Therapeutischer Nachruf

Kurzprosa zum Thema Depression

von  Anyango

Ich kann das nicht, ich konnte das noch nie.
Was meinen Sie damit?
Mit anderen reden. Einer sagt Das Wetter ist heute schön. Und ich. Mir fällt nichts darauf ein außer Mhm.
Und das finden Sie zu wenig.
Ja, natürlich. Später fällt mir ein ich hätte das und das sagen können, aber zuerst. Nur Mhm. Mhm.

Ich kann einfach nicht richtig denken. Und in der Arbeit vergesse ich oft was ich tun soll und frage immer nach. Ich muss immer nachfragen.
Ihr Chef hat mir gesagt, dass er sehr zufrieden mit Ihnen ist.
Ja? Aber ich vergesse so viel, ich kann nicht richtig denken. Das war schon immer so.

Das war bei mir schon immer so. Ich habe alles an Therapien versucht. Ich bin eben so. Das hat schon vor 30 Jahren mein Ausbilder gesagt,  das wird sich nicht ändern.
Sie sagen es ändert sich nicht. Ich habe beobachtet, dass Ihnen ihre momentane Aufgabe Spaß zu machen scheint, dass Sie mit den Kollegen lachen.
Was ist eigentlich Spaß? Ich verstehe vieles nicht. Alle verstehen es. Nur ich nicht. Was heißt, zum Beispiel, Charakter? Was Persönlichkeit? Andere wissen das. Mir kann es niemand erklären. Ich verstehe es nicht.
Andere nehmen es einfach hin, verwenden es und machen sich keine Gedanken, was es eigentlich bedeutet.
Was sind Gedanken?

Hier sind noch mehr Klingen. Ein altes Schulzeugnis dazwischen. Briefe vom Bruder. Wir sollen schauen, ob er eine schöne Hose hatte. Und ein Hemd. Siehst Du irgendwo ein Foto von ihm, auf dem er lacht?


Anmerkung von Anyango:

Für einen, der nur das Dunkel kannte.

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Kommentare zu diesem Text

Dieter Wal (58)
(25.07.11)
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 Anyango meinte dazu am 25.07.11:
Vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich glaube auch nicht, dass man depressiv geboren wird. Auch, wenn eine Neigung dazu besteht, es kann sich immer anders entwickeln. Nur verstehe ich auch, wenn in der Situation die Hoffnung darauf fehlt.
KoKa (42)
(25.07.11)
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 Anyango antwortete darauf am 25.07.11:
Danke
KoKa (42) schrieb daraufhin am 25.07.11:
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magenta (65)
(25.07.11)
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 Sternenpferd äußerte darauf am 25.07.11:
dem kommentar schliesse ich mich an :)
super geschrieben
lg m.

 Anyango ergänzte dazu am 25.07.11:
Freut mich, dass es Euch gefällt!
keinGast (48)
(25.07.11)
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 Anyango meinte dazu am 25.07.11:
Vielen Dank - auch für die Empfehlung
AronManfeld (43)
(29.12.11)
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 Anyango meinte dazu am 30.12.11:
Inwiefern siehst Du hier Dummheit und Depression gleichgesetzt?

 Kontrastspiegelung (21.03.13)
Ich mag´s

Wobei, bei Depressionen, wäre ich ehrlich gesagt nicht ganz der Meinung. Würde sogar sagen, dass es eine Entwicklung eines Menschens ist. Dazu müsste man aber auch die Vorgeschichte kennen. Finde ich. Öhm, irgendwie. Manche lernen ihre Sichten selber kennen, das kann unter Umständen länger dauern. Andere hingegen, sind so drauf, wie du es hier nieder geschrieben hast. Ihnen juckst nicht immer, was sie gerade in Erfahrung bringen. Sie leben einfach.
Doch wenn man die Wettergeschichte bedenkt, so ist es eher schon depressiv nichts (sofort) darauf sagen zu können.

Liebe Grüße, Konti

 TrekanBelluvitsh (27.04.16)
Depressionen verwüsten. Sie verwüsten noch nicht einmal in erster Linie das Große, sondern die Kleinigkeiten, die uns ständig umgeben, mit denen wir umgehen müssen. Das zeigt dein kurzer Text auf eindringlich weil unaufdringliche Art und Weise.

 Anyango meinte dazu am 02.05.16:
Danke! "Depressionen verwüsten" ist allerdings ein sehr kurzer, sehr treffender Kommentar.

 TrekanBelluvitsh (29.05.18)
Das Leben wird anders. Oder es ist anders. Das selbst zu begreifen ist schon schwer genug. Wenn es dann von der Umwelt "nur" keine Unterstützung gibt, ist das schon eine Menge. Zumeist hagelt es dumme Sprüche und Besserwisserei. Heißen dank...
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