An der Bushaltestelle

Erzählung zum Thema Alltag

von  Wortsucht

Ich weiß: Es ist ziemlich unfair, jemandem aufgrund des ersten visuellen Eindruckes eine unbeabsichtigte geistige Bescheidenheit zu attestieren. Und die Dame an der Bushaltestelle war auch nicht sonderbar angezogen. Ihre Kleider waren von schlichter Eleganz, das Makeup dezent und passend für eine Frau kurz vor dem Rentenalter. Dennoch tat ich es an jenem Morgen ganz spontan.

Es war ihr Blick, der mich irritierte. Ihn zu beschreiben ist nicht einfach. Irgend eine Mischung aus hektisch / nervös und unbekümmert zugekifft …

Vielleicht waren es aber auch nur die vier prallgefüllten Papiereinkaufstaschen, das jumbopacket Toilettenpapier und der unter den Arm geklemmte Blumenstrauß, was mich irritierte.

Die Bushaltestelle, an welcher wir gemeinsam warteten, erlaubt es, den Bus bereits an der vorherigen Haltestelle losfahren zu sehen. Eine Minute Zeit, sich an den Bordstein zu stellen. Ich als bequemer Mensch erhebe mich in der Regel erst von der Wartebank, wenn der Bus vor mir auf die Sperrfläche einbiegt. Die Dame mit ihren Tüten natürlich nicht. 

Sie erinnerte mich an eine Gans, die ihre Flügel weit ausbreitet und dem Zaun entlang rennt um lauthals einen möglichen Angreifer zu vertreiben. Bloß, dass sie keinen Lärm machte. Vollbepackt mit ihren Taschen patrouillierte sie die ganze Minute lang dem Randstein entlang. In Lauerhaltung versuchte sie schließlich herauszufinden, wo die Türe wohl zu stehen käme. Und sie schaffte es wirklich, als erste vor der Bustüre zu stehen.

Genau.

Da stand sie nun. Zwei Taschen in der linken Hand. Zwei Taschen in der Rechten. Links unter den Arm geklemmt das Toilettenpapier und rechts die Blumen. Und keine Möglichkeit, den Knopf zu drücken, damit die Türe aufging …

Naja, sie realisierte, dass sie wohl oder übel jemanden an den Knopf heranlassen musste. Mit einem kleinen Schritt zur Seite, ermöglichte sie der Person hinter ihr, den Türöffner zu betätigen – um sich sofort durch die erste schmale Spalte zwischen den aufgehenden Türflügeln hineinzuzwängen.

Aber wie sagte Einstein so schön? Intelligenz ist das am gerechtesten verteilte Gut – keiner hat das Gefühl, zu wenig davon zu haben …

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Kommentare zu diesem Text


 Songline (12.10.11)
Ich empfinde das LyrIch als schnöselig. Sollte das die Absicht des Textes gewesen sein, ist er gut.
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