Wie sähe ein zeitgemäßer Faschismus aus?

Essay zum Thema Erlösung

von  toltec-head

Zunächst mal, ex negativo, alles, was ganz sicher nicht faschistisch ist:


1. Ach, wie waren die deutschen Fußgängerzonen unter Kohl noch schön


Selbst das Versprechen einer Gesetzgebung, die dafür sorgt, dass das Erscheinungsbild deutscher Innenstädte auf den Stand von, sagen wir, 1990 zurückgedreht wird, wäre... faschistisch? Ne, nur eine ziemlich blöde Bauernfängerei. Also nicht faschistisch, sondern nur dumm. Das Dumme an dieser Dummheit: Der Verdummungsprozess der Deutschen ist - leitmedial vorangetrieben - mittlerweile so weit vorangeschritten, dass offenbar eine Mehrheit bereits nicht mehr zwischen Dummheit und Faschismus unterscheiden kann. Was dann auf seine Art gefährlich werden könnte... Aber von einem neuen Reichsprotektorat mit "Krakauer Festouvertüre" nicht nur ästhetisch Lichtjahre entfernt ist.


2. Eine zweite erste Amtszeit von Trump


Ästhetik als Stichwort. Hatte Trump in seiner ersten Amtszeit ästhetisch-politisch-vermengte-Schock-Momente à la Mussolini oder Riefenstahl zu bieten? Irgendetwas, dass darauf hindeuten könnte, dass der Anschlusszwang des Funktionierens des politischen Systems als solchem durch Trump unterlaufen wurde oder unterlaufen wird? Konservative Revolution? Ne, ne, ne. Dit war alles genauso wie früher nur eben ein bisschen in Grün. Ich meine, ist der Typ überhaupt konservativ? Und ich meine jetzt nicht gemessen an Ernst Jünger sondern einfach nur an George W. Bush? Jedes Wort ruft eben das Gegenwort hervor und Woke ergibt irgendwann dann Anti-Woke. So ist nun einmal der Lauf der Dinge. Ein bisschen anstrengender war der Faschismus aber schon.


Es wäre amüsant über eine deutsche Trump Ausgabe nachzudenken. "Make BRD great again". Tatsächlich scheint Höcke mit seinen Verbindungen in die Neonazi-Szene und seinem Alles-für-Deutschland nicht nur nicht auf der Höhe der Zeit. Ästhetisch-politisch-vermengte-Schock-Momente à la Mussolini oder Riefenstahl sind bei ihm - man schaue sich nur mal seine letzten Kitschauftritte in der Ex-DDR mit Deutschlandlied 3. Strophe an - ebenfalls Fehlanzeige. Reichsprotektorat Erfut? Ne, ne, ne, dit lässt sich ach alles unter "Jedes Wort ruft das Gegenwort" hevor rubrizieren. *Gähn*


3. Faeser


Der ermüdende Faschismus-Vorwurf wird ja gern auch in umgekehrter Spießrichtung erhoben. Nicht nur von einem Politik-Clown wie Elsässer, sondern auch von einem durchaus ernstzunehmenden Autor wie Joachim Lottmann, dessen Buch "Alles Lüge" zunächst "Der neue Faschismus" heißen sollte. Das hat den Charme, die Dinge aus der ungewohnten Sichtweise des Underdogs zu sehen und den Spieß eben einmal umzudrehen. Aber ist es überzeugend? Selbst mit Brachialmethoden den alten Zustand des Niemand-darf-aus-unserem-altBRD-Konsens-Klein-Klein-Ausscheren wieder herbeiführen zu wollen, ist meinetwegen nicht nur dumm, sondern auch hochgradig depressiv. Gulag schaut anders aus. Wie ästhetisch-politisch-vermengte-Schock-Momente à la Faeser, selbst nach hochdosierter Prozac-Behandlung aussähen würden, möchte man sich indes gar nicht ausmalen.


4. Euro-Trash-Islam


Leute auf Koks, die auf exotische Weise ein Kopftuch-Paderborn, wie wir es vor 70 Jahren auf katholisch schon hatten, herbeirappen wollen, mögen cooler als Höcke oder Faeser sein. Mit etwas Großzügigkeit ließen sich hier auch einige ästhetische Lichtblick erkennen. Aber Leute: Ruhollah Chomeinis "Der Islam wird politisch oder er wird nicht sein" ist eindeutig ne andere Hausnummer! Wird es auf absehbare Zeit in deutschen Fußgängerzonen eine iranische Revolution geben? Ist das etwas, was im EDEKA im Regal neben der Nutella-Dose stehen kann?? Nein??? Eben...


Wie sähe denn nun aber ex positivo ein zeitgemäßer Faschismus aus? Nun, dies geht ansatzweise aus den obigen abschreckenden Beispielen ja schon hervor. Faschistisch wäre es z.B. den Code der Politik mit dem Code der Kunst systematisch zu unterlaufen. Freilich müsste man dies etwas anders als bei Mussolini oder Riefenstahl machen, weil sich ja auch das Kunstsystem etwas weiterentwickelt hat. Sprich: Man müsste sich ein wenig Mühe geben, sich etwas neues auszudenken. Ein Meese, der sich mit etwas mehr Mut und unsubventioniert von der Kunst-Mafia, nicht die Kunst sondern die Politik als Ausgangspunkt wählt. Irgendwie so. Aber ist das aussichtsreich? Sollte der neue Faschismus auf Sonnenborn herauslaufen? Würde ein zeitgemäßer Faschismus so gesehen noch irgendwen von hinterm Ofenrohr hervorlocken? Hm... Ich glaube, um mal das Wort von der Rettung aufzugreifen: Nicht einmal ein neuer Ästhetik-Gott wird uns retten. Also, Prozac war ja nur ein Beispiel, aber ich fürchte, statt auf einen neuen, zeitgemäßen Faschismus, macht es sicherlich mehr Sinn, auf die Entwicklung einer neuen Tablette zu hoffen. Was meint Ihr?






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Kommentare zu diesem Text


 AlmÖhi (20.08.24, 00:08)
Kann man überhaupt die grandiosità einer stürmischen Liebesheirat nach 80 Jahren geschiedenem Verhältnis (aber eben doch Verhältnis) wiederbringen? Die schlappen bürokratischen Sprachverbote à la Faeser, EU und UK sind die letzten Zuckungen - und damit meines Erachtens in der Tat zeitgemäß, wenn man darunter der-Zeit-entsprechend versteht.


Tut mir leid, wenn ich dir auch keine Hoffnung machen konnte.

 toltec-head meinte dazu am 20.08.24 um 09:28:

 toltec-head antwortete darauf am 20.08.24 um 09:28:
Mit dem Faschismus der Liebe.

Antwort geändert am 20.08.2024 um 12:37 Uhr

 EkkehartMittelberg (20.08.24, 11:05)
Schon der Versuch, ihn sich vorzustellen, ist Appeasement.

 toltec-head schrieb daraufhin am 20.08.24 um 12:38:
Appeasement zu welchem Hitler denn, Ekki? :(
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