Problema amantis

Es sitzt ein junger Schreiberling,
das heißt, Moment, im Grunde hing
er mit verdampftem Hirn, ach nein,
dann hätt' er keine Birn', na fein,

zu Füßen allen Rätseln der,
nein, des famosen Schriftverkehr-
mit "s", wie's heißt im Genitiv,
an einem langen Liebesbrief.

Noch steht nicht viel, nur Zeile eins.
Ein Hallo, so, als wär's gar keins,
hockt klein vor Angst im Briefblatteck.
Da nahm er es und strich es weg.

Das Na zu doof, Hey klingt zu schlicht
und Moin – so geht's nun wirklich nicht.
Wie hat, das ist der Frage Kern,
die Liebste die Begrüßung gern?

Potz Blitz! Es schiebt das Blut die Lust
so schnell, dass sich nicht ohne Frust
das Fell im Nacken übergibt.
Sein Herz, es bellt, es springt, es liebt

dem Nachbarstisch entgegen, doch
verlegen weiß er um das Loch
im Kopf, vor dem die Sprache floh.
Drum schreibt er was er fühlt nun so:

Ein Pünktchen hier, ein Pünktchen dort,
darunter Komma noch und Strich.     
Es spricht vielmehr als Satz, als Wort,
wirkt albern bald, bald lächerlich,

doch wirkt's! Wohlan: mit letztem Mut, 
Sekunden vor dem Stundenschluss,
führt jener Brief, wirft er ihn gut,
womöglich hin zum ersten Kuss.

So fliegt, beträuft mit Liebesduft,
der Zettel, wie in einem Traum,
durch flimm'rig-heiße Liebesluft.
Es gongt, sie packt, verlässt den Raum

Und ihn verlässt die Fassung, als
die Nächste sich ans Tischlein hockt, 
es liest und mit gar rotem Hals
hinüberblickt - Er hat's verbockt! 

Jetzt schnellt er hoch, will eilig geh'n,
hält sich noch trügerisch den Bauch,
doch sie springt auf, bleibt vor ihm steh'n
und sagt: "Mein Schatz, ich lieb' dich auch!"

Der Kuss, der folgte, (ihm zum Lohn)
Sollt' nur der Liebsten angedeih'n!
Drum sprach er schließlich, ernst im Ton:
"Ich lass' das Briefeschreiben sein!"