Unser Militär

Beschreibung zum Thema Krieg/Krieger

von  KayGanahl

Ist es heute, ist es etwa gestern gewesen?
Wir vermuten einfach einmal, dass es in etwa immer schon so war, ist und immer so bleiben wird.
In der Militärkaserne herrscht das strengste Reglement. Das ist ja allgemein bekannt. Wer frisch dazu gekommen ist, wird von dieser neuen Umgebung überwältigt. Das soziale Anpassungsproblem ist groß – es soll beim Übergang vom Zivilleben ins Militärleben auch groß sein. Das Militär verlangt Unterordnung (besser gesagt: Unterwerfung). Der Grundsatz von Befehl und Gehorsam dominiert die Beziehungen der Militärangehörigen untereinander.
Mancher, der neu dabei ist, könnte daran zerbrechen. Das ist – wir wissen es - wahrhaftig nichts, was besonders erfreulich wäre. Es reicht bis in die Nähe der Menschenverachtung.
Viele Äußerungen von Individualität werden hinter die Fassade der Uniform gepresst. In der Uniform steckend ist der Mensch und Bürger bald verschwunden. Aber er bleibt noch „irgendwie“ Mensch, auch noch Bürger. Das sei angefügt. In unserem Land muss er nämlich seine Individualität nicht völlig aufgeben. Nun gut, das ist ja immerhin etwas.

Fakt ist, dass viele das Militär zu hassen beginnen, wenn sie den Alltag in der Kaserne ertragen müssen. Sie glauben nicht an das, was ihnen befohlen wird.
(Und alles, was von Vorgesetzten gesagt wird, ist Befehl: die Meinung des einzelnen Soldaten zählt prinzipiell nicht. Es gilt nur das, was von oben befohlen wird. Daran muss sich der neue Soldat, der Rekrut, erst gewöhnen. Nicht jedem gelingt das. Die selbst getroffene Entscheidung, dem Militär den Rücken zu kehren, die Fahnenflucht, ist verboten und wird bestraft. Wer flüchtet, der wird von den Feldjägern, einer militärischen Waffengattung, gejagt.)
Wer als Rekrut größere psychische Probleme hat, zeigt sie (auch die kleineren) besser nicht - ganz besonders nicht seinen unmittelbaren Vorgesetzten. Immer und überall hat er nämlich seinen Mann zu stehen; Schwächen darf es nicht geben.
Die Sache mit der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung des Soldaten ist schon angesprochen worden. Neben jeglichen persönlichen Bekenntnissen sowie Meinungen sind noch nicht einmal Gefühle und eigene Gedanken, die bei der alltäglichen Dienstverrichtung helfen können, besonders gefragt!  Von wegen „Mitdenken“! Bloß nicht! Der Soldat zeigt weder, was er fühlt noch was er denkt. Er ist einer von vielen Niemanden in der uniformen Menge der Untergeordneten. Und jeder, auch der jeweils unmittelbare Vorgesetzte, ist ein Untergeordneter!
Das  die Soldaten trotz allem durchaus noch, jeder für sich, eine Gedanken- und Gefühlswelt in sich bergen, muss allen anderen „Menschen in der Kaserne“ unbedingt ein Geheimnis bleiben.
Die Unterordnung des einzelnen jungen Menschen unter die militärische Disziplin innerhalb der rigiden militärischen Organisation im ganz normalen Kasernenalltag bedeutet faktisch die selbst erlebte Unterdrückung, die die ganze Persönlichkeit des Individuums betrifft. Das ist etwas, das leider dauernd zu ertragen ist; es löst so manches zweiflerisch-negative Gefühl im jungen Soldaten aus. Ob er das will oder nicht. Jedenfalls: nur nichts zeigen, geschweige denn „Meldung machen“!

Aber wir leben doch alle noch! Ist das denn nichts? Zumal die Frontlinien weit weg in fremden Ländern verlaufen, wenn wir denn schon tatsächlich Gewalt anwenden müssen.
Ach, ist das nicht irgendwo ein bisschen lächerlich!?

Es gilt, die Form zu wahren. Die Form ist alles. Wir hören ein „Stillgestanden!“, ein „Rührt euch! Wegtreten!“  –
Nun, es muss wohl einfach so sein. Das Militär wird sich wahrscheinlich in seinen Grundlagen nicht wesentlich verändern. Allerdings ist in unserem Land die Humanität immerhin schon in den Kasernenalltag mit seiner Disziplin eingezogen. Darauf dürfen wir stolz sein.
Und wir sind darauf sehr stolz!
„Gewehr über!“ Der Befehl wird nach wie vor gehört und befolgt.

War da noch etwas?

