Die 7 Plagen

Gedanke zum Thema Zukunft

von  Malik

Gestern erwähnte ein mir bekannter Forenbetreiberkollege im Gespräch, dass für unabhängige Foren ja nun langsam die apokalyptische Endzeit anbrechen würde; die notwendigen 7 Plagen wären ja nun allesamt vorhanden bzw. im Anmarsch. Ich habe mal nachgezählt:

- DSGVO: Die Datenschutzgrundverordnung, die ja nun bald ein Jahr in Kraft ist, hat bereits etliche Forenbetreiber zum Aufgeben bewogen. Die Foren, die es jetzt noch gibt, wandeln alle auf dünnem Eis, denn eine 100%ige Konformität mit den vorgeschriebenen Regeln und Prozeduren (bei denen es auch keine Ausnahmen für kleine bzw. private Foren gibt) ist ohne immensen Aufwand kaum umsetzbar. Die DSGVO bietet also dem mutwilligen Kaputtmacher reichlich Werkzeuge, mit denen man effektiv die Schließung missliebiger Foren erzwingen kann; die möglichen Ansätze sind vielfältig; als neuesten Ausfluss der "Datenschützer" erwähne ich mal nur das Verdikt gegen den Betrieb von Facebook-Seiten; diese können nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge nicht DSGVO-konform betrieben werden und sind daher eigentlich alle gesetzwidrig. Einige Landesdatenschutzbeauftragte haben bereits angekündigt, hier ansetzen zu wollen und Unternehmen mithilfe von Bußgeldern zu disziplinieren. Sollte das Fahrt aufnehmen, werden viele kleine Foren Facebook- und andere Social Media-Kanäle aufgeben, um das Risiko einer nicht schulterbaren Bußgeldzahlung zu vermeiden, und damit teilweise massiv Reichweite einbüßen. Für die Nutzer bewirkt die DSGVO nur, dass große Unternehmen und staatliche Stellen noch mehr Daten sammeln als vorher, natürlich nur um sie angemessen zu "schützen", und so geben sie (die Nutzer) klickmichtot-genervt ihr Einverständnis zu allem und jedem - im Endeffekt wird das eigentliche Ziel "Datensparsamkeit" und "Nachverfolgbarkeit der Speicherung", gekoppelt mit dem eigentlich angedachten "bewussten Einverständnis" des Dateninhabers, zur Farce und spielt nur der Datensammelwut der Obrigkeit in die Hände. Behörden sind übrigens von Sanktionen bei Verstößen gegen die DSGVO ausdrücklich ausgenommen.

- NetzDG: Das sogenannte Netzwerk-Durchsetzungsgesetz (was für ein Name!) soll den Datenkonsumenten vor sogenannten "Fake-News" und vor sogenannter "Hassrede" schützen und hebelt via Kurzschlussregelung eigentlich gesetzlich verbriefte Rechte de facto aus. Es wird - wiederum über das Drohmittel der Bußgeldzahlungen - Unternehmen (=Betreibern von Foren) nicht nur das Recht gegeben selbst zu entscheiden, welche Äußerungen zu verschwinden haben, sondern ihnen auch die Pflicht auferlegt, alles, was eventuell falsch rüberkommen könnte, gleich mal vorausschauend zu entfernen; sehr oft sind dann auch keine Einspruchsmöglichkeiten mehr vorhanden, wenn (beispielsweise) Facebook missliebige Konten einmal gelöscht hat. Der ordentliche Rechtsweg wird somit einfach und praktisch ausgehebelt. Momentan sind von den Pflichten nach NetzDG nur "die Großen" betroffen, aber es ist absehbar (und entsprechende Forderungen sind auch schon laut geworden), hier die Zügel auch kleineren anzulegen - was nur logisch ist, je mehr von der Teilhabe an den großen Netzwerken ausgeschlossene sich halt woanders sammeln. Und dabei ist es relativ egal, ob es sich um (zwar nirgendwo verboten, aber dennoch verpönte) Nippel (wie in fast allen US-basierten oder von den USA abhängigen Medien), ordentliches Benehmen ("codes of conduct", "Gemeinschaftsstandards") oder (vom NetzDG redigierte) Politik handelt - die Auswirkungen sind die gleichen. Man überlegt es sich also lieber zweimal, welche Äußerungen man öffentlich tätigt oder was man veröffentlicht. Es soll ja auch schon Leute geben, die fehlende "gendergerechte Sprache" als hatespeech anzeigen/melden.

