Pärchen

Kurzprosa

von  autoralexanderschwarz

Wenn man an Sonn- und Feiertagen vom Balkon hinunter auf die Verkaufsstraße blickt, kommt man nicht umhin die Pärchen zu bemerken, die diesen Tag für sich ausgewählt haben, um gemeinsam etwas in der Stadt zu erleben. Sie gehen immer so verliebt langsam und halten sich dabei so fest an den Händen, dass die anderen Passanten sich links und rechts an ihnen vorbeischieben müssen. Selbst der schmalste Bürgersteig vermag es nicht sie voneinander zu trennen, Hindernisse umgehen sie stets gemeinsam und manchmal bleiben sie abrupt stehen und legen die Wangen aneinander, um sich etwas besonders Schönes in der Ferne zu zeigen oder im Schaufenster das gemeinsame Spiegelbild zu bestaunen. Sie sind so herrlich verliebt, diese Pärchen, dass sie die Anderen um sich herum überhaupt nicht bemerken und stört jemand ihre Zweisamkeit, erntet er ihre überraschten und entrüsteten Blicke. Gerne bleiben sie aber an kleinen Ständen stehen, um sich Ringe, Freundschaftsbändchen oder Traumfänger anzuschauen, die man einander schenken und mit denen man sich überraschen kann, gerne essen sie auch gemeinsam buntes Eis und setzen sich dabei möglichst zentral auf Treppenstufen, um Platz und Geschehen Schulter an Schulter gemeinsam überblicken zu können. Oft gelingt es ihnen dabei solchen Orten, an denen die Anderen ihr schweres Gepäck die Stufen emporwuchten, eine ganz besondere Romantik zu geben, wenn sie sich dann – wenn die Sonne beginnt zu sinken – wie verloren aneinander schmiegen und sich leidenschaftlich oder zumindest mit liebevoller Routine küssen.
Pärchen müsste man sein, denkt man oben auf dem Balkon, dann gäbe es da jemanden, an dem man sich beim Gehen festhalten könnte, man könnte Dinge tun, zu denen man alleine nicht den Mut hätte, könnte Karussell fahren oder Fahrradschlösser an Brücken befestigen, man würde wohl auch nicht mehr so häufig alleine auf dem Balkon stehen, sondern Wange an Wange gemeinsam hinunter auf die Verkaufsstraße blicken. Pärchen müsste man sein, denkt man oben auf dem Balkon, das wäre wohl wirklich ein schönes Leben.


Anmerkung von autoralexanderschwarz:

Der obenstehende Text ist Teil der Textsammlung „Reisen im Elfenbeinballon“, die im Athena-Verlag erschienen ist.  Reisen im Elfenbeinballon

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