Die militärische Verhaltenspraxis, während man die Unterordnung als Unterdrückung erleben muss: 
Falls jemand etwas seinen unmittelbaren Vorgesetzten mitteilen, sagen will (bloß nichts Persönliches oder Kritik!), so sage er dies, doch es muss zum Militär und seiner beständigen Unterdrückung passen: ein bisschen (unauffällig) kleinlaut und voller Respekt gegenüber den Vorgesetzten muss er es sagen; und, wenn es schon gesagt werden muss, muss es kurz und sachlich, völlig schnörkellos ohne Emotionen sein!
Die Selbstverständlichkeit des militärischen Verhaltens gemäß Reglement wird in der Grundausbildung der Rekruten jedem unterschiedslos eingefleischt.
Das Anherrschen durch den vorgesetzten Dienstgrad ist der unmittelbare Ausdruck der Herrschaft der Vorgesetzten über ihre Untergebenen. Es geht weit: Der Obergefreite dominiert den Gefreiten. Der Leutnant ist schon nicht mehr ein Mensch für den Gefreiten, vielmehr eine Art kleiner Gott.
Allerdings darf man als einfacher Soldat auf Ausnahmen hoffen. Gelegentlich darf man ein halbprivates Stelldichein mit einem höheren Dienstgrad abhalten. Die Kameradschaft gilt für alle Dienstgrade gleichermaßen. Sie schweißt durchaus alle Dienstgrade im Militär zusammen. Das muss nicht allzu kritisch beurteilt werden, hat es doch noch etwas Menschliches. Ab und zu wird ein Offizier sogar von Mannschaftsdienstgraden gemobbt. Und überhaupt: Vom Code Red haben wir alle schon einmal gehört.
Meinungsumfragen werden innerhalb der Kasernenmauern, so weit bekannt ist, nicht durchgeführt. Wer will ausbrechen aus dem Kasernenalltag? Vielleicht viele. Aber letztlich halten viele durch. Die Dienstzeitdauer stellt sich dem Wehrpflichtigen als eine leicht überschaubare Zeit dar. Längst nicht jeder wird Zeitsoldat. Der Zeitsoldat muss sich aber im Alltag besonders hohen praktischen Anforderungen stellen und allem, was unterdrückt und klein macht, noch penibler unterwerfen.
Der Wehrpflichtige kann sich in der Uniform „einrichten“ und warten, bis seine Zeit abgelaufen ist. Hoffnung entsteht und bleibt. Es ist die Hoffnung darauf, dass die eigene Dienstzeit schnell „umgeht“; nach Ablauf der Dienstzeit die Kaserne unbeschadet verlassen werden kann, um das Zivilleben wieder normal aufzunehmen.
Das  Individuen mit ihrem jeweiligen schicksalhaften Lebensweg im Kompaniegebäude „wohnen“ und am liebsten abhauen würden, interessiert hier und heute gar nicht. Von wegen „Fahnenflucht“!
Schnell wird man – ein kleines Gefühl äußernd, Schwäche zeigend – zum Weichling erklärt und zusätzlich mit Geringschätzung behandelt. Die Mannschaftskameraden üben sich dann bestenfalls in Gleichgültigkeit anstatt in Solidarität mit dem Betroffenen.
Im Grunde gibt es zumindest innerhalb des Kasernengeländes eben doch keinen Menschen mehr – nur noch Soldaten. Jeder, der eingezogen worden ist, hat sich kommentar - und kritiklos damit abzufinden. Sogar einer, der es wagt, zu lächeln, wird zusammengebrüllt.
Wir hören:  Angetreten! Heute früh zur Parole. Heute zur Mittagszeit. Eventuell auch noch einmal kurz vor Dienstschluss. Alle! Wer will da irgendeine fadenscheinige Begründung für sein Zuspätkommen oder Fehlen geben!? Wer zu spät kommt, muss einen Abriss des Spieß ertragen.
Und sie treten auch – alle - an, keine Frage. Die Uniformität der angetretenen Soldaten, die entsteht, könnte auf Menschen, die das noch nicht gesehen haben, beeindruckend wirken. Es könnte sich aber etwas Seltsames zutragen: Eine  akute Krise des Egos von vielen Soldaten, die vor dem Kompaniegebäude auf Befehl des Spieß ihrer Einsatzkompanie angetreten sind (oder vielleicht doch nicht), ruft manchmal die Gefahr herauf, dass gewaltige Schuttmassen aus den Tiefen des Unterbewusstseins, jedenfalls eines jeden jungen angetretenen Soldaten der Mannschaften, nach oben treiben und sich nachteilig bemerkbar machen. Der Spieß muss aufpassen! 
Er trägt viel Verantwortung; noch mehr der Kompaniechef. Gewaltanwendungen sind möglich; aber es gibt die Waffengattung der Feldjäger, die im Ernstfall herbei gerufen werden kann (und muss). Der Kompaniechef wird im Ernstfall sicherlich herbeieilen.
Vielleicht sollte man das Militär nicht so ernst nehmen, so lange nicht auf Befehl auf Feinde (oder Freunde, Kameraden, Bevölkerungsteile?) geschossen werden muss.
Ist das hier Verfasste nicht ein wenig satirisch? Bitte sehr: Es gehört zu den alltäglichen Dingen des Kasernendaseins, einen Pullover zu verlieren, auf unerklärliche Weise natürlich, oder sich für doof zu erklären.
Der heutige Tag. Aus den Tiefen des Unterbewusstseins ist heute einmal tatsächlich vieles nach oben getrieben. Die Mannschaftsdienstgrade befinden sich auf dem Platz vor dem Kompaniegebäude ihrer Einsatzkompanie im Aufruhr. Offiziere eilen brüllend herbei und wollen Ordnung und Disziplin wieder herstellen.
Das stellt sich als sehr schwer heraus. Es fließt Blut, es wird geschossen. Schreie peitschen auf. Angesichts von Ovationen (!) beistehender Kameraden, die von ferne Zeugen geworden sind,  bricht dann eventuell sogar noch ein schallendes Gelächter aus, welches gegen die Mauern der vorgesetzten Offiziere und Unteroffiziere brandet, die sie gegen ihre untergeordneten jungen Zugsoldaten errichtet haben (die Distanz zwischen dem unmittelbaren Vorgesetzten und dem Rekruten und anderen niedrigen Dienstgraden)  - und Schaden anrichten kann.
Die Vorgesetzten nehmen heute alles verdammt ernst. Nach Wiederherstellung der Ordnung und Disziplin hagelt es Strafen. Sofort werden mehrere junge Wehrpflichtige arretiert. Die Wache mit den Arrestzellen ist ja auch nicht weit entfernt.
Die alarmierte Feldjägergruppe übernimmt das weitere Vorgehen.


Kay Ganahl
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