- Uploadfilter: Die nirgendwo gesetzlich verankerten, aber durch den Wortlaut und die Intentionen der neuen Urheberrechtsrichtline der EU zwingend notwendig werdenden Uploadfilter für urheberrechtliche geschützte Werke werden den Enthusiasmus von Betreibern, Foren für kreative Menschen (egal ob Video, Fotografie, Malerei oder eben "nur" Text) zu erhalten oder neu zu schaffen, massiv dämpfen, da ihnen hier Pflichten auferlegt werden, die ohne den Zukauf von entsprechenden Filtern eigentlich nicht erfüllbar sind. Entweder muss also alles, was veröffentlicht werden soll, durch eine vom Betreiber nicht selbst kontrollierbare Datenfiltersoftware (und es kann mir keiner erzählen, dass das dann dort nur gefiltert und nicht gespeichert werden wird) oder es muss vor der Freigabe manuell gefiltert werden. Macht man das nicht, steht man quasi schon mit einem Bein im Knast, denn es ist für einen böswilligen Nutzer ein Leichtes, ein Forum durch den Upload urheberrechtlich geschützten Materials kaputt zu machen. Diese Richtlinie ist binnen zwei Jahren in nationales Recht zu überführen (egal, was für "Protokollnotizen"-Mimimi die Bundesregierung auskotzt) - man hat also noch genügend Zeit, sich zu überlegen, ob man das Risiko in Kauf nimmt, auf eine geschlossene, nicht mehr öffentliche Forenkultur ausweicht oder einfach zumacht.

- Terrorrichtlinie: Natürlich ist die Terrorrichtline keine Richtlinie für Terroristen, sondern die volkstümliche Kurzfassung der "EU-Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte" (die noch nicht in Kraft, aber derzeit in Vorbereitung ist), und natüüürlich sind wir alle gegen terroristische Online-Inhalte (auch wenn es dazu keine verbindliche Definition gibt, an der man sich orientieren könnte - im Zweifelsfall also erst einmal löschen, beschweren kann man sich später), also ist ein verpflichtende Löschpflicht von einer Stunde (!) nach behördlichem Zuruf - rund um die Uhr - auch vollkommen in Ordnung. Wer sein Forum nicht sauber hält, muss eben büßen und wird dicht gemacht. Freizeit? Nachtruhe? Urlaub? Dann muss eben jemand be- oder eingestellt werden, der sich kümmert, gibt doch genügend Arbeitslose. Machen wir doch alle gerne. Alle kleinen und privaten Forenbetreiber freuen sich schon auf den Moment, wo das in Kraft treten wird. Literaturforen im Darknet? Jeder hätte einem früher einen Vogel gezeigt. Heute heißt es: "muss man durchaus mal drüber nachdenken". Wobei: Darknet und andere Möglichkeiten, sich mit einem potentiell gemeingefährlichen Forum seiner staatsbürgerlichen Online-Hauswartpflichten zu entziehen, sind ja auch schon bald verboten (via § 126 a StGB, in Planung).

- IT-Sicherheitsgesetz: Dieses Gesetz hat natürlich nichts (oder nur am Rande) mit der Sicherheit von Computern zu tun; vielmehr wird das geplante Zweite Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme hauptsächlich lediglich den Sicherheitsbehörden mehr Zu- und Eingriffsmöglichkeiten geben - unter anderem durch das darin vorgesehene Recht, virtuelle Persönlichkeiten übernehmen (und den Menschen dahinter zur Herausgabe seines Passwortes zwingen) zu können, um dann schön getarnt auf Fischzug zu gehen - natürlich nur wegen "schwerster Straftaten" wie z.B. Ordnungswidrigkeiten, wissen wir doch. Noch mehr Grund aufzupassen - jetzt nicht nur im öffentlichen Bereich, wo alle mitlesen können, sondern auch in persönlichen Nachrichten, Chats und so weiter, gerade wenn man mit Leuten kommunizieren möchte, die nicht schon gedanklich gleichgeschaltet gemainstreamt sind. Momentan ist das nur ein feuchter Traum der Sicherheitsbehörden, und der erzwungene Passwortzugriff wird voraussichtlich (gerade noch) spätestens vom Verfassungsgericht gekippt werden, aber wenn es national (noch) nicht klappt, dann schieben wir das ein Jahr später mit dem Umweg über die EU wieder rein. "Wehret den Anfängen!", wird es heißen, und Gedankenverbrechen werden zum Straftatbestand. Kommt einem irgendwie bekannt vor.

