»Je ne suis plus fatigué« 

Erzählung zum Thema Enttäuschung

von  SunnySchwanbeck

„Wir sind dann also auf irgend einer WG-Party gelandet. Wie das halt so läuft, man steht draußen auf der Straße, starrt in den Himmel und sieht den bunten Funken nach, die sich in den Himmel hingen. Silvester. Eine Ewigkeit her, eine kleine Ewigkeit länger. Wir standen dann also da auf der Straße, irgendwer hatte Sekt dabei und wir stießen mit allen an und es klirrte und klimperte und das Lachen der anderen wurde immer lauter. Eine Frage, chérie, kennst du das, wenn du fröhlich bist, weil alle fröhlich sind? Und kennst du das, wenn alle lachen aber du das Gefühl hast, du schaust ihnen nur beim lachen zu? So war das, damals. Vor dieser kleinen Ewigkeit an Silvester, wo wir auf dieser Party gelandet sind.
Einer der Mitbewohner hat mich dann ins Treppenhaus geschoben, ich hatte noch eine Wunderkerze in der Hand und suchte nach den anderen,  man sagte mir jedoch sie seien schon oben. Also ließ ich mich in diese Wohnung spülen, chérie, das war wirklich so, ehrlich wahr. Das war eine Flut aus alternativen Menschen die alle in diese Wohnung wollten, und ich, ich kam mir vor wie Strandgut. Später dann, sah ich die anderen auch wieder, sie waren allesamt betrunken und hingen grinsend auf dem Boden rum. Ich glaube, wir redeten über Pokémons oder so, und einer mit Bart sagte mir, ich wäre dieses rosane Vieh, mit den großen blauen Augen, dass so schön singt. Er meinte es sicherlich nett, aber ich mochte ihn nicht und ich glaube, das sagte ich ihm auch. Du kennst mich, chérie. Kein Blatt bleibt lange vor meinem Mund, wenn ich dadurch das Gefühl habe, zu ersticken. Ich stand also auf, ging ein Zimmer weiter, du weißt ja nicht wie viele Zimmer diese bescheuerte WG hatte, mindestens sechs, oder sieben.

In der Küche saß eine von uns bekifft auf der Spüle und aß Salat aus einem Bierkrug, sie kicherte so laut, dass ich sie sogar noch hörte, als ich endlich auf dem Balkon ankam. „ça va?“ Auf einmal leuchtete ein Feuerzeug unter meiner Nase auf und züngelte bereits an der Zigarette zwischen meinen Lippen. ça va, ça va. Der Typ mit der Golfermütze und der Pluderhose hörte gar nicht mehr auf und ich verfluchte meinen Französischlehrer in diesem Moment. „Ich weiß nicht was müde auf französisch heißt.“ sagte ich also. Der Typ schaute mich amüsiert an und kam näher. Pass auf, chérie, du kennst doch diese unglaublich schlechten Akzente. Alá „Und die Bier, die so schön geprickelt hat in mein Bauchnabel“ so einer war das. Da stand er also vor mir, und säuselte mit diesem ekelhaften Akzent sowas wie „Müde weißt du nicht, aber Liebe weißt du sicher.“ Und ich dachte mir nur, oh man, wieso bist du nicht in deinem Frankreich geblieben mit deinem scheiß Akzent. Ich warf meine Kippe runter und schob mich an ihm vorbei, durch die ganzen Dreadheads und bunten Leute, die alle irgendwas studieren womit sie später sowieso nichts verdienen können. Ich irrte ein paar Minuten durch die Wohnung und sah niemanden mehr, der zu uns gehörte.

Panik, in solchen Momenten kriege ich immer Panik, chérie, das weißt du ja. Ich ging also einfach raus, ich schloss die Wohnungstür hinter mir und niemand bemerkte es, ich glaube, da wussten nicht einmal drei Menschen meinen Namen. Nunja, war auch egal. Ich setze mich also auf die Stufen vor der Haustür und es war kurz vor Drei. Da bekam ich deinen Anruf, chérie. Weißt du noch was du mir sagtest? Nein? Ist ja auch nicht weiter wichtig, ich weiß es auf jeden Fall noch. Du sagtest, dass du an diesem Abend nur vier Leute anrufen wolltest, und ich war eine davon. Du sagtest, du wärest so froh endlich ein Silvester wieder in Deutschland zu sein und nicht in Paris mit diesem Musiker, den du dir vor Jahren angelacht hast und die Verbindung war grausig, ich hab kaum etwas verstanden. Aber du riefst mich an, nach drei Jahren und das machte was mit mir. Keine Ahnung was genau, das ist so, als müsste ich dir erklären wie man sich nach dem ersten Kuss fühlt. Und ja, das ist wohl der Grund wieso ich wieder schreibe, chérie. Weil du mich geweckt hast, aus diesem Winterschlaf.“

