Der unendliche Krieg

Essay zum Thema Politik

von  DerHerrSchädel

Der Nahostkonflikt ist vergleichbar mit einem sehr aktiven Vulkan. Es brodelt und rumort unter der Oberfläche und alle paar Jahre gibt es eine Eruption. Offensichtlich ist es wieder mal an der Zeit. Zwei Jahre lang schwiegen mehr oder weniger die Waffen zwischen der israelischen Armee und den militanten Organisationen der Palästinenser. Das es nun wieder zu einem Ausbruch kommt, vermag kaum zu verwundern, tritt doch der Friedensprozess seit Jahren auf der Stelle. Israel läßt unablässig weitere Siedlungen im Westjordanland errichten und die palästinensische Bevölkerung vertreiben. Die radikalen palästinensischen Organisationen wollen sich im Gegenzug nicht mit der Existenz Israels abfinden und setzen auf Gewalt und Terror als Mittel des Widerstands.

Der Ausbruch verläuft in der Regel nach demselben Schema: Es gibt einen gewaltsamen Zwischenfall, dann folgen Kämpfe mit hunderten oder tausenden weit überwiegend palästinensischen Toten, gegenseitige Schuldzuweisungen, irgendwann erfolgreiche Waffenstillstandsverhandlungen und  beide Seiten erklären sich zum Sieger. Der Vulkan hat sich ausgetobt und geht in die nächste Ruhephase über. Vorrausichtlich wird der gegenwärtige Ausbruch enden, wenn Israel seine Offensive einstellt, nachdem es seine strategischen Ziele im Gaza-Streifen als erreicht ansieht und dies als Erfolg feiern kann. Die Hamas wird sich für ihren Kampf gegen die überlegene isralische Armee selbst feiern.

In den vergangenen Jahren war das mediale Echo auf den Nahostkonflikt vergleichsweise verhalten. Nach dem Sieg der Hamas im Gaza-Streifen und dem Rechtsruck in Israel beherrschten die Hardliner allerorten das politische Feld. Positive Entwicklungen blieben aus. Die Welt blickte frustiert auf die Konfliktparteien, die offensichtlich weder willens noch in der Lage dazu sind, den Konflikt dauerhaft zu lösen. Im Osten nichts Neues, wenn man so will.

Die arabische Welt ist seit Jahren im Aufruhr, der arabische Frühling begann die postkolonialen Staats- und Gesellschaftsstrukturen zu erschüttern und wandelte sich in Syrien zu einem andauernden, extrem blutigen Bürgerkrieg. Inzwischen ist es der islamistischen Organisation  „Islamischer Staat“ gelungen, den syrischen Bürgerkrieg mit dem innerirakischen Konflikten zu verbinden und auf den von ihr kontrollierten Gebieten in den beiden Staaten ein Kaliphat zu errichten. Bei einem langfristigen Erfolg der Gruppe Erfolg droht nichts weniger, als der Zusammenbruch der postkolonialen politischen Strukturen des nahen Ostens.

Wahrhaftig, dass sind dramatische Ereignisse, wie langweilig wirkt dagegen der ewige Kleinkrieg zwischen Israelis und den Palästinensern. Nichts spricht dafür, dass die jetzige Eskalation zu weitreichenden Veränderungen führen wird. Weder wird die Hamas dazu durchringen, auf den bewaffneten Kampf gegen Israel einzustellen, noch wird Israel zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen palästinensischen Staat akzeptieren oder gar seine Armee aus dem Westjordanland zurückziehen. Israel wird seine skandalöse Befestigungslinie auf palästinensischem Gebiet nicht abbauen, es wird auch nicht die mehreren hunderttausend radikalen jüdischen Siedler aus dem Westjordanland evakuieren, deren Zahl im Gegenteil immer weiter zunimmt.

Die Ultrarechten in der israelischen Regierung feiern die Brutalität der israelischen Armee als Zeichen der Stärke gegenüber dem Feind. Umgekehrt müssen sich die radikalen Palästinenser-Organsisationen, allen voran die Hamas wenig Sorgen um ihren Rückhalt in der Bevölkerung machen, solange Israel das Besatzungsregime aufrecht erhält. Jede Kritik an ihrer offensichtlichen Unfähigkeit, die Situation der Bevölkerung im Gaza-Streifen zu verbessern, verschwindet jetzt im Kriegsgeschrei nationalistischer Fanatiker und religiöser Fundamentalisten. Ähnlich ergeht es den Kritikern der militärischen Eskalation in Israel. Sie werden von den radikalen Nationalisten an den Rand gedrängt, diffamiert und bedroht.

