich sagen, aber ich halte den Mund. Ich möchte nicht schuldbewusst aussehen, blicke nach rechts, nach links, tue alles um irgendwie deinem einlullenden Blick auszuweichen.
„Jen.“, sagst du leise, besorgt.
Obwohl wir uns viele Jahre so fremd waren legst du deine Hand auf meine, löst ihren krampfhaften Griff und ich zittere. Vielleicht vom Kaffee, vielleicht vor Nervosität, dem Alkohol heute Mittag, Unsicherheit, vielleicht ist es auch alles zusammen.
„Ich versteh nicht, was mit dir passiert ist.“, flüsterst du. „Du warst so stark, Jen.“
„Stark.“, wiederhole ich. Wie ein widerliches Bonbon schiebe ich das Wort in meinem Mund herum. Unzerkaut schlucke ich es hinunter und es liegt mir wie ein Fels im Magen. Mir ist schlecht.
Ich erwähne nichts von den schlaflosen Nächten, nachdem du nach Chicago zogst und ich nach Paris oder wie groß mir mein Bett vorkam und wie klein ich mir und wie beunruhigend der Straßenlärm, der mich sonst immer in den Schlaf gesummt hatte.
Ich verschwieg dir den Alkohol und die Fremden. Den Aftershave auf meinem Kopfkissen, wie oft ich meine Wohnung aufräumte und fremde Kleidungsstücke fand um sie dann wie ein Objekt eines kapitalen Verbrechens irgendwo zu verstecken.
Ich hielt einfach meine Klappe im Bezug auf mein langsam krepierendes Schreibtalent, für das du mich geliebt hast.
Ich wage nicht zu fragen, ob du es überhaupt je getan hast
Viel zu fest drücke ich deine Hand und schließe die Augen, fühle die Sonne hinter meinen Augenlidern und die Wärme, die ich vermisst habe. Ich stehe auf, ziehe dich hinter mir her und ohne ein Wort zu sagen und ohne zu wissen, wohin, folgst du mir – rennst mit mir durch Seitengassen und unter dämmrigen Straßenlichtern entlang.
Ich hoffe, dass du dein T-Shirt bei mir vergisst und dass dein Geruch länger als nur ein paar Nächte auf meinem Kopfkissen bleiben wird.