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Ich hatte noch nie einen Job länger als ein dreiviertel Jahr: Fahrer, Belader, Nieteneinstanzer, Bote und Briefträger, alles nur für einen überschaubaren Zeitraum. Doch jetzt schleift das allmählich ein, was unweigerlich dazu führt, dass ich die Dosis erhöhe. Bis zwölf Uhr saufen nach der Schicht ist ein Wechsel zwischen ohnmachtsähnlicher Müdigkeit und euphorischer Alkoholemphase. Ich habe den Kopfhörer auf den Ohren und höre mit 140 Dezibel alles was musikalisch noch mehr Krach produziert als die Geräusche in meinem Kopf , die ich versuche auf`s Papier zu locken. Das finde ich ganz toll. Wenn ich aufwache, so gegen sechs, werfe ich alles wieder weg, weil es unzusammenhängendes Zeug ist und nicht unter 18 Jahren freigegeben werden könnte. Na, nicht alles. Nur das gröbste. Literatur für den Müllschlucker, Gedichte zum Kloabreißen. Pathetischer Arbeitermythos - als durchaus privilegierter Student - und weinerliches Selbstmitleid und - weil ich nicht privilegiert genug bin und die Arbeiterscheiße mitmachen muss.
Ich trinke nicht während der Arbeit. Die Depression würde in Aggression umschlagen und ich würde jemandem weh tun. Aber richtig.
Also ziehe ich den Blaumann an und denke nicht weiter darüber nach. Andererseits: irgendwie hat man ja auch noch den Intellektuellenstatus, der sich nicht so einfach abschütteln lässt. Ich denke - also reiße ich Koffer. Ich werfe grüne Postsäcke und versuche mich in grauem Arbeiterphlegma und Fatalismus. Die Stillen kommen morgens wie jeden Morgen - mit einem Gewehr, eingeschlagen in eine dunkelbraune Plastikplane und schießen auf ihre Kollegen bis sie tot sind, oder bringen heimlich klamm und leise ihre Familie um, irgendwo im Grünen, im Schlaf. So bin ich nicht.