So immens der Berg sozialer, ökonomischer und ökologischer Probleme in der Region, so wenig kann an deren Bewältigung angegangen werden, solange der Konflikt zwischen Isralis und Palästinensern nicht endlich gelöst wird. Die einzigen Profiteure dieses unendlichen, von Waffenstillständen unterbrochenen Krieges sind die Hardliner und Reaktionäre auf beiden Seiten, die es sich an den Fleischtöpfen der Macht gemütlich machen können, solange die alten Feindbilder funktionieren.

Nichts Neues also in Nahost? Mitnichten. Der arabische Frühling und seine Folgewirkung rollt durch die gesamte arabische Welt wie ein Tsunami. Nur im alten Nahostkonflikt scheint sich nichts zu bewegen. Noch nicht.


Anmerkung von DerHerrSchädel:

Veröffentlicht auch auch meiner Community-Seite von "Der Freitag".

http://www.freitag.de/autoren/philipp-schaab

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (01.08.14)
Eine gute Zusammenfassung der Ereignisse und eine kluge Einordnung. Nur zwei Anmerkungen hätte ich:

1. Mit
"Die Welt blickte frustiert auf die Konfliktparteien, die offensichtlich weder willens noch in der Lage dazu sind, den Konflikt dauerhaft zu lösen."
sprichst du den entscheidenden Punkt an, doch der sollte - meiner Ansicht nach - noch mehr in den Vordergrund gerückt werden. Denn immerhin schaffen es Israelis und Palästinenser seit über 60 Jahren nicht[/b], zu einem modus vivendi zu kommen. Das mag auch daran liegen, dass in beiden Lagern eine kleine, aber politisch aktive Gruppe immer noch davon träumt, das andere Volk 'zurück ins Meer' zu drängen - nicht mehr als eine geschönte Formulierung für einen Genozid.

2. Der Zusammenhang zwischen dem arabischen Frühling und dem Konflikt Israel - Palästinenser - mal abgesehen davon, dass er jüdisch-fundamentalistisch faschistoide 'Gläubige' in Aufruhr versetzt - sehe ich nicht. Gerade die Ereignisse in den palästinensischen Gebieten zeigt. dass z.B. die Macht der Hamas davon ziemlich unberührt blieb. Und auch Staaten, die ihr Volk an der Macht partizipieren lassen, wie es z.B. in Jordanien geschieht, sind von ihm eigentlich unberührt geblieben. Und auch wenn man die Ereignisse in Ägypten sehr kritisch sehen muss, haben sie doch gezeigt, dass das Schreckgespenst der islamistischen Gotteskrieger, die so überall die Macht an sich reißen würden - gerne von Experten verbreitet - haben sich so als nicht haltbar erwiesen. Denn was immer die Ägypter sich für einen Staat auch wünschen, sie wollen keinen von den Muslimbrüdern beherrschtes System.

Aber nur damit das nicht Vergessenheit gerät: Guter Essay, wenn auch eher zum Thema Politik.

 DerHerrSchädel meinte dazu am 01.08.14:
Hey, vielen Dank für die ausführliche Reaktion und das Lob!

Zu 1. Ich stimme dir zu, dass das ein sehr wichtiger Punkt ist, aber noch wichtiger war für mich die Frage WARUM sich der Konflikt nicht lösen läßt und auch in naher Zukunft nicht enden wird, weil - und das ist für mich das entscheidende - beide Parteien nicht bereit sind, entscheidende Zugeständnisse (Räumung der Siedlungen im Westjordanland etc.) zu machen.

Um es kurz machen, entscheidend war für mich nicht, dass der Konflikt seit Jahrzehnten (nimmt man die ersten Unruhen u. Proteste unter den Arabern vor der Staatsgründung Israels hinzu, sind es ja sogar schon bald 90 Jahre) nicht beendetet worden ist, sondern womöglich auch in weit entfernter Zukunft nicht beendet sein wird.

Zu 2. Natürlich haben im Kern der Nahost-Konflikt und der arabische Frühling nichts miteinander zu tun (gilt nicht unbedingt für den jüngsten Krieg, den ich glaube, dass hier einige Akteure die Aufmerksamkeit weg von den Krigen in Syrien und Irak ziehen wollten). Beide Konflikte stehen - was das Verhältnis zu den Medien u. d. internationalen Politik betrifft - in einer Art Aufmerksamkeits-Wettbewerb, aber ich schweife ab...

mir ging es hier einerseits um die bildliche Gegenüberstellungen - dort radikale Umwälzungen, extreme Dynamik und hier, in direkter geographischer Nähe, Stagnation, Stillstand, Einfrieren der Geschichte.

