Provokation 3

Essay zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  tueichler

Früher, als die Welt noch in Ordnung war, die Männer Rolex-Uhren trugen und die ihnen gehörenden Frauen mit dicken Goldringen und Perlen behängt wurden, stellte sich niemand die Frage danach, was wohl die Aussagekraft solcherart Zurschaustellung vermeintlichen oder wirklichen Wohlstands sein könnte. Deshalb ergab sich die Frage nicht, da klar war, insbesondere nach der Zeit des Krieges und der Entbehrung, dass, wer solche Symbole zu Schau stellte und es konnte, es erneut geschafft hat und sich, sozusagen, wieder dazugehörig fühlte. Dies impliziert natürlich sofort die Frage, welche Zugehörigkeit gemeint sei, die aber nicht beantwortet werden muss. Vielmehr beinhaltet das Dazugehören weniger eine Identifikation mit einer entstehenden oder bestehenden Gruppe, sondern die Abgrenzung von der, durch die Geschichte und möglicherweise eigene Haltung erzeugten Gruppe der Nicht-Dazugehörenden im Sinne des moralischen Menschseins.

Damit ist ausgedrückt, dass sich Symbole als ein Mittel zur Identitätsfindung, Identitätsbestimmung und Nicht-Identitätsfestlegung eignen. Wir verwenden heute das Bild des Statussymbols weitgehend als Bewertungsmaßstab in der vermeintlichen Kompensation für Defizite, einerseits in der Selbstwahrnehmung und andererseits in der Einordnung gegenüber Drittpersonen eines ähnlich gelagerten gesellschaftlichen Umfeldes. Diese kann bestimmt sein durch Gehalt, Berufsgruppe, nationale Herkunft, Gesinnung, moralische Rahmenbedingungen des eigenen Lebens etc.

Als solche Symbole möchte ich beispielhaft folgende nennen. Kleidung bestimmter Marken oder Herkunft (Doc Martens, Barbour, NothernLight, Boss), Einkaufsquellen (Teegut, AllNatura, Lidl, Aldi), Kunst- und Kulturverständnis (Musicals, Netflix, Plakate, Oper) oder Reisen (pauschal, All-Inclusive, Individual, Abenteuer) und Sport (Golf, Tennis, Fußball, Bowling).

Besonders Männern wird immer wieder unterstellt, dass sie Autos als Statussymbole verwenden. Status bedeutet hier zweierlei. Einerseits die Einordnung seiner selbst in ein wahrgenommenes Wertesystem und andererseits die vermeintliche Einordnung durch andere in deren vermutetes Wertesystem. Damit ist jedoch ein großer Teil unserer selbst, insbesondere der so kategorisierten Männer nicht berücksichtigt.

Der weitgehend fehlende Teil einer solchen Betrachtung liegt in der einfachen Tatsache begründet, dass Dinge auch einfach dem eigenen Genießen dienen können, ohne einer permanenten Einordnung durch einen selbst oder durch andere unterworfen zu sein. Ist also das Fahren eines Mercedes E-Klasse nun Status oder nicht. Dies kann objektiv sicher nur der unterscheiden, der in der Lage ist, sich zwangfrei für oder gegen die E-Klasse zu entscheiden oder sich zwangfrei für oder gegen einen Jaguar oder Maserati zu entscheiden.

Anders mag es sein, wenn diese Entscheidung nur oder zu großen Teilen durch innere oder äußere Umstände provoziert wird und der daraus vermeintlich entstehende Status Schein ist und nicht die eigentliche und zur Zwangfreiheit notwendige wirtschaftliche Situation des Eigentümers eines Fahrzeugs oder Gutes widerspiegelt.

Wenn man den Preis eines Gutes ausschließlich als Statussymbol betrachtet, dann müsste man all jenen, die sich ein Kunstwerk anschaffen, ein teures Auto leisten, die ausgesuchte und teure Konzerte oder Opernaufführungen besuchen oder aber die in einem eigenen Haus leben, Dekadenz vorwerfen.

Es ist hier, meines Erachtens nach, die Gefahr gegeben, dass eine sachliche Beurteilung, sofern diese überhaupt notwendig ist, leicht durch Neid beeinflusst werden kann. Dies ist um so tragischer, als vermutlich jene, die leichtfertig anderen ein Statussymbol unterstellen, einmal in der wirtschaftlichen Lage, sich derlei Dinge zwangfrei leisten zu können, dies auch tun würden, was wohl in der Natur des Menschen liegt.


Anmerkung von tueichler:

Um der Gefahr der Verteidigung eigener Bestitzstände zu entgehen, bekenne ich freimütig, Besitzer einer 14 Jahre alten C-Klasse mit 220.000km auf der Uhr zu sein!

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (11.03.18)
Ehrlicher wäre gewesen, Tüchler, die Statussxymbole zu benennen, die Du nutzt. Denn das tun wir alle. Bei mir sind es Finisher-T-Shirts von Läufen, an denen ich erfolgreich teilgenommen habe und die ich gerne immer wieder anziehe.

Kommentar geändert am 11.03.2018 um 14:51 Uhr

 tueichler meinte dazu am 11.03.18:
Dann will ich das mal tun. Elbphilharmonie, Claude Garache, Cyrrus Overbeck, Manella, Fee Fleck, Harris Tweed, mein Schneider in Beauly. Ah, und Bücher ...

ps.: korrekt ist tueichler, nicht tüchler!

Antwort geändert am 11.03.2018 um 15:25 Uhr

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 11.03.18:
Na, also, geht doch! Hamburger Schickeria also!

Guter Abschluss-Absatz übrigens, ich selbst habe auch schon ein paar mal nachgedacht, was ich mir bei unbegrenzten Butget leisten würde und was davon aber wohl eher Angeberei/Statussymbole sein würden...

 tueichler schrieb daraufhin am 11.03.18:
Tut mir leid, Dich so verbittert zu sehen. Nee, nicht Hamburger Schickeria, Rheinhessen und beharrliches anstehen nach Karten im Web (übrigens zwischen 19 und 50€).
Und dann ist da wohl eine Verständnislücke im Abschnitt über die Zugehörigkeiten vs. der Zurschaustellung. Genuss ist ja nicht durch Menge, eher durch Qualität bestimmt. Lieber Steinpilzrisotto für 18€ als 3 Riesenschnitzel für 6€

Antwort geändert am 11.03.2018 um 15:41 Uhr
Graeculus (69) äußerte darauf am 11.03.18:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 11.03.18:
Es gilt bei vielen Medien das 4-Augen-System: Wenigstens ein Redakteur liest gegen (und ihr/ihm würde mein peinliches "Butget" sicherlich auffallen) und korrigiert, so wie auch ich oft derjendige bin, der fremde Texte liest, bevor sie online gehen/gedruckt werden. In einer perfekten Welt würde also passieren, dass eine Korrektur erfolgt. Natürlich bemühe ich mich, weitgehend "perfekte" Texte abzuliefern, aber das bleibt natürlich Utopie ...
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram