Der Kracher - eine Fortsetzungserzählung
Satire zum Thema Diebstahl
von pentz
Erwischt!
Als ich gerade das Verlagsbuchhaus verlassen und in nur wenigen Metern über die Ausgangslinie treten will, keine elektronischen Kontrollscanner stehen hier, um mit einem schrillen Piepsen das geklaute Buch in meiner Tasche anzuzeigen, legt mir jemand von hinten seine eklige, feuchte Hand auf die Schulter. Penetrant - ich spüre es brennend durch den schmalen Shirtträger.
Körperlich angewidert zucke ich zusammen, das ist das eine, aber mehr noch geistig. Ich denke, ertappt und erwischt, Mist. Doch orte ich, trotz Missbehagens, sofort die Lage, und gebiete mir, wie meist in brenzlichen Situationen: cool bleiben, Ruhigbleiben ist die beste Medizin in so einem Fall und atme befreit tief durch, wie einer, dem die Luftzufuhr durch einen Schlag zum Gehirn blockiert worden ist.
Niemand kann dir etwas anhaben, sage ich mir. Noch bist du nicht aus dem Gebäude heraus. Zur imaginären weißen Linie des Ausgangs, womit definitiv das Verlagshaus endet, sind es noch gute fünf Meter. Der Hausdetektiv hat – hab Dank! - mit seinem vorzeitigem Einschreiten das Überschreiten dieser vereitelt.
Langsam spüre ich Ekel meine Kehle heraufkriechen, denn des Hintermanns Flosse ruht noch immer bleiern auf meiner Schulter – als wolle sie mich davon abhalten, dass ich durchbrenne; oder als wolle sie nach außen demonstrieren, mit eiserner Zwinge wird der Unhold, Bösewicht oder Schlechtmensch festgehalten, auf dass er nicht mehr entwische und nach innen senden, mein Lieber, jetzt geht’s dir aber dreckig.
Die Botschaft kommt an, denn wie immer, wenn mir jemand widerwillig zu nahe tritt, schwillt heller Zorn auf, den man bald leicht als Ausgangsbasis für einen Menschen nachvollziehen kann, der im extremen Ausmaße unverwartet viel Gift und Galle verspritzen wird!
Noch habe ich mich in der Gewalt. Ich bin bereit, ich drehe mich breit grinsend um in der Absicht, dem Hausdetektiv keck ein freches Grinsen entgegenzuschleudern. Was aber muss ich sehen: misstrauisch enge Augen fixieren mich – nanu, seit wann sind hier Chinesen beschäftigt? Die Überraschung ist noch stärker, denn wen erkenne ich in Wirklichkeit? Herr Buchhändler von vorhin ist’s, welcher durch sein uneinsichtiges Verhalten und seine obstinate Sturheit mich überhaupt in diese peinliche Situation gebracht und schließlich dazu verführt hat.
Und nun das noch, einem harmlosen Kunden nachzuschnüffeln! Was für ein misstrauisches Verhalten dem Kunden gegenüber da herausspricht? Ist der Kunde nicht mehr König? Auf Dauer kann sich das keine Buchhandlung leisten! Ich hoffe inständig, dass sich die Geschäftsleitung dessen bewusst ist. Sonst nämlich...
Nun zu ihm persönlich, zu diesem schnüffelnden Aasgeier!
Wie der einem leid tut kann, so tief wie der gefallen ist!
Sieht er sich hin und wieder im Spiegel genauer an? Das Krötengesicht, die Läppchen über den Backenknochen, Krähenfüße unter den Augenlidern, diese Spuren langer Nächte intensiven Lesens und Schreibens, vergeblicher Plackerei mancherlei Art? Schließlich das erbärmliches Ende, das ihm wie ins Gesicht geschnitten steht: das letzte Glied in der Verlags-Ketten-Hierarchie diesen Posten: Buchhändler! Ein trauriges, ein beschämendes, kurzum ein misserables Ende für einen Intellektuellen, nicht wahr? Aber sein uneheliches Kind wird es dem Papi danken, genauso wie er es sich selbst, andernfalls er doch längst sich im dreckigen Rinnstein winden würde.
Und das jetzt? Ein Kunden des Diebesstahles verdächtigen!
Traurig, traurig!
Er wird ermessen können, was er hier tut, so tief kann keiner abgestürzt sein: Spitzel, Privatbulle, Agent Provokateur, er wird sich erinnern, wer die Gefährlichsten sind, die solch einen friedfertigen Demozug gegen Atomkraft aus der Bahn bringen konnten, aufstierten, aufhetzten, um uns in den kriminellen Bereich zu bugsieren, wo der Staatsanwalt tätig sein konnte. Denn von daher ist mir dieser Typ nur zu gut bekannt.
„Kommen Sie mal mit!“, raunt er mir leise, wenn auch scharf zu. Wenigstens ist ihm das noch ein bisschen peinlich, nicht völlig abgebrüht, der Kracher. Oder Direktive der Betriebsleitung, bei einem Diebstahl keinen Aufruhr provozieren, möglichst leise über die Bühne gehen lassen, so dass es keiner merke. Klar, das wäre schlecht fürs Geschäft, schadete dem bürgerlichen Renommee der wohlsituierten Buchhandlung, übertriebene Aufmerksamkeit ist hier zu vermeiden.
Tatsächlich merkt es keiner; keiner von den Kunden wird auf unser Treiben aufmerksam. Aber einige Verkäuferinnen, allesamt junge, die zu mir gerichtet hinter den Kassen stehen und einen Moment unmerklich inne halten in ihrem Tun, schauen neugierig zu mir her und scheinen peinlich berührt zu sein. Kommt nicht alle Tage vor, was?
Okay, spiele das Spiel solange mit, bis sich ein Ausweg auftut. Immerhin, man bedenke, noch bin ich nicht mit diesem Buch aus dem Haus getreten. Außerdem fehlt ja das Preisschildchen daran, dass ich vorsorglich entfernt habe.
Wundern Sie sich?
Na so was, Diebe mit doppelter Lebensversicherung, wo gibt’s das?
Na ja, so einer bin ich halt! Dabei bin ich kein Dieb, sie werden schon sehen. Das Kind stellt gewissermaßen eine Notgeburt da.
Also, das Preisschild könnte abgefallen sein. Das Buch könnte aber auch mir gehören, wie sollte man mir das Gegenteil beweisen? Nur, wenn sie das Preispläpperchen im Klo entdeckten, wird es schwierig werden. Aber kaum anzunehmen, dass sie sich die Mühe nehmen werden, dort im Abfallbehälter herumzuwühlen. Und wenn schon, vielleicht hat das Preisschild jemand anderer verloren, ist von einem ordnungsliebenden Kunden aufgeklaubt und dorthinein entsorgt worden. Könnte es nicht auch zu einem anderen Buch gehören? Die Welt ist so komplex, man wundere sich über nichts.
Also und außerdem, mit der Zeit würde mir schon eine Erklärung einfallen. Wenn ich es denn nötig habe, wie gesagt. Jetzt erst einmal galt nur eins: Zeit gewinnen, indem gute Miene zum bösen Spiel gemacht.
Als ich gerade das Verlagsbuchhaus verlassen und in nur wenigen Metern über die Ausgangslinie treten will, keine elektronischen Kontrollscanner stehen hier, um mit einem schrillen Piepsen das geklaute Buch in meiner Tasche anzuzeigen, legt mir jemand von hinten seine eklige, feuchte Hand auf die Schulter. Penetrant - ich spüre es brennend durch den schmalen Shirtträger.
Körperlich angewidert zucke ich zusammen, das ist das eine, aber mehr noch geistig. Ich denke, ertappt und erwischt, Mist. Doch orte ich, trotz Missbehagens, sofort die Lage, und gebiete mir, wie meist in brenzlichen Situationen: cool bleiben, Ruhigbleiben ist die beste Medizin in so einem Fall und atme befreit tief durch, wie einer, dem die Luftzufuhr durch einen Schlag zum Gehirn blockiert worden ist.
Niemand kann dir etwas anhaben, sage ich mir. Noch bist du nicht aus dem Gebäude heraus. Zur imaginären weißen Linie des Ausgangs, womit definitiv das Verlagshaus endet, sind es noch gute fünf Meter. Der Hausdetektiv hat – hab Dank! - mit seinem vorzeitigem Einschreiten das Überschreiten dieser vereitelt.
Langsam spüre ich Ekel meine Kehle heraufkriechen, denn des Hintermanns Flosse ruht noch immer bleiern auf meiner Schulter – als wolle sie mich davon abhalten, dass ich durchbrenne; oder als wolle sie nach außen demonstrieren, mit eiserner Zwinge wird der Unhold, Bösewicht oder Schlechtmensch festgehalten, auf dass er nicht mehr entwische und nach innen senden, mein Lieber, jetzt geht’s dir aber dreckig.
Die Botschaft kommt an, denn wie immer, wenn mir jemand widerwillig zu nahe tritt, schwillt heller Zorn auf, den man bald leicht als Ausgangsbasis für einen Menschen nachvollziehen kann, der im extremen Ausmaße unverwartet viel Gift und Galle verspritzen wird!