Und andererseits: eine direkte Folge hat der arabische Frühling auf jeden Fall:


In der internationalen Perspektive hat der Nahost-Konflikt m. E. klar an Bedeutung verloren, er ist nicht mehr der Nabel der Welt und daran wird der gegenwärtige Krieg nichts ändern, es sei denn, es kommt zu einer totalen Eskalation...


Ja, Politik - dass war mir irgendwie so nichtssagend, aber vielleicht hast du Recht - so lockt es möglicherweise die falschen Leser
Graeculus (69)
(01.08.14)
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 DerHerrSchädel antwortete darauf am 01.08.14:
Danke dir,

ich wäre nicht so pessimistisch, was den arabischen Frühling betrifft. Der ganze Prozess dauert erst wenige Jahre, überleg mal, wo die französische Revolution 1793 stand, da war vieles noch nicht absehbar und einiges im Argen.

Im Moment mögen aus tausenderlei Gründen die Islamisten die Gewinner sein, aber deren Politik demonstriert doch nur, dass sie überhaupt nicht fähig sind, die Probleme der Bevölkerung zu nutzen. Das hat man in Ägypten eindrucksvoll beobachten können. Ich war überrascht, mit welcher Vehemenz millionen muslimische Ägypter gegen die Muslimbrüder auf die Straßen gegangen sind.

Der nahe Osten in Bewegung, die alten Strukturen wanken, das ist gut...

Viele Grüße

DerHerrSchädel
Graeculus (69) schrieb daraufhin am 01.08.14:
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 franky (01.08.14)
Das Makabere ist ja: Die Amerikaner füttern Israel mit Waffen und verhandeln andererseits in Genf verzweifelt über einen Waffenstillstand. Da will die Waffenlobby auf keinen Fall auf ihr fettes Geschäft verzichten und schert sich einen Deut um Tote und zerstörte Städte.
Kriege werden von Lobbys gesteuert, alles wird für den Profit missbraucht.

LG Franky

 DerHerrSchädel äußerte darauf am 01.08.14:
Lieber Franky, da sehe ich jetzt keinen Widerspruch. Natürlich wollen die US-Amerikaner ein hochgerüstetes Israel als verläßlichen Verbündeten in Nahost, aber sie wissen auch, dass man die Bedürfnisse der Palästinenser nicht ignorieren kann, deswegen sind sie in einer Zwickmühle, aus der sie nicht herausfinden. Sie wollen den Konflikt beenden und Ruhe haben, aber auch sie finden keine Mittel dafür...

Aber grzundsätzlich hast du mit deinen Ansichten zum Einfluss der Waffenlobby natürlich Recht!

LG

DerSchädel

 EkkehartMittelberg (01.08.14)
Du hast deine deutliche Kritik an diesem Krieg fair an beide Seiten gerichtet.
Was Israel angeht, ist es schwierig, die Worte so zu setzen, dass man nicht des Antisemitismus verdächtigt wird. Das dürfte bei deinem Essay kaum möglich sein.
Der arabische Frühling ist aus israelischeer Sicht insofern gefährlich, als er Beispiele für eine schnelle Radikalisierung der Massen gibt.
Er hat jedoch an der Uneinigkeit der Araber nichts geändert.

LG
Ekki

 DerHerrSchädel ergänzte dazu am 01.08.14:
Danke dir,

ja, man wird schnell in eine Ecke gestellt, wenn man sich zu diesem Konflikt äußert. M. E. liegen die wirklich kontroversen Themen auch eher im historischen Bereich, namentlich bei der Frage, wer für den Schlamassel eigentlich verantwortlich, aber das ist auch nicht Gegenstand dieses Essays.

Die Araber werden noch sehr viel Zeit benötigen, bis sie ihre Konflikte beigelegt haben. Einstweilen bleiben die Palästinenser auf sich gestellt, sieht man von Soli-Adressen und Spendengeldern ab.

Viele Grüße

DerHerrSchädel

 Dieter_Rotmund (01.08.14)
Hinweis, ganz am Rande: Schon im ersten Absatz deutliche Schlampigkeiten: "...Organisationen der Palästinensern. Das es nun wieder zu einem Ausbruch kommt..."

 DerHerrSchädel meinte dazu am 01.08.14:
Ok, danke für den Hinweis!
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