- Vorratsdatenspeicherung: Die eigentlich in Deutschland schon mehrfach zu Grabe getragene anlasslose Vorratsdatenspeicherung wird über den Umweg über Brüssel wiederbelebt, und zwar mit Hilfe von Mund-zu-Mund-Beatmung aus Deutschland. Mit den steigenden technischen Möglichkeiten wird es auch nicht mehr nur darum gehen zu speichern, wer wann mit wem telefoniert hat; schon heute werden in Deutschland Diensteanbieter, die bewusst keine Verkehrsdaten speichern, gerichtlich dazu gezwungen, diese zukünftig zu erheben, damit sie später bei Bedarf genutzt werden können (ich sage nur "Posteo"). Natürlich alles streng datenschutzkonform.  Ein Missbrauch derart gespeicherter gesammelter Daten ist natürlich totaaaaal ausgeschlossen, wir leben ja schließlich nicht in einem Staat, wo man Leute wegen ihrer politischen Ansichten öffentlich in der Luft zerreißen oder ihnen deswegen ihr Leben ruinieren darf. Und schließlich: wer surft schon freiwillig zu anstößigen Websites? Die öffentlich-rechtlichen Medien informieren einen doch stets und umfassend darüber, was wo steht und was man davon zu halten hat. Wer unbedingt das AfD-Parteiprogramm im Original oder Antifa-Bekennerschreiben im O-Ton auf Indymedia lesen will, darf sich dann halt nicht wundern, wenn er dann entsprechend als Sicherheitsrisiko gilt. 

- Identifizierungspflicht: Kommt unter Garantie. Die ersten Vorstöße laufen (siehe Österreich), und es wird nicht lange dauern, bis das bei uns auch soweit ist (entweder direkt oder gleich über die EU). Es geht ja schließlich um unser aller Sicherheit, und man muss doch zu seinem Wort stehen, und so. Hat doch keiner was zu verbergen. Und ist doch nun auch nicht sooo kompliziert umzusetzen, was die Forenbetreiber da nur wieder alle jammern. Ausweis-App, Retina-Scan, Gesichtserkennung, Fingerabdruck. Erschwinglich und sicher. Woanders ist das doch auch schon üblich - kein Telefon ohne Ausweis, keine Flugreise ohne massives Datenpaket, selbst anonyme Bahnfahrkarten sind vom Aussterben bedroht. Und wenn wir dann erst das Bar- und Kryptogeld verbieten dürfen... wird doch ohnehin nur zur Terrorismusfinanzierung genutzt (Koffer voller Dollars!) oder zum Drogenhandel (Bitcoin!), dann wird es endlich wieder sicherer in Deutschland. Und um im Bedarfsfall dann noch schneller die Sicherheitskräfte rufen zu können, kriegt jeder Haushalt pro Zimmer eine Alexa an den Rauchmelder getackert. Zwangsaktiviert und gebührenfinanziert.

Alles übertrieben? Gewiss. Wo leben wir denn. Ist ja nur ein Literaturforum hier, da darf man auch mal dystopisch. Gibt nichts zu sehen, weitergehen. Hier ist alles suuuuper....

Der Kollege macht übrigens zu Ende des Monats zu. Aus persönlichen Gründen.