Noch habe ich mich in der Gewalt. Ich bin bereit, ich drehe mich breit grinsend um in der Absicht, dem Hausdetektiv keck ein freches Grinsen entgegenzuschleudern. Was aber muss ich sehen: misstrauisch enge Augen fixieren mich – nanu, seit wann sind hier Chinesen beschäftigt? Die Überraschung ist noch stärker, denn wen erkenne ich in Wirklichkeit? Herr Buchhändler von vorhin ist’s, welcher durch sein uneinsichtiges Verhalten und seine obstinate Sturheit mich überhaupt in diese peinliche Situation gebracht und schließlich dazu verführt hat.
Und nun das noch, einem harmlosen Kunden nachzuschnüffeln! Was für ein misstrauisches Verhalten dem Kunden gegenüber da herausspricht? Ist der Kunde nicht mehr König? Auf Dauer kann sich das keine Buchhandlung leisten! Ich hoffe inständig, dass sich die Geschäftsleitung dessen bewusst ist. Sonst nämlich...
Nun zu ihm persönlich, zu diesem schnüffelnden Aasgeier!
Wie der einem leid tut kann, so tief wie der gefallen ist!
Sieht er sich hin und wieder im Spiegel genauer an? Das Krötengesicht, die Läppchen über den Backenknochen, Krähenfüße unter den Augenlidern, diese Spuren langer Nächte intensiven Lesens und Schreibens, vergeblicher Plackerei mancherlei Art? Schließlich das erbärmliches Ende, das ihm wie ins Gesicht geschnitten steht: das letzte Glied in der Verlags-Ketten-Hierarchie diesen Posten: Buchhändler! Ein trauriges, ein beschämendes, kurzum ein misserables Ende für einen Intellektuellen, nicht wahr? Aber sein uneheliches Kind wird es dem Papi danken, genauso wie er es sich selbst, andernfalls er doch längst sich im dreckigen Rinnstein winden würde.
Und das jetzt? Ein Kunden des Diebesstahles verdächtigen!
Traurig, traurig!
Er wird ermessen können, was er hier tut, so tief kann keiner abgestürzt sein: Spitzel, Privatbulle, Agent Provokateur, er wird sich erinnern, wer die Gefährlichsten sind, die solch einen friedfertigen Demozug gegen Atomkraft aus der Bahn bringen konnten, aufstierten, aufhetzten, um uns in den kriminellen Bereich zu bugsieren, wo der Staatsanwalt tätig sein konnte. Denn von daher ist mir dieser Typ nur zu gut bekannt.
„Kommen Sie mal mit!“, raunt er mir leise, wenn auch scharf zu. Wenigstens ist ihm das noch ein bisschen peinlich, nicht völlig abgebrüht, der Kracher. Oder Direktive der Betriebsleitung, bei einem Diebstahl keinen Aufruhr provozieren, möglichst leise über die Bühne gehen lassen, so dass es keiner merke. Klar, das wäre schlecht fürs Geschäft, schadete dem bürgerlichen Renommee der wohlsituierten Buchhandlung, übertriebene Aufmerksamkeit ist hier zu vermeiden.
Tatsächlich merkt es keiner; keiner von den Kunden wird auf unser Treiben aufmerksam. Aber einige Verkäuferinnen, allesamt junge, die zu mir gerichtet hinter den Kassen stehen und einen Moment unmerklich inne halten in ihrem Tun, schauen neugierig zu mir her und scheinen peinlich berührt zu sein. Kommt nicht alle Tage vor, was?
Okay, spiele das Spiel solange mit, bis sich ein Ausweg auftut. Immerhin, man bedenke, noch bin ich nicht mit diesem Buch aus dem Haus getreten. Außerdem fehlt ja das Preisschildchen daran, dass ich vorsorglich entfernt habe.
Wundern Sie sich?
Na so was, Diebe mit doppelter Lebensversicherung, wo gibt’s das?
Na ja, so einer bin ich halt! Dabei bin ich kein Dieb, sie werden schon sehen. Das Kind stellt gewissermaßen eine Notgeburt da.
Also, das Preisschild könnte abgefallen sein. Das Buch könnte aber auch mir gehören, wie sollte man mir das Gegenteil beweisen? Nur, wenn sie das Preispläpperchen im Klo entdeckten, wird es schwierig werden. Aber kaum anzunehmen, dass sie sich die Mühe nehmen werden, dort im Abfallbehälter herumzuwühlen. Und wenn schon, vielleicht hat das Preisschild jemand anderer verloren, ist von einem ordnungsliebenden Kunden aufgeklaubt und dorthinein entsorgt worden. Könnte es nicht auch zu einem anderen Buch gehören? Die Welt ist so komplex, man wundere sich über nichts.
Also und außerdem, mit der Zeit würde mir schon eine Erklärung einfallen. Wenn ich es denn nötig habe, wie gesagt. Jetzt erst einmal galt nur eins: Zeit gewinnen, indem gute Miene zum bösen Spiel gemacht.