Der Weg in die Zukunft

Geschichte zum Thema Fantasie

von  ThalayaBlackwing

Kurz nachdem Thalaya aus ihrem Gebet wieder aufstand, hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Sie konnte nicht die Hand darauf legen, was es war. Es war eben nur ein Gefühl. Unschlüssig stand sie einen Moment in der Kathedrale, ehe sie sich erinnerte, wohin sie wollte. Meister Madison, sie wollte ihn ja noch über ihre Fortschritte in der Planung unterrichten. Und auf dem Gang sah sie Alderic, der aufgeregt ins Vox sprach aber sofort pausierte, als er Thalaya sah. Er lächelte sie an und Thalaya noch völlig unbescholten in der Welt der Intrigen, ahnte nichts Schlimmes. Warum hatte Alderic mit dem Sprechen aufgehört? Thalaya glaubte noch, dass es einfach daran lag, dass er sie bemerkt hatte und ihr zulächeln wollte, vielleicht ein liebes Wort. Freundschaft. Doch kaum war Thalaya vorbei und um die Ecke, als sie erneut die Stimme Alderics vernahm. Aber sie verstand keine Worte. Thalaya war aber blauäugig genug, um sich nicht darum zu sorgen. Stattdessen ging sie ruhig den Gang entlang und klopfte an einer ihr vertrauten Tür. Sie musste auch nicht lange warten, bis diese aufschwang und sie in das Büro trat, das dem Meister des Tempels als Kommandozentrale diente. Sie verneigte sich vor ihm, wie es sich ihrem Rang geziemte und wartete dann, dass er das Wort an sie richtete. Dies geschah recht bald und Thalaya erläuterte, was sie sich ausgedacht hatten und wie sie vorgehen wollten. Meister Madison nickte zustimmend. Er hielt es auch für eine gute Idee. Ebenso versicherte er ihr, dass sie alles, was sie für die Mission brauchen könnte, von ihm erhalten würde, sollte es verfügbar sein. Thalaya nickte und bedankte sich. Damit verließ sie Meister Madisons Büro und lief in ihre Zukunft.

So vergingen die letzten Tage vor dem Beginn der Mission recht gleichmäßig. Außer um zu testen, ob es möglich war, die am Vortag aufgezeichneten Bilder wieder in das Sicherheitssystem einzuspeisen, hatten sich Thalaya und Alderic nur noch zu den Trainingseinheiten getroffen. Thalaya trainiere auch allein. Einige Techniken wollte sie Alderic zeigen, aber der hielt das nicht für nötig. Aber Thalaya sah das anders und sie hatte auch nicht das Bedürfnis dem Gottimperator demnächst gegenüber zu stehen. Essen, beten, trainieren, schlafen, so sah der Tag Thalayas aus.

Und als schließlich die künstliche Sonne an diesem Mittwoch, nach der terranischen Zählung, unterging, breitete sich die Spannung fühlbar aus. Thalaya und Alderic waren in der Kathedrale und beteten. Sie baten den Gottimperator um Führung und Seinen Segen.

Schließlich trat Meister Madison ein, rief sie zu sich, betrachtete sie lange und meinte dann:

„Seid vorsichtig, meine Kinder. Sein Blick ruht auf euch, Sein Segen sei mit euch. Möge Er heute auf euch hinab lächeln. Ich wünsche euch Glück und kehrt erfolgreich zurück.“

Thalaya verneigte sich und auch Alderic tat es ihr gleich. Und danach verließen sie den Tempel. Für Thalaya war es das erste Mal seit ihrem Beitritt. Acht Jahre war es jetzt her. Eine lange Zeit, besonders für eine so junge Frau, wie Thalaya es war. In den Augen der Gesellschaft war sie kaum mehr als ein Kind, noch immer. Nur der Tempel bot ihr die Freiheit und die Verantwortung, die sie auch verdient hatte.

Und doch war Thalaya unsicher. War sie noch in der Lage, sich draußen zu bewegen? Und wie war das mit dem Nicht-auffallen? Thalaya hatte eine enganliegende, aber elastische Jeans in schwarz an, einen schwarzen Rollkragenpullover und einen langen, ebenfalls schwarzen, Mantel. Sie mussten erst mal in das Nobelviertel und das ging am besten, wenn man wie Menschen aussah, die da hingehörten.

Alderic hatte einen exzentrisch wirkenden Mantel über seine Kleidung geworfen. Er wirkte wie ein  wahnsinniger Sohn einer der vielen noblen Familien, die durch zu viele zu enge Heiraten inzestuös geworden waren. Sie hatten lange überlegt, wer sie sein wollten. Thalaya hatte sich so nah wie möglich an die Wahrheit gehalten. Sie wollte vorgeben, eine Kinderfreundin des jungen von Stornfall zu sein. Der Name, den sie führen wollte, wurde von ihnen sehr sorfältig ausgewält. Xanthia de la Rosa. Nur die wenigsten wussten, dass es eine Xanthia de la Rosa nicht gab. Es war Thalayas Geheimnis gewesen. Sie hatte diesen Namen immer dann genutzt, wenn sie unbewacht ein bisschen spielen wollte. Eine zweite Identität sozusagen. Aber die meisten würden bestätigen, dass Xanthia tatsächlich öfter mit dem jungen von Stornfall zusammengewesen war. Welch glücklicher Umstand. Alderic hatte ihr nicht verraten, wen er darstellen wollte. Aber Thalaya vertraute ihm. Und als sie oben ankamen, natürlich stilgerecht in einer Limousine, wurden sie fast wie beiläufig durchgewunken.

