Liebes Tagebuch,
mein letzter Eintrag endete mit den Worten:
Jetzt, wo ich eine Entscheidung getroffen habe, ist es wie befreit zu sein von allem.
Und ich muss heute sagen, dass diese Entscheidung falsch war. Ich war nicht mehr ich selbst.
Meine Gedanken gehörten nicht mehr mir, Sie waren fremd und die Wirklichkeit verschwand wie hinter einer Nebelwand.
Ich dachte, dass nur ein Weggehen aus diesem Leben, mein Leid beenden könnte. Ich dachte nicht daran, wie schön das Leben auf dieser Welt sein könnte. Ich dachte nur an die Tod, nicht daran dass danach nur noch das Nichts kommt, die Ruhe nach dem Tod, keine Gefühle, keine vertrauten Menschen mehr, keine Sonne, kein Mond. Man muss sich bewusst sein, dass es nur ein Wegrennen ist, ein Wegrennen vor dem einzigen Leben was man hat.
Es war der erste Samstag im Juni, eigentlich sollte ich zur Arbeit fahren, doch es ging nichts mehr. Meine Kräfte hatten in den letzten Tagen nachgelassen, ich konnte nicht mehr aufstehen …
Mein letzter Freund, hatte am Abend zuvor meinen Abschiedsbrief gefunden. Er war es, der mich aufhielt und nicht von meiner Seite wich. Mich einfach in den Arm nahm und weinte. Mir seine Gefühle zeigte, seine Tränen tropften auf meine Haut, seine Tränen waren es, die etwas durch die Nebelwand schickten.
Mein letzter Freund, der mich nie fallen hat lassen, immer zu mir stand, flehte mich an, Hilfe anzunehmen. Ich wollte Ihn einfach nur vorspielen, dass es nicht so schlimm sei wie er vermutete
und ich sagte ihm: „ Ok, ich spreche mit einem Arzt “, ich brauchte ja auch eine Krankmeldung für die Arbeit.
Er fuhr mich in eine Klink, damals wusste ich noch nicht, dass er bereits mit einem Arzt von dort telefoniert hatte. Es kam aber nicht der Arzt mit dem er telefoniert hatte, sondern eine Ärztin.
Sie bat mich in Ihr Sprechzimmer, die Tür schloss sich und mich überkam Panik. Panik nicht mehr
den Schein aufrecht erhalten zu können. Panik, dass sie mir ansehen könnte wie es mir ging.
Ich versuchte mein Bestes, verstickte mich in meinen Antworten, bis es aus mir heraus brach, alles was ich nie aussprechen konnte, meine Gedanken, meine Gefühle, mein Hass und meine Sehnsucht nach dem Tod.
Ich wollte weglaufen, aber die Türen waren verschlossen. Ich brach weinend zusammen und flehte meinen letzten Freund an, sein Versprechen zu halten und mich wieder mitzunehmen, denn nur deshalb fuhr ich mit ihm dort hin. Er versprach mir mich wieder mitzunehmen, wenn ich nicht dort bleiben wollte. Er stand nur da, Tränen liefen über seine Wangen und man konnte ihm ansehen dass er hin- und hergerissen war.
Die Ärztin sagte ihm dann, dass Sie ihm die Entscheidung abnimmt und mich nicht mehr gehen lassen kann. Sie nahm das Telefon und rief sich Hilfe, sie bestand auf weibliches Personal als Unterstützung.
Die Ärztin redete auf mich ein, machte mir klar, dass es nur noch diesen Weg gäbe, Sie mich in solch einem Zustand nicht gehen lassen kann. Ich bekam ein Beruhigungsmittel und wurde in ein Zimmer gebracht, wo nur ein Bett mitten im Zimmer stand. Das Bettgestell war in den Boden eingelassen, die Fenster hatten Gitter, ein Heizkörper war an der Wand befestigt und der Raum lag direkt neben dem Schwesternzimmer, in der Tür war ein Fenster mit Jalousien.
Ich flehte die Ärztin an mich doch gehen zu lassen, dass ich mir nichts antun würde und es mir schon besser ginge, weil ich alles gesagt hatte was mich bedrückte. Sie blieb hart, versuchte mich zu beruhigen, doch ich brach wieder weinend zusammen. Ich kauerte mich in eine Ecke, so dass man mich nicht durch das Fenster sehen konnte und weinte nur noch.
So vergingen fast 20 Stunden, die Ärztin hatte bei Gericht eine Zwangseinweisung beantragt, nach
Psychisch-Kranken-Gesetz, dieses wurde mir schriftlich mitgeteilt, verstanden habe ich es nicht. Denn ich wollte nur weg. Ich aß nichts und ich trank auch nichts. Der Wunsch zu Sterben wurde nur noch schlimmer. Wenn ich zur Toilette wollte, musste ich an die Tür klopfen und darum bitten, mich aufs WC zu lassen. Eine Tür die auch noch von diesem Raum abging wurde dann geöffnet, dahinter das WC, und ich konnte gehen, mit Aufsicht. Ich durfte die Tür nicht abschließen und musste sie einen Spalt offen lassen.
Da ich nichts aß, es aber einer Schwester nicht passte, kam sie in den Raum und setzte mich unter Druck, sie drohte mir an, dass man mich Zwangsernähren würde, wenn ich nicht anfange zu essen. Ich hatte Angst vor einer Zwangsernährung und deshalb fing ich an nicht viel, aber etwas zu essen.
Nach einigen Tagen durfte ich zum Duschen mit einer anderen Schwester, und meine Wäsche wechseln, das alles auch nur unter Aufsicht, ohne Duschvorhang.
Mein letzter Freund hatte mir Sachen in die Klinik gebracht, weil ihn die Ärztin darum bat.
Somit konnte ich meinen Lieblingspulli anziehen. Was diese Schwester nicht merkte, war die Kordel die dort mit eingezogen war. Als ich wieder in diesem Raum war, lag ich mich aufs Bett und tat so als ob ich schliefe. Über die Tage hinweg hatte ich gemerkt, wann die Nachtschicht begann und man Übergabe machte und wann niemand im Schwesternzimmer war.
Diese Zeit nutzte ich und band die Kordel so zusammen das es eine Schlinge gab die sich zusammen zog, die Schlinge lag ich um meinen Hals und das Ende band ich an den Fenstergriff. Die Schlinge zog sich zu, meine Luft wurde weniger, ich dachte ich hätte es nun endlich geschafft. Doch in diesem Augenblick ging die Tür auf, die Schwester kam rein, rannte zurück, kam wieder und schnitt die Kordel mit einer Schere durch.
……. Fortsetzung folgt ………