In Westjustiz nichts Neues

Experimenteller Text zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  Oggy

"[Der Angeklagte] könnte einem Gutachten zufolge gerade noch minderjährig gewesen sein, als er [das minderjährige Opfer] erstach."
Wir spielen Geburtstagslotterie.

"Immerhin soll [der Angeklagte] etwa vier Wochen vorher schon einem vermeintlichen Nebenbuhler auf dem Schulhof die Faust ins Gesicht gedonnert haben."
Wir spielen Donnerwetterlotterie.

"[...] das Mädchen selbst hatte den Afghanen schon angezeigt, der Vorwurf: Er habe nach der Trennung vertrauliche Fotos von ihr ins Netz gestellt."
Wir spielen Erpressungslotterie.

"[Daß es Mord war] kann bezweifelt werden, wenn der Täter geisteskrank oder im Drogenrausch war."
Wir spielen Geisteszustandslotterie.

"Für so eine Affekt-Situation [Aufregung, die zu einer vorübergehenden psychischen Störung führt] könnte bei [dem Täter] zum Beispiel sprechen, dass er [vor der Tat] fast vor ein Auto rannte."
Wir spielen Affektsituationslotterie.

"Demnach hätte ihm jede Menge Schlaf gefehlt, als er [...] seine Ex-Freundin [...] erstach. Und weil übermüdete Menschen leicht die Beherrschung verlieren, kann Schlafmangel zugunsten eines Täters gewertet werden."
Wir spielen Schlafmützenlotterie.

"Also müssen die Juristen mit dem arbeiten, was - übrigens seit 1941 und beeinflusst von NS-Ideologie - im Strafgesetzbuch steht."
Wir spielen Persilscheinlotterie.

"Von so einer Gefühlslage [niedere Beweggründe] könnte die Staatsanwaltschaft bei [dem Angeklagten] zum Beispiel ausgehen, weil er so brutal zustach. Und weil er nach der Tat so selbstgefällig dreingeschaut haben soll."
Wir spielen Gefühlslagenlotterie.

"Dass er gleich nach seiner Festnahme von Erinnerungslücken gesprochen haben soll, würde ebenfalls zu einem getrübten Bewusstsein passen."
Wir spielen Das-getrübte-Sein-bestimmt-das-getrübte-Bewusstsein-Lotterie.

"Nahezu ausgeschlossen ist hingegen, dass der Afghane eine Art 'Ausländer-Rabatt' bekommt: Dabei geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass ihn auch Wertvorstellungen aus seiner Heimat trieben."
Wir spielen bunte Wertvorstellungslotterie.

"Dass sie Wochen vor der Tat mit ihm Schluss gemacht hätte, könnte ihn daher doch eher traurig als wütend gemacht haben. Und wenn bei einem Täter 'Gefühle der Verzweiflung und Ausweglosigkeit' bestimmend waren, geht der wichtigste Strafgesetzbuch-Kommentar von Totschlag und nicht von Mord aus."
Wir spielen das Wiegenlied vom Totschlag.

________________
Anmerkung
Quelle der Zitate: Rheinpfalz 20.7.2018 (2 Artikel), mit Ausnahme des Nachtrags mit den Ausführungen zum Schlaf (Rheinpfalz 22.8.2018).
________________
Nachtrag 12.10.2019
Zum Fortgang siehe meinen Text  In Weststrafvollzug nichts Neues.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

GigaFuchs (39)
(23.07.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Oggy meinte dazu am 24.07.18:
Oder der Teufel...

 Dieter_Rotmund (23.07.18)
Sehr vorwurfsvoller Text. Doch wem gelten die Vorwürfe? Der "Rheinpfalz" ja hoffentlich nicht, die ja nur nüchtern berichtet und zitiert.
Geht's da um Kandel?

 Oggy antwortete darauf am 24.07.18:
Nein, es geht um MENSCHEN.

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 24.07.18:
Um Menschen in Kandel ...?

 Oggy äußerte darauf am 26.07.18:
Um ALLE.

 harzgebirgler (26.07.18)
mancher gewinnt und viele nie
das ist der sinn von lotterie...

lg
harzgebirgler

 Oggy ergänzte dazu am 22.08.18:
Gewinnen kann wer da mitnichten,
außer der hochsensible Töter.
Egal, ob heute oder später,
möcht' ich auf solches Los verzichten!

LG,
Oggy
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram