Ohrensessel
Kurzprosa
von autoralexanderschwarz
„Das ist aber weich“, sagt die Frau, „ein tolles Material. Es schmiegt sich so richtig an den Körper an, was ist es denn?“
„Ohrläppchen“, antwortet der Verkäufer, „ganz naturbelassen, daher dieses weiche Gefühl, das Sie bei keinem anderen Material haben, sehen Sie, wie natürlich der Farbton ist. Ein solcher Sessel besteht aus etwa 3000 Ohrläppchen. Durch die feinen farblichen Unterschiede, die wir bei der schonenden Verarbeitung erhalten, entsteht diese einzigartige Kombination. Jeder Sessel ist ein Unikat. So etwas finden Sie sonst nirgendwo.“
„3000“, fragt der Mann zurück, weil er sich nicht sicher ist, ob er richtig verstanden hat,
„Ohrläppchen“, wiederholt die Frau ehrfürchtig, da Sie noch nie von einem solchen Stoff gehört hat, „ich wusste nicht, dass...“
„Ja, ja, ich weiß“, entgegnet der Verkäufer, „einige Kunden reagieren so. Es gibt da ja gewisse Bedenken im Wohnzimmer organische Materialien zu verwenden, aber ich versichere Ihnen, dass diese Haut geruchsneutraler ist als so manches Leder; eben dieses Produkt, auf dem Sie hier sitzen, haben wir zudem unzählige Male getestet, bevor wir uns entschlossen haben es in unser Sortiment aufzunehmen. Durch unsere spezielle Verarbeitung ist diese Haut nicht nur vollständig reißfest, sondern auch lichtbeständig und pflegeleicht. Haut ist das neue Leder. Da können Sie jeden fragen.“
„Aber ist das denn legal?“, fragt der Mann, „schließlich ist es ja aus Mensch und da gibt es doch bestimmt einige Vorschriften. 3000 Ohrläppchen, das ist ja schließlich eine ganze Menge. Ich weiß nicht, ob...“
„Ich weiß.“, sagt der geduldige Verkäufer. „Auch diese Frage wird häufiger gestellt. Wir verarbeiten die Ohrläppchen hier in Deutschland ja nur weiter, aber es gibt strenge und zuverlässige Kontrollen in den Herkunftsländern. Jedes Ohrläppchen ist zertifiziert und über einen individuellen Code in das Land, die Stadt, das Dorf, ja bis zu dem Menschen zurückverfolgbar, der es einmal besessen hat. Alles hat seine Ordnung. Wir verwenden nur ökologisch einwandfreie Gerbmittel, unsere Manufakturen sind auf dem modernsten Stand, unsere Mitarbeiter gut geschult und bezahlt. Wir reden hier über ein deutsches Qualitätserzeugnis“, sagt der Verkäufer, „da kann ich Sie in jeder Hinsicht beruhigen.“
„Was soll es denn kosten?“, fragt der Mann, um die Initiative zu behalten. Angenehm federt der Sessel sein Gewicht. Noch nie hat er so bequem gesessen.
„Das hängt natürlich von der Ausführung ab“, antwortet der Verkäufer, „es gibt da durchaus unterschiedliche Modelle, aber bei dieser Art von Sessel können Sie in etwa 35 Cent pro Ohrläppchen rechnen, aber...“
„Das ist aber teuer“, unterbricht ihn die Frau. „Eigentlich hatte ich ja an etwas Günstigeres gedacht.“
„Das ist eben Qualität“, entgegnet der Verkäufer, „aber weil Sie mir wirklich sympathisch sind, würde ich Ihnen auch noch ein Stück entgegenkommen. Dieses Sofa hier, auf dem wir sitzen, ist noch aus der alten Kollektion. In etwa einer Woche kommt eine neue. Wenn Sie sich noch ein wenig gedulden, würde ich Ihnen dann dieses Ausstellungsstück hier zum halben Preis überlassen.“
„Zum halben Preis?“, murmelt der Mann, rechnend.
„Zum halben Preis?“, wiederholt die Frau, interessiert.
„Zum halben Preis!“, bestätigt der Verkäufer mit einem Lächeln.
Dann ist es für einen kurzen Moment still.
Mann und Frau sitzen nebeneinander. Die Ohrläppchen schmiegen sich an den Körper.
„Wir würden gerne eine Nacht darüber schlafen“, sagt der Mann schließlich. Seine Augen suchen die seiner Frau.
„Lassen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen“, sagt der Verkäufer und wartet noch einen Moment, bis er sich erhebt und zu einem anderen Kunden hinübergeht.
„Ohrläppchen“, antwortet der Verkäufer, „ganz naturbelassen, daher dieses weiche Gefühl, das Sie bei keinem anderen Material haben, sehen Sie, wie natürlich der Farbton ist. Ein solcher Sessel besteht aus etwa 3000 Ohrläppchen. Durch die feinen farblichen Unterschiede, die wir bei der schonenden Verarbeitung erhalten, entsteht diese einzigartige Kombination. Jeder Sessel ist ein Unikat. So etwas finden Sie sonst nirgendwo.“
„3000“, fragt der Mann zurück, weil er sich nicht sicher ist, ob er richtig verstanden hat,
„Ohrläppchen“, wiederholt die Frau ehrfürchtig, da Sie noch nie von einem solchen Stoff gehört hat, „ich wusste nicht, dass...“
„Ja, ja, ich weiß“, entgegnet der Verkäufer, „einige Kunden reagieren so. Es gibt da ja gewisse Bedenken im Wohnzimmer organische Materialien zu verwenden, aber ich versichere Ihnen, dass diese Haut geruchsneutraler ist als so manches Leder; eben dieses Produkt, auf dem Sie hier sitzen, haben wir zudem unzählige Male getestet, bevor wir uns entschlossen haben es in unser Sortiment aufzunehmen. Durch unsere spezielle Verarbeitung ist diese Haut nicht nur vollständig reißfest, sondern auch lichtbeständig und pflegeleicht. Haut ist das neue Leder. Da können Sie jeden fragen.“
„Aber ist das denn legal?“, fragt der Mann, „schließlich ist es ja aus Mensch und da gibt es doch bestimmt einige Vorschriften. 3000 Ohrläppchen, das ist ja schließlich eine ganze Menge. Ich weiß nicht, ob...“
„Ich weiß.“, sagt der geduldige Verkäufer. „Auch diese Frage wird häufiger gestellt. Wir verarbeiten die Ohrläppchen hier in Deutschland ja nur weiter, aber es gibt strenge und zuverlässige Kontrollen in den Herkunftsländern. Jedes Ohrläppchen ist zertifiziert und über einen individuellen Code in das Land, die Stadt, das Dorf, ja bis zu dem Menschen zurückverfolgbar, der es einmal besessen hat. Alles hat seine Ordnung. Wir verwenden nur ökologisch einwandfreie Gerbmittel, unsere Manufakturen sind auf dem modernsten Stand, unsere Mitarbeiter gut geschult und bezahlt. Wir reden hier über ein deutsches Qualitätserzeugnis“, sagt der Verkäufer, „da kann ich Sie in jeder Hinsicht beruhigen.“
„Was soll es denn kosten?“, fragt der Mann, um die Initiative zu behalten. Angenehm federt der Sessel sein Gewicht. Noch nie hat er so bequem gesessen.
„Das hängt natürlich von der Ausführung ab“, antwortet der Verkäufer, „es gibt da durchaus unterschiedliche Modelle, aber bei dieser Art von Sessel können Sie in etwa 35 Cent pro Ohrläppchen rechnen, aber...“
„Das ist aber teuer“, unterbricht ihn die Frau. „Eigentlich hatte ich ja an etwas Günstigeres gedacht.“
„Das ist eben Qualität“, entgegnet der Verkäufer, „aber weil Sie mir wirklich sympathisch sind, würde ich Ihnen auch noch ein Stück entgegenkommen. Dieses Sofa hier, auf dem wir sitzen, ist noch aus der alten Kollektion. In etwa einer Woche kommt eine neue. Wenn Sie sich noch ein wenig gedulden, würde ich Ihnen dann dieses Ausstellungsstück hier zum halben Preis überlassen.“
„Zum halben Preis?“, murmelt der Mann, rechnend.
„Zum halben Preis?“, wiederholt die Frau, interessiert.
„Zum halben Preis!“, bestätigt der Verkäufer mit einem Lächeln.
Dann ist es für einen kurzen Moment still.
Mann und Frau sitzen nebeneinander. Die Ohrläppchen schmiegen sich an den Körper.
„Wir würden gerne eine Nacht darüber schlafen“, sagt der Mann schließlich. Seine Augen suchen die seiner Frau.
„Lassen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen“, sagt der Verkäufer und wartet noch einen Moment, bis er sich erhebt und zu einem anderen Kunden hinübergeht.