Thalaya sah sich um und obwohl sie acht Jahre nicht mehr hier gewesen war, erinnerte sie sich an alles, als wäre es erst gestern gewesen. Sie sah alte Geschäfte. Diese würde sie meiden, denn sie kannten ihre wahre Identität und Thalaya wollte nicht riskieren, dass man sie nach so langer Zeit trotz allem doch noch erkannte. Ihre Augen waren dazu einfach zu markant. Aber auch neue Geschäfte hatten alte abgelöst. Ein wenig sehnte sie sich danach, diese Geschäfte zu erkunden. Aber dafür war keine Zeit, sie hatten einen Auftrag zu erfüllen.

Sie fuhren zu einem Hotel der Extraklasse. Sie checkten ein und verabredeten sich dann in einem Café. Bis dahin wollte jeder von ihnen die Gegend ein wenig erkunden. Schwachstellen in der Überwachung herausfinden und auch das Zielobjekt von außen begutachten. Viel Zeit hatten sie nicht und ihre Ankunft würde Aufmerksamkeit auf sie ziehen. Je schneller sie hier fertig wurden, desto schneller konnten sie hier weg und desto weniger Menschen würden sie sehen oder gar, wie in Thalayas Fall eine Gefahr des Erkennens darstellen.

Thalaya fand das Haus auf Anhieb. Es war nur wenige Häuser von ihrer alten Heimat entfernt. Und als Thalaya am Haus ihrer Eltern vorbeiging, auch wenn es rein rechtlich jetzt Thalayas Haus war, durchfuhr sie ein Stich der Sehnsucht. Wäre es möglich einen kurzen Blick in das Haus zu werfen? War es so verwerflich, dass sie den Wunsch dazu hegte? Thalaya schüttelte über sich nur den Kopf. Erst der Auftrag, danach hatten sie vielleicht noch einmal die Chance, hier vorbeizugehen. Thalaya wandte sich ab und eilte ihrem Ziel entgegen. Das Haus war von außen so stark gesichert, wie die beiden es befürchtet hatten. Am Eingangstor befanden sich Kameras. Das System war so ausgeklügelt, dass wenn man auch nur eine Kamera zerstörte, das ganze Alarmsystem aktiviert wurde. Gut, dass sie einen Plan hatten. Thalaya besah sich auch, so gut es eben von außen ging, ohne gleich aufzufallen, den Lagerraum. Ja, er hatte Fenster. Perfekt. Der Plan schien zu funktionieren.

Heute Nacht sollte die Aktion starten.

* * *
Aber während Thalaya das Haus erkundete und Schwachstellen im Plan überarbeitete, hegte Alderic ganz andere Pläne. Dieser nämlich hatte den Besitzer des Hauses bereits lange vor ihrem Eintreffen informiert, dass die Aktion heute stattfinden sollte. Er hatte mit ihm abgesprochen, dass er Thalaya, die beste Assassine der Stadt in einen Hinterhalt locken wollte. Dann könnten sie beide dieses lästige Kind aus dem Weg räumen. Alderic würde als Dankeschön das Artefakt bekommen, das sie bergen sollten, würde damit in den Tempel zurückkehren, vollkommen geknickt vom Verlust der geliebten Schwester berichten, aber sie ruhmreich in Ehren halten, da sie ihr Leben dafür gegeben hatte, dass sie dieses Objekt endlich bergen konnten. Und Alderic wäre dann endlich der beste Assassine des Tempels. Und er hätte sich für die Abfuhr Thalayas revanchiert. Der Plan war einfach perfekt.

Alderic hatte längst den Weg des Imperators verlassen. Er hatte sich nach der Abfuhr damals an Thalayas Krankenbett abgewandt und den Worten eines anderen Gottes gelauscht. Die Worte eines der Dunklen Vier, der das Blutvergießen, das Kämpfen mit dem Schwert allen Arten des Kampfes vorzog. Khorne. Und um ihm gefällig zu sein, würde er sogar seine einstige Flamme opfern. Für Macht tötete er. Denn er wollte den Tempel übernehmen und ihn wieder zu dem machen, was er vor der Ankunft dieses sogenannten Gottimperators war. Ein Hort für Krieger des Khorne. Und Thalaya mit ihrer Verblendung dem Gottimperator gegenüber und ihrer Hingabe war nur im Weg.

* * *
Doch davon ahnte Thalaya nichts und als sie sich am Abend im vereinbarten Café trafen, hatte Alderic wieder seine Maske auf, die er immer trug, wenn er in Thalayas Gegenwart war. So ein Kind war sie, dass sie nichts ahnte. Und blindlings mit offenen Armen in die Falle lief, die Alderic gestellt hatte.

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