Rauchen im Bahnhof

Satire zum Thema Alltag

von  Wortsucht

Früher war nicht alles besser, manches aber schon. Raucher waren beispielsweise viel beliebter als heute. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als man auf dem Bahnsteig gerne neben einem Raucher stand, der einen in eine blaue Nikotinwolke hüllte, während der Zug vor einem anhielt und Restfäkalien aus dem Wageninnern auf die Gleise tropften. Da stellte man sich gerne neben die Raucher. Aber heute, da viele Regionalbahnen nicht einmal mehr über eine Toilette verfügen und in den anderen hermetisch abgeschlossene Kunststoffzellen nur noch im inneren stinken, da sind die Raucher überflüssig geworden.

Schade. Dabei haben Raucher eine lange Tradition. Bereits im alten Rom soll es den Hausraucher gegeben haben, der die schlechten Gerüche überdeckte. Denn selbst die grössten Badehäuser vermochten nicht alle Menschen sauber zu halten. So sollen sich reiche Leute einen Sklaven, den so genannten Kettenraucher, gehalten haben. Es gibt sogar Gerüchte, dass Kaiser Nero Rom nicht absichtlich abfackelte sondern nur seinen Kettenraucher zu nahe an die Gardine stellte …

In den letzten Jahrhunderten, bevor die Häuser mit fließendem Wasser ausgerüstet wurden, versuchte man, schlechten Gerüchen mit einfacheren Mitteln entgegenzuwirken. Versuche mit Raucherbeinen im Flur oder Raucherlungen an der Wand wurden rasch wieder aufgegeben, weil die Beschaffung der Organe und Gliedmassen für den Spender zu einschneidend waren. In Pest – und Leprajahren kam man zwar leicht und billig an die Ersatzteile, aber die Wirkungsdauer hielt sich, wie bei den heutigen Klosteinen, in Grenzen.

Genau. Und heute diskutiert man, wie man Raucher aus Bahnhöfen und von öffentlichen Plätzen fern halten kann. Damit es nicht mehr stinkt.

Frei nach dem Motto: Der Raucher hat seinen Dienst getan, der Raucher kann abtreten!

Und jetzt? Wie geht es weiter?

Keine Raucher mehr, keine Umweltverschmutzung, keine Abgase mehr. Nur noch der Duft der Menschen. Parfum, Schweiß, Mundgeruch, Ausdünstungen …

Wenn ich lange genug lebe, so werde ich es vielleicht noch selbst erleben: Man wird Dinge erfinden, die den Geruch von Menschen überdeckt, weil es an den Bahnhöfen unerträglich stinkt. Vielleicht wird man dann fürs Rauchen bezahlt? Vielleicht darf man dann gratis Zug fahren, wenn man raucht?

Ich bin ja mal gespannt!

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(02.11.17)
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