Bei den Müttern, diesem beliebten deutschen Aufenthaltsort

Essay zum Thema Bürokratie

von  toltec-head

Meere...
Die Liebe...
Blumen...
Salz auf unserer Haut...

Wie lässt sich die Beliebtheit der Verwendung von Auslassungspunkten bei den Hervorbringungen von Menstruationslyriker_innen erklären? Nun, die Auslassungspunkte machen ja geradezu das Wesen der sogenannten Menstruationslyrik aus. Durch sie wird nämlich zum Ausdruck gebracht, dass dieses Gedicht mit einer Bedeutung schwanger ist, die wie jede Schwangerschaft nicht extra in Worte gefasst werden muss. Schwangerschaften ergeben sich immer wie von selbst. Bei Gedichten findet die Schwangerschaft dabei im Kopfe des Lesers statt, der "Meere..." liest und aufgrund der Auslassungspunkte nicht nicht zustimmen kann. Die Auslassungspunkte bringen den gleichen Effekt wie ein Baby hervor. Und wer wird denn wohl ein Baby verneinen wollen? Und genau wie die unverneinbaren Babys letztlich nur das reproduzieren, was eh schon ist, das nicht nicht Zustimmbare eben, wird durch die Auslassungspunkte genau der Sinn reproduziert, der im Kopf des Lesers eh schon vorhanden ist, auf das dieser mit demselben zumindest innerlich andächtig nickt, wenn er liest:

- Meere...

Und denkt:

- Ja, das Meer! Wie schön!

Man findet die berühmten mit dem Urgrund schwangeren Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen  aber nicht nur bei minderen Menstruationslyriker_innen im Internet, sondern gerade auch bei unseren Größten. Bei Rilke, der ohne seine robuste Freundin als René Rilke in die Literaturgeschichte eingegangen wäre, lesen wir:

Wie die Natur die Wesen überlässt
dem Wagnis ihrer dumpfen Lust und keins
besonders schützt in Scholle und Geäst,
so sind auch wir dem Urgrund unsres Seins
nicht weiter lieb; es wagt uns. Nur dass wir,
mehr noch als Pflanze oder Tier
mit diesem Wagnis gehn, es wollen, manchmal auch
wagender sind (und nicht aus Eigennutz),
als selbst das Leben ist, um einen Hauch
wagender … Dies schafft uns, außerhalb von Schutz,
ein Sichersein, dort, wo die Schwerkraft wirkt
der reinen Kräfte; was uns schließlich birgt,
ist unser Schutzlossein und dass wirs so
ins Offne wandten, da wirs drohen sahen,
um es, im weitsten Umkreis irgendwo,
wo das Gesetz uns anrührt, zu bejahen.

Die Auslassungszeichen, in diesem angeblich "improvisierten", wie für ein Laien-Forum geschriebenen Gedicht interpretiert der große, große deutsche Philosoph Heidegger in "Wozu Dichter" wie folgt:

So sagt denn das Gedicht eindeutig dichterisch, wer diejenigen sind, die wagender sind, als selbst das Leben ist. Es sind diejenigen, die >>um einen Hauch wagender...<< sind. Nicht umsonst folgen im Text des Gedichts auf die Worte >>um einen Hauch wagender<< drei Punkte. Sie sagen das Verschwiegene.

Das Verschwiegene sagen. Au weia. Oder  wie es an anderer Stelle bei Deutschlands König aller Menstruationslyriker männlich schwangern heißt: "Gebärmutter ist alles".

Wir lernen: Die vielen kleinen Pünktchen-Pünktchen-Pünktchen Amateurdichter_innen im Internet  unterscheiden sich von den richtigen, großen wohlmöglich nur in einem (kleinen) Punkt, nämlich das letztere "um einen Hauch wagender..." sind. Hierzulande, meint Gottfried Benn in Probleme der Lyrik, soll immer alles sofort tiefsinnig und dunkel und allhaft sein - bei den Müttern, diesem beliebten deutschen Aufenthaltsort.

So viel zu der Frage, warum es in der persischen Dichtung bei Rumi oder Hafez keine Auslassunpunkte gibt, wohl aber in der Übersetzung von Annemarie Schimmel...

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Kommentare zu diesem Text

MichaelBerger (44)
(29.08.18)
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GigaFuchs (39)
(29.08.18)
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 Macbeth (29.08.18)
Ach, ich wäre so gern....
Ach, ich könnt so gerne ... wie Heidegger aussprechen. Hat er dafür eigentlich eine Anleitung hinterlassen?

Kommentar geändert am 29.08.2018 um 15:06 Uhr
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