Chérie sitzt in einem riesigen Ledersessel in diesem Café in dem wir uns vor einer Stunde trafen. Sie wirkt abwesend, dreht gedankenverloren an einer ihrer Locken und schaut aus der großen Fensterfront zu ihrer rechten. „Es ist nicht so, als hätte ich dich vergessen. Das weißt du doch, oder?“ Ich versuche meine Stimme kraftvoll klingen zu lassen, so als wäre ich der Sieger der aus diesem Kampf hervorgeht. Als wäre nicht schon alles entschieden. „Hm hm.“ Sie atmet tief ein und legt ihre milchige Stirn in Falten. Ich höre ihr Handy in ihrer Tasche vibrieren und für einen Moment treffen sich unsere Blicke. Es sind immer noch die grün-braunen Augen von denen ihr scheiß Musiker sang. Dieses Lied, welches ich manchmal in masochistischen Momenten noch höre und mir vorstelle, wie sie ihn verliebt ansah als sie es das erste Mal hörte. Ich versuche ein Lächeln zu stande zu bringen, sehe aber wahrscheinlich eher wie ein Veganer in einer Metzgerei aus und sie tut so, als würde sie es nicht merken. Sie nimmt ihre Tasche vom Boden und fischt ihr Handy heraus. Ein Lächeln schiebt sich über ihre rot bemalten Lippen und ich wünschte mir, ich wäre auch so ein scheiß Franzose der Gitarre spielen kann und über die Augen schöner Mädchen singt, während ich sie an Silvester unterm Eifelturm küsse,
aber ich bin leider nur 'ne Lesbe die nicht los lassen kann, kein Wort französisch spricht und höchstens herzzerreißend Triangel spielt.


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

»Je ne suis plus fatigué«  - ich bin nicht mehr müde.

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Kommentare zu diesem Text

smartie (53)
(24.05.14)
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 SunnySchwanbeck meinte dazu am 25.05.14:
wie gesagt, ich spreche kein wort französisch. ich bat eine freundin dies zu übersetzen, schien nicht glatt gelaufen zu sein naja. ansonsten, hast du auf jeden fall recht, ich hasse wg partys.

 unangepasste antwortete darauf am 25.05.14:
Doch, der französische Satz ist richtig (mein Französisch ist zwar auch nicht super, aber für ein Studium zur Übersetzerin hat es letztlich irgendwie gereicht). "Ne ... plus" heißt "nicht mehr". Wenn eine weibliche Person spricht, müsste man allerdings schreiben: "Je ne suis plus fatiguée".

 Regina (26.05.14)
Weder das Thema "Enttäuschung" noch die im Titel angekündigte Müdigkeit bzw. Langeweile werden im Text bearbeitet, sondern Verachtung, Neid, Eifersucht, Nicht-Identifikation und Minderwertigkeitsgefühle, die dem Zeitgeist der Chaos-WGs posthum untergejubelt werden.
wupperzeit (58) schrieb daraufhin am 30.05.14:
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 RainerMScholz (26.05.14)
Bauchnabelprickeln - kenn´ich. Nur ohne Prickeln. Und ohne Bauchnabel.
Grüße,
R.

 Erdbeerkeks (22.06.14)
Ich mag den Text. Nur ein begonnener Kampf kann verloren werden, denke ich.

Liebste Grüße,

Keks

 Judas (05.07.14)
Ich hab' noch diese Impro vor Augen - zusammen mit deinem Text erneut gelesen - absolut genial! :D

 Dieter_Rotmund (06.03.20)
Was die Vorredner verschwiegen haben: Der Text ist fehlerhaft, es fehlen viele Kommas und die Groß- und Kleinschreibung ist auch fehlerhaft. Was sind dann so euphorische Lobeshmynen über diesen Text wert? Nichts, ja.

Nichts für ungut!
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