Des Pudels Kern

Text zum Thema Transzendenz

von  Oggy

"Man nimmt nichts mit!", hörte ich einmal eine fürnehme, aber doch irgendwie neidisch wirkende Dame spöttisch grinsend zu einem eher einfachen Herrn sagen, der trotz seines längst erreichten Rentenalters noch Spaß daran hatte, hart zu arbeiten, statt sich zur verdienten Ruhe zu setzen, wie viele andere in dieser Lebenssituation.
Wirklich nichts? Im Falle von solch unverlangten "guten" Ratschlägen (sprich: Klugscheißereien) - zudem Fremden gegenüber - wäre ich doch geneigt, neugierig nachzufragen: Woher wissen Sie das? Waren Sie denn schon einmal da?

Nicht zuletzt in früheren Zeiten sah man das ja eindeutig anders. Gaben nicht die alten Ägypter ihren frisch verstorbenen Ahnen überaus nützliche Dinge ins - wie auch immer geartete - Jenseits mit, die man gut gebrauchen konnte, falls es wirklich existierte? Schuf man denn nicht eigens zu diesem Zweck weltweit die eindrucksvollsten Kunst- und Bauwerke? Trieb nicht viele archaische Kulturen gerade die Gewissheit, etwas auf Erden erreichtes in eine höhere Daseinsform mitzunehmen, zu den gigantischsten Leistungen? Mumifizierte man dies- und jenseits des Nils nicht sogar seine verstorbenen Miezekatzen, um auch im Totenreich sicher vor Ratten und Mäusen zu sein?
Und wie verhält es sich mit guten und schlechten Taten? Schultern die Buddhisten denn nicht voll Hoffnung ihr schweres Karma, im nächsten Leben (d. h. Leiden) der ersehnten Erlösung vielleicht doch ein kleines Stückchen näherzukommen? Wollte nicht Abraham seinen Sohn Isaak in einem Anfall von Wahn um die Ecke bringen, in der Hoffnung, im Himmelreich dafür eines schönen Tages einen höheren Dienstgrad zu erhalten? Und müssen nicht selbst die besten unter den guten Christenmenschen eines jüngsten Tages ihre irdischen Schandtaten mehr oder weniger umfassend vor einer machtvollen höheren Instanz bekennen und die vormals noch unabsehbaren Konsequenzen ertragen?

Die redselige Ratgeberin jedenfalls hatte nicht mehr allzu lange zu leben - Krebs.
Ihren Pudel, der schon lange an derselben Krankheit litt und dem sie vordem umfassendste medizinische Behandlung hatte zukommen lassen, ließ sie in einer Nacht- und Nebelaktion einschläfern, als ihre eigene Lage aussichtslos war und obwohl eine freundliche Nachbarin das Tier liebend gerne aufgenommen und sicher nicht weniger verhätschelt hätte als seine Besitzerin.

Vielleicht nimmt man ja doch etwas mit.


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Nachtrag
“Die Corona-Krise erreicht die Haustiere. Weil Hochrisikopatienten befürchten, im Krankheitsfall nicht mehr für ihre Weggefährten sorgen zu können, spielen einige mit dem Gedanken, ihre Hunde oder Katzen einschläfern zu lassen.“
Einschläfern ist keine Lösung - Rheinpfalz vom 1.4.2020.

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Kommentare zu diesem Text


 harzgebirgler (04.04.20)
mitnimmt ein tod zumeist die hinterbleiben
obwohl sich manche auch die hände reiben.

lg
harzgebirgler

 Oggy meinte dazu am 04.04.20:
In Spanien wurden bereits die Bestattungspreise von Seiten des Staates eingefroren. Überhöhte Zuschläge müssen den Hinterbliebenen zurückerstattet werden.

https://www.morgenpost.de/vermischtes/article228824745/Corona-Tote-in-Spanien-Wie-Bestatter-jetzt-abkassieren.html

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Der Tierarzt, der mehrere Anfragen in Sachen Einschläferung von Haustieren bekam (siehe Nachtrag),hat sich zum Glück geweigert und gründete stattdessen eine Facebook-Gruppe zur Vermittlung von vorübergehenden Nachbarschaftsunterkünften von Tieren, deren Besitzer ins Krankenhaus müssen.

LG und danke für die Empfehlung,
Oggy
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