Wann werden nette Menschen zu schlechten? Genau dann, wenn sie anonym agieren, sich ganz außer Reichweite anderer fühlen. So kann es passieren, das ich von einem überholender Autofahrer den Stinkefinger gezeigt bekomme, denn momentan fühlt er sich ja sicher in seiner Karre untergebracht. Warum zeigte er mir den Stinkefinger, das ist doch eigentlich eine Ordnungswidrigkeit? Wahrscheinlich war ich zu langsam unterwegs, na ja ,ich lass es gut sein, an der nächsten Ampel, so denke ich mir, hole ich ihn wieder ein. Genauso geschieht es, und nicht nur das, der Typ fährt auch noch direkt auf die selbe Auffahrt auf wo ich auch hin will, die Auffahrt zur Kundenwerkstatt. Ich bleibe noch im Auto sitzen, ich weiß ja nicht was das für eine Type ist? Erstmal den Motor ausmachen, die Handbremse anziehen, noch immer bewegt sich niemand aus dem anderen Auto. Was soll ich machen, schließlich will ich zum Mittag wieder zu Hause sein. Und ihn den Vortritt lassen um dann darauf zu warten, bis er sein begehren in der Werkstatt kund getan hat ? Niemals. Ich steige aus, geh langsam an den beiden Autos vorbei, die zwischen meinem und seinem stehen, werfe einen vorsichtigen Blick in sein Auto. Konfrontiere ich ihn, frage ich ihn was das sollte? Er hat irgendwelche Papiere in der Hand, blättert sich durch das Handbuch seines Fahrzeugs. Ich denke mir, „Ist das frech, erst Stinkefinger zeigen und nun will er mich nicht einmal ansehen.“ Ich nehme all meinen Mut zusammen, klopfe an die Scheibe auf der Fahrerseite, er blickt mich von unten herauf an, lässt die Scheibe etwas herunter und fragt, „ Ja, kann ich was für sie tun?“ Was sage ich jetzt, Stress will ich ja auch keinen haben, ich frage einfach höflich, „ Sie haben vorhin mit dem Finger auf mein Auto gezeigt, daraufhin bin ich gleich hierher zur Werkstatt, können Sie mir sagen was mit meinem Fahrzeug nicht stimmt, bevor ich ins Geschäftshaus gehe?“ Er muss ja nicht wissen, das ich eh zur Werkstatt wollte. Der Mann lässt die Scheibe etwas weiter herunter, schüttelt den Kopf, „ Nö, ist alles in Ordnung. War sicher nur ein Missverständnis.“ Mir fällt ein Stein vom Herzen, eigentlich ein ganz netter Zeitgenosse, und doch mit dem Drang dazu, sich unbeliebt zu machen, sobald er denkt, er wäre anonym oder weit außer Reichweite.
Ein anderer Tag.
Es ist früh am Morgen, die ersten Strahlen der Sonne dringen durch die Baumwipfel des Waldes, der sich über dem Berg erstreckt. Der Schnee, der immer noch dort oben liegt schimmert in einem reinen Weiß. Hier im Talkessel steht noch etwas Nebel, langsam aber sicher setzt sich dieser als Reif auf die frisch wachsenden Wiesen nieder. Mutter Natur gibt wieder einmal alles, um die Landschaft in ihrer ganzen Pracht zu Präsentieren. Die Kirchturmglocken läuten, meine Frau mahlt gerade frischen Kaffee, der Duft ist einfach traumhaft, das könnte ein schöner Tag werden. Die Familie trifft sich so allmählich am Frühstücktisch ein, das Radio dudelt, die frischgebackenen Brötchen stehen bereits auf den Tisch, noch der Kaffee und schon kann der Tagesablauf besprochen werden. „Es ist Sonntag, was soll ich da schon groß machen außer bisschen was für die Uni und dann zocken?“, prasselt der Große heraus. Ich denke mir dabei, wie schön waren meine Uni Zeiten. Ich schau den Kurzen an, „Und was machst du heute mit deinem Papa?“ Es schaut mich mit großen Augen an, „ Eisenbahn aufbauen, und Spielteppich hinlegen für die Matchbox, und dann mit Bausteinen Häuser bauen.“ Uff, da bin ich erst einmal beschäftigt, aber was macht man nicht alles um seine Kinder glücklich zu sehen. Doch halt, Mama ruft in die Runde, „ Heute ist doch Sonntag, ist da nicht wieder Flohmarkt?“ Ich sehe die Kinder an, „Und das hätte so ein schöner Tag werden können.“ Also gut, nach dem Frühstück ziehen sich alle an, bis auf den Großen, Uni geht vor, um sich auf dem Weg zu machen. An der Haustür angekommen, fällt mir auf ein Brief. „Seit wann kommt denn Sonntags Post?“ Ich öffne den Brief und lese dort von gackernden Hühnern, ein Hahn der dazu kräht , Motorsägen, Hunde bellen, und Baulärm der sich noch dazu gesellt. Ich schaue mir den Brief gründlich an, such die Unterschrift, doch keine da. Nun gut, so gehen wir erst einmal los, zum Flohmarkt, ist ja zum Glück nicht weit. Dort angekommen grüßt ein jeder, es ist bekannt, die Welt ist klein. Meine Frau kommt gleich ins Gespräch mit Nachbarn und Kollegen, und da stellt sich doch heraus, wer der Schöpfer der Beschwerde war. Ein vermeintlich guter Nachbar, der sich hat Eier schenken lassen, mal sogar ein Hähnchen, das Brennholz haben wir ihm gesägt, den Zaun wieder neu aufgestellt. Meine Frau schnappt sich den Brief und sagt mit eisernen Blick, „ Wir gehen heute noch zum Nachbarn.“ Noch nie war einer unsere Flohmarkt Besuche so kurz wie dieser. Auf dem Weg zurück kommen wir direkt bei des Nachbars Haus vorbei. Dieser grüßt ganz freundlich, fragt nach Eiern, ein Hähnchen hätte er auch ganz gern. Außerdem könnte er Hilfe am Haus gebrauchen. Meine Frau am kochen, zeigt den von ihm geschriebenen Brief. Er wird ganz rot im Gesicht, knallt die Tür vor uns zu und schreit durch diese, „ Der Brief kann von jedem sein, schließlich gibt es ja keine Unterschrift.“