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von  RainerMScholz

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Der Gepäckmeister ist Atec. Ein Türke. Überhaupt gibt es am Flughafen eine Menge Türken. Die Flughafen AG stellte die zweite Generation der Einwanderer als billige Arbeitskräfte ein. Die erste war noch mit Straßenkehren beschäftigt. Die dritte blieb dann eher aus, weil die Deutschen jetzt ebenfalls bereit zu sein schienen, billiger zu arbeiten als ehedem und sich nun auch der dreckigen und schweren Arbeit anzunehmen begannen. Mal abgesehen vom dritten Arbeitsmarkt. Billiger als die Türken damals arbeiten heute die Studenten, die zwei Drittel der Nachtschichtbelegschaft stellen. Wir sind die Türken von früher. Die lachen auch schon, die Türken. Deutsche arbeiten nix schwer für nix gut Geld. Kapitalismus findet immer ein Hintertürchen. Der Slogan 'Kinder statt Inder' bekommt so eine ganz neue Qualität und beweist wieder einmal die Weltabgewandtheit mancher Führungspersönlichkeiten.
Atec ist ein ganz besonderer Gepäckmeister. Ich glaube, ich habe ihn niemals leise reden hören. Cholerisch schreit er Befehle, auch wenn der Befehlsempfänger gleich neben ihm steht. Allerdings mit einem sardonischen Lächeln, als wolle er zu verstehen geben: eigentlich meine ich es ja nicht so, aber Spaß macht es mir trotzdem. Die Kollegen fragen sich, ob man ihn hassen, auslachen oder wegen seiner Schrulligkeit und Unbeholfenheit wieder mögen soll. Mit dem Blaumann an und dem schwarzen Schnauzer im Gesicht steht er in der Mitte der Halle und brüllt unsäglich gebrochenes Deutsch, um uns auf Trab zu bringen. Und hoffentlich geht nicht irgendetwas schief, denn die dann einsetzende Konfusion ist unbeschreiblich. Dann scheucht er nämlich die Festangestellten aus dem Aufenthaltsraum, die gar nicht wissen, um was es sich handelt, dieses aber pronto erledigen sollen. Auf mysteriöse Weise läuft das Band dann wieder, der verschwundene Container taucht wieder auf oder der aufgebrochene Koffer ist notdürftig geflickt und hat wieder Räder dran und ist auf dem Weg zu einem Passagier, dessen Urlaub verdorben sein oder dessen Heimkehr sich um die Dauer der Erledigung einiger Formalitäten verzögern wird. Atec ist eigentlich ein lieber Kerl, der bloß keine Asylanten und andere Schmarotzer mag, die keine Steuern zahlen müssen an den deutschen Staat wie Atec eben. Seine Worte. Dabei hat er selbstverständlich vergessen, als er mir dies hochpolitische Kommuniqué anvertraute, dass ich als Student natürlich auch nicht groß Steuern bezahle und der Flughafen diese Rechnung natürlich auch aufmacht. Bei seiner Einstellung muss echter Arbeitskräftemangel geherrscht haben.
Ohne Zweifel ist Intelligenz für die Personalabteilung kein Einstellungskriterium. Um in der Personalabteilung zu arbeiten im übrigen auch nicht. Niemand sollte sich nicht vertun, wie dumm Studenten im Grunde sein können, und bei manchen habe ich mich schon des öfteren gefragt, wer denen das Abitur verpasst hat. Man sollte doch meinen, dass unter Studies ein gewisses akademisches Niveau aufrecht erhalten werden kann. Also: entweder es liegt an der Umgebung, oder die meisten waren schon verblödet, als sie hierher kamen. Das reicht von dem idiotischsten Stammtischthema, das nachts noch einmal aufgewärmt wird, über platten Sexismus bis zum gegenseitigen Austausch diverser Körperöffnungsgeräusche. Ich war jedenfalls sehr verwundert, als ich unter diese Gesellschaft geriet. Aber mittlerweile scheint mir das eher scheißegal zu sein. Fotzenscheißegal (um dieses Kapitel eindringlichst und auf korrekte Weise abzuschließen).

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (30.03.20)
Gerne gelesen, aber das "an" in "Mit dem Blaumann an und..." würde ich streichen, das ist eine Stolperstelle.

 RainerMScholz meinte dazu am 31.03.20:
Klingt umgangssprachlich, ich weiß. Aber: den Blaumann an...und den Schnauzer im...und dann passt`s wieder.

Antwort geändert am 31.03.2020 um 22:33 Uhr
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