Homo ludens

Essay zum Thema Freizeit

von  Ephemere

Die Spiele der Erwachsenen, selbst ihre Muße, haben ihre Unschuld verloren. Wissend, dass sie sterben müssen, versuchen sie, bewusst zu leben – oder der Conditio Humana in synthetische Parallelwelten zu entfliehen. Und selbst diese Fluchten meinen sie noch rechtfertigen zu müssen: Im Bewusstsein ihrer Endlichkeit und im Räderwerk der sozioökonomischen Maschinerie unternehmen sie immer etwas; über jeden Moment muss Rechenschaft abgelegt werden, indem er erzählbar sei – das heißt: definiert, intersubjektiv nachvollziehbar.

Das Kind führt noch weder Buch, noch flieht es aus der Realität – sein Spiel ist ihm genauso relevant und lohnend wie alle „ernste“ Beschäftigung, z.B. das Essen. Mehr noch: Es gibt ihm keine „unernste“ Beschäftigung, keine gut eingesetzte oder verschwendete Zeit. Quälend ist lediglich fremdbestimmte Zeit, die unter den Imperativ der Uhr gestellt wird („Du sitzt jetzt eine Stunde still“) – die zweite Natur des Erwachsenen.

Das Kind ist nur von Wahrheit umgeben – es empfindet die Produkte seiner Fantasie wie die Beobachtungen seiner Sinne, unmittelbar. Der Erwachsene erkennt diese Wahrheit kaum noch, kann auch nicht mit ihr umgehen – sein Leben ist der Fiktion gewidmet: Der sozialen Fiktion, eine Lebensgeschichte darstellen zu müssen, der professionellen Fiktion, aus abstrakten Daten und übermittelten Informationen Weltbilder fabrizieren zu müssen, und der kommodifizierten, industrialisierten Fiktion der Konsums.

Ob wu wei, Achtsamkeit, Meditation oder Camus’ Meer und Sonne: Die Sehnsucht des Erwachsenen gilt dem, was überwuchert von all dem Digitalen womöglich unerreichbar geworden ist – wieder in der Wahrheit zu leben. Nicht zu sehen und zu fühlen als-ob, nicht in allem ein Zeichen zu sehen und nicht die Stille und die Leere als Unterschlagung zu fürchten, sondern unmittelbar zu empfinden, ohne Notwendigkeit einer Rechtfertigung; auch nicht vor sich selbst.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (10.02.14)
"(...)iim Räderwerk der sozioökonomischen Maschinerie unternehmen sie immer etwas; über jeden Moment muss Rechenschaft abgelegt werden(...)"
Wie traurig, wie wahr. Alles zusammengefasst in der mordenden Frage: "Rechnet sich das?"
Und der Urlaub des Arbeitnehmers ist Erholungsurlaub, d.h. in im soll er sich von der Arbeit erholen, aber nur um sich so auf weiter Arbeit vorzubereiten. Es gab mal einen deutschen Politiker der sagte in einem anderen Zusammenhang: "und sie werden nicht mehr frei ein Leben lang." Aber da übertreibe ich bestimmt.
"Der Erwachsene erkennt diese Wahrheit kaum noch, kann auch nicht mit ihr umgehen(...)"
Eine interessante Feststellung. Mein erster Gedanke war jedoch: Es ist umgekehrt!
Der Erwachsene kann mit der Wahrheit kaum noch umgehen, weil er sie nicht erkennt!
???

Nachtrag:
Im Zusammenhang mit dem, was ich über den Erholungsurlaub geschrieben habe, siehe auch Felnchens Text  "Erholung verschwunden". Ich sehe damit mich, aber vor allem deine kleine Ansprache bestätigt.
(Kommentar korrigiert am 10.02.2014)
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