lapis et mirum

Erzählung zum Thema Chancen

von  Augustus

Bei Weitem dachte er nicht, dass er sich seiner alten Leidenschaft, der Geologie, erneut einmal mit der innigsten Inbrunst widmen würde, vor allem nachdem sie ihn über mehrere Jahre nie verlassen hatte, allein diese Leidenschaft konnte, wie er bald merkte, weder die Müdigkeit der langen, mühsamen Arbeitstage, die ihn im Anbruch des Abends schon beschlich und lustlos machte, gänzlich verschütten. Es war Samstag und er nahm sich fest vor in eine nahgelegene Sandhöhle abzusteigen; er hoffte und spitze sein Mäulchen auf so manche Entdeckung eines seltenen Minerals. Er frühstückte unter diesen und ähnlichen Gedanken der Vorfreude, Brot und Kaffee, in Ruhe und Gemütlichkeit. Aus dem Keller holte er seinen geliebten Rucksack. Entnahm aus dem Regal seinen handlichen Pickel, Schutzbrille und Taschenlampe. Sein altes antiquiertes Mikroskop entdeckte er zwischen altem Zeugs, unter das er so viele kleine Mineralienstücke bewundert, die er direkt neben Flüssen, in Steinbrüchen, Erdrissen und Bergstollen gefunden hatte. Das für seine Leichtigkeit berühmte Gerät wickelte er gut in eine Schutzfolie ein und verstaute es in seinen Rucksack. Diese einzigartige, vergangene Freude, die er aufsteigen fühlte und ihn kurzerhand durchfuhr, beim Einpacken von Getränken und Brot, war eine Seltenheit, denn sonst war er im gewöhnlichen Leben kühl, distanziert und einsilbig; so zog er Stiefel, Schutzkleidung und eine Regenjacke an und erschien in dem Aufzug, zu seiner weiteren Freude, wie der Mann vom Bergbau. Seinen Rucksack schwang er um den Rücken. Der Himmel hatte sich durch dunkle Wolken zusammengezogen. Der fadenscheinige Nieselregen schwankte in der Luft durch den mittelstarken Wind. Er trat furchtlos hinaus. Der Wald roch intensiv nach Gras und Bäumen. Die Böen pfiffen durch die Birken, die Ahorn – und Eichenbäume. Merkwürdigerweise gefiel ihm diese Wetterkonstellation, insbesondere diese in die Waldlücken freischwebenden, durchströmenden und netzartigen Geometrien des Regens, die der aufkommende Wind da und dort wieder zerstreute.

Seine Neigung neue Wege zu bestreiten verführte ihn dazu den gewohnten Weg zu verlassen, der sicher zur Sandsteinhöhle ihn geführt hätte. Er bog ab und nahm einen Weg, der zwar kürzer, der jedoch nicht ganz ungefährlich war. Bald drängelte er sich durchs Dickicht, bald sprang er über alte, gestürzte Baumstämme, die jahrelang da lagen, die ein heftiges Unwetter zu Boden niedergerissen hatte. Überraschenderweise entdeckte er um eine Stelle herum, die er betreten hatte, ein aus der gewöhnlichen Erde herausragend vermehrtes, grobkörniges Quarzaufkommen. Sein näheres Herantreten lockerte unvermerkt den Boden auf, so dass er samt der Erde in das schwarze Loch fiel, wie als ob der Teufel sein Maul aufgerissen und ihn verschlungen hätte.
   
Als der Schreckmoment von ihm gewichen war, fand er sich wie er bemerkte, in einem Hohlraum wieder. Er rechnete, als er nach oben blickte, dass er sicherlich fünf Meter tief gestürzt war. Er bemerkte außerdem, dass die Wände neben der gewöhnlichen Erde, hauptsächlich aus dichten und grobkörnigen Sedimentgesteinen bestanden, genauer; dem Sandstein, in dessen Innern die farblichen Schichtungen verschiedener Kohlenstoffverbindungen sich linienförmig fortzogen, die, wie er wusste, durch Änderungen in den Sedimentationsumständen entstehen würden. Seine eingeschaltete Lampe leuchtete er in den Gang und der kegelförmige Strahl erleuchtete einen absteigenden Tunnelgang, der noch tiefer in die Erde hinein führte. Doch vorher entschloss er sich einen Versuch zu machen um aus dem Loch herauszuklettern; allein der Sicherheit, der Gewissheit wegen, dass er in der Lage wäre, sich selbst heraus zu retten. Er nahm seine kleine Picke aus dem Rucksack und schlug mit einem wuchtigen Schlag gegen den Sandstein. Die Eisenspitze bohrte sich tief in die Wand ein und zog sie wieder raus, um Kletterlöcher für die Füße und Hände herauszuschlagen. Das machte er an verschiedenen Stellen. Mit deren Hilfe und dem richtigen Einsatz der Picke konnte er sich mit einiger Anstrengung und ohne größere Schwierigkeiten aus dem anfänglichen Unglück befreien. Er stand recht stolz oben in dem Wissen, dass er sich selbst helfen konnte und stieg nach einer Getränkepause erneut nach demselben Muster nach unten, so wie er nach oben geklettert war. Er roch an dem Quarz, der nach Schwefelspuren duftete, das ihm allgemein allerdings bekannt war – doch seit einer Ewigkeit den Geruch nicht mehr gekostet hatte – und strich mit seinen Handflächen über die Oberfläche, so dass sich die Quarzkörner aus der festen Formation herauslösten, die er – sui generis – in seinen Handflächen hin und her zerrieb.

Die Luft unter der Erde war kalt und feucht. Der Regen oberhalb wurde stärker, das Licht finsterer. In der Erde sowie in den Sandsteinen wuchsen riesengroße und mächtige Baumwurzeln, die ihn nicht minder interessierten. Der Lichtstrahl der Lampe leuchtete in die Dunkelheit und eine weitere tiefere Ebene eröffnete sich vor ihm auf. Der Mut verließ ihn nicht, je tiefer er in die Erde herunter stieg. Bald vernahm er ein Plätschern wahr und er nahm an, dass es sich um einen Bach handeln müsste. Er sollte Recht behalten, als er unten sah, wie das Wasser, gleich einem sanften Strom von einem Erdeingang entlang in einen tiefer liegenden Erdausgang  weiter nach unten floss. Die Stelle wollte er genauer untersuchen, denn diese Entdeckung war für ihn eine weitaus größere Faszination als man es sich denken mag.
     
Er war nun sicherlich zwanzig Meter unter der Erde, wie er vermutete. Er kletterte vorsichtig nach unten und er bemerkte als aller erstes überhaupt, dass die Luft  hier wärmer war als oben, was ihn vermuten ließ, dass in der Nähe in den Sedimentgesteinen sich Flöz befinden muss, der noch leicht glimmt. Er beleuchtete mit der Lampe die komplette Höhle und bemerkte keinerlei Anzeichen von Dämpfen; doch auf der gegenüberliegenden Seite des Baches entdeckte er leuchtende Punkte in der Luft, die um merkwürdige Pilzansammlung schwirrten, genauer; Glühwürmchen, deren Entdeckung für ihn so tief unter der Erde mehr als eine Überraschung war, so dass er von eigenen Empfindungen genötigt wurde sich hinzusetzen, die Taschenlampe auszumachen und mehrere, mehrere Minuten lang in höchsten Gefühlen, schweigend zwischen der Träumerei und der Faszination schwelgend – der ut picturae naturae et poesis – zuzugucken.

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (04.04.17)
"... ut picturae naturae et poesis ..."

geläufiger ist "ut pictura poesis". siehe

 hier.

es geht auch satirisch:  hier.

den text solltest du überarbeiten. zwei stellen herausgegriffen:

... unter das er so viele kleine Mineralienstücke bewundert ...
... Die Eisenspitze bohrte sich tief in die Wand ein und zog sie wieder raus ...

auch sonst holpert es gewaltig.

in süddeutschland wurde - ein novum für europa - ein höhlenfisch entdeckt. gestern berichtete die tagesschau. war das der auslöser für den text?

 Augustus meinte dazu am 06.04.17:
ja, über den höhlenfisch habe ich gelesen, es war aber nicht der Anstoss, zumindest nicht bewusst

 toltec-head (04.04.17)
Adalbert Stifter Remake?

 Augustus antwortete darauf am 06.04.17:
na ja, das wäre der Ehre zuviel, nicht?

 EkkehartMittelberg (04.04.17)
Ich dachte ebenfalls an Stifter erinnert. Er hat in unserer Zeit wenig Bewunderer und deswegen macht es seltene Freude, an die ruhige Schönheit geologischer Formationen erinnert zu werden.
LG
Ekki

 Augustus schrieb daraufhin am 06.04.17:
seine Betrachtungen der Natur und der sonstigen gewöhnlichen Vorkommnissen sind sehr langatmig, aber wer in seinen Fluss hineinfindet, fühlt sich erfrsicht und will gar nicht mehr raus.
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