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Kommentare zu diesem Text


 LottaManguetti (16.04.19)
"1984" war nur die Lightversion, weniger beängstigend.
Die Hilf- und Konzeptlosigkeit unserer gewählten Oberhäupter könnte nicht augenscheinlicher sein.
Es muss etwas getan werden, stimmt! Aber das, was getan wird, erinnert mehr an (noch mehr) Beschneidung persönlicher Freiheit, als an eine fortschrittliche Idee.
Regeln sind gut. Wenn aber Regeln zunehmend einengen, stimmt etwas mit den zuvor aufgestellten Regeln nicht.
Ich bin mal gespannt, wann die blaue Ampelfarbe zum Zuge kommt: Bei Rot bleibe stehn, bei Grün darfst du gehen. Bei Gelb musst du warten, bei Blau musste rückwärts und auf allen Vieren über die Straße krabbeln ...

Lotta
Sätzer (77)
(16.04.19)
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Sätzer (77) meinte dazu am 16.04.19:
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Cora (29) antwortete darauf am 16.04.19:
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 LotharAtzert (16.04.19)
- Gedanken zum Thema Zukunft:
Eng mit den 7 Plagen verbunden ist ja die Wiederkunft Christi.
Selbst als Buddhist verspreche ich mir davon einiges, da es sich hierbei um ein reineres Bewußtsein handelt und nicht um eine menschliche Person.
(Es gibt nicht wenige, die vermuten, der kommende Buddha Maitreya sei indentisch mit Chr.)
Daß dies alles zusammenbrechen wird, ist unvermeidlich - da ist das Aus für eine Website noch das geringste Problem. Ansonsten darf ich wieder einmal meinen Hölderlin zitieren:
"Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch."
Cora (29) schrieb daraufhin am 17.04.19:
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 Regina (16.04.19)
Dann wird uns nichts weiter übrig bleiben, als es Goethe nachzutun. Der schrieb, glaube ich, mit Tinte und Feder am Stehpult. Gezeigt hat er es dann dem Schiller als absolut autorisiertem Leser. So bildeten die zwei ein historisches Autorenform. Na dann. LG Gina
Agneta (62)
(16.04.19)
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MichaelBerger (44)
(16.04.19)
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 GastIltis (16.04.19)
Hallo Malik, nach der Bibel sind es zehn Plagen. Das spricht nicht gegen deinen Text, denn es können ohne weiteres noch drei hinzukommen. Die Globalisierung macht alles möglich und die Reglementierundswut Brüssels und einiger Leute in der Bundesregierung, die sich irgendwo andienen bzw. profilieren wollen, spricht nicht dagegen.
Mit einer Sensibilität von Ex-DDR-Leuten, zu denen ich mich nun leider auch zählen muss (dreißig Jahre scheinen nicht auszureichen, dies immer wieder mal zu erwähnen), hat das auch nichts zu tun. Meine Stasi-Akte war mit 99 Seite relativ dünn und vom Inhalt her mehr als lächerlich, und ich kenne genügend Leute, die um die 1000 und mehr Seiten hatten und weder regimefreundlicher noch -feindlicher waren als ich. Und mit Jesus und Buddha hat dein Text auch nichts zu tun. Vielleicht mit den Pharaonen und Moses, wenn es ihn gab. Aber nur vom Begriff her.
Wenn ich mir überlege, dass das System Rechtsstaat zehn Jahre lang die NSU-Morde für Döner-Untaten gehalten und nur dort die Täter gesucht hat, und darüber nachdenke, wie fürsorglich (nahezu mit Samthandschuhen) die RAF-Terroristen in Stammheim behandelt worden sind, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass genau dieses System in der Lage sein soll, Licht in das Dunkel von Daten, Urhebern, Verbreitung oder Verhinderung von Inhalten, zu denen ihm (dem System) das Verständnis fehlt, das auch noch parteipolitisch unterschiedlich bewertet wird, vom Rechtsstandpunkt mal ganz abgesehen, bringen könnte, dann geht es mir gegen den Strich.
Es wird unübersichtlicher, sicher. Und das für alle. Sogar für Denunzianten. Sieh mal: 70 Jahre hat der Rechtsstaat benötigt, um herauszufinden, dass Nolde ein Nazi war. Ist das nicht bedenklich?
Ruhe bewahren, Tee trinken, abwarten. Das hat für viele auch in der ehemaligen DDR geklappt.
Du wirst schon aufpassen, da bin ich sicher. Herzlich grüