Tante Adelheid erschreckt ihren Nachbarn (Relaunch)

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von  W-M

Um es gleich vorweg zu sagen, die geschichte handelt nicht von Tante Adelheid und auch nicht von ihrem nachbarn. Sondern davon, wie der beton meine katze gefressen hat. Völlig unpoetisch.

In meiner schublade bewahre ich auf: eine alte polaroidaufnahme vom glück, ein tonband mit den stimmen meiner eltern und einen brief von dir. Die wände schmecken nach zement und tier.

In den höhlen der bruchsteinmauer hausen smaragdeidechsen, und am himmel über der autobahn formieren sich stare zu wabernden wolken, um den süden aufzubrechen. Du schläfst.

Immer wieder lese ich deinen brief. Atmen heißt nicht zwangsläufig überleben. Es gibt arten von liebe, die gehören nicht in romane. Vielleicht eher als zutat in eine tütensuppe. Aber, das ist geschmackssache.

Das ende der haut naht. Seit geraumer zeit hatte es sich angekündigt. Am ende überrascht es mich doch. Ich ruhe aus von den vielen häutungen, echsen haben es da bekanntlich leichter.

Schwer fällt das licht auf mein kissen. Mein kopf sinkt tief in entendaunen. An einen isostatischen aufstieg ist nicht zu denken. Eher an verlustängste. Wo warst du, als ich schlief?

Die katze hatte mir lange über vieles hinweg geholfen. Die festigkeit von beton übersteigt bei weitem meinen puls in zu dünnen aortawänden. Auf gute nachbarschaft und auf Tante Adelheid!

Gestern habe ich angefangen, gedichte zu schreiben. Ich hetze durch bilder und versmaße. Öffne meine schublade von zeit zu zeit und warte, was passiert. Raumluftbefeuchter.

Im sprühnebel des morgens frühstücke ich endlich wieder einmal richtig. Appetit kommt nicht von großtierjagd. Auch nicht von drittklassigen tagebüchern. Sondern vom lesen deiner briefe. Das ist wie überlebenstraining im supermarkt und schlangestehen an der falschen kasse.

Tante Adelheid ist schon lange tot, und ihr nachbar auch. Die katze streunt durch den betonhimmel, ich streune durch ein stimmengewirr, das aus der schublade drängt. Ach wäre ich doch dichter geworden oder reich. Ich hätte meine haut dafür her gegeben. Jetzt behalte ich sie, ich habe mich an sie gewöhnt.

Drei versuche hat jeder, selbst im märchen.


Anmerkung von W-M:

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Kommentare zu diesem Text


 tueichler (15.10.16)
Lieber Werner,

der Text ist eine wunderbare Kombination (sagt man so?) aus Lyrik und Prosa. Formal prosaisch, inhaltlich ein Gedicht. Und sonst auch - ein Gedicht! Lediglich ein Wort gibt es, über welches ich stolpere, was aber vielleicht beabsichtigt ist. Isostatisch bricht ein wenig die aus jedem Satz entspringenden Bilder und rationalisieren den Text. Aber das war ja vielleicht auch bezweckt. Gefällt mir sehr gut!

Viele Grüße,

Tom

 W-M meinte dazu am 19.10.16:
war bezweckt! danke für deinen überschwang und die uneingeschränkte zustimmung zum text. herzliche grüße nach rheinhessen, werner
(Antwort korrigiert am 20.10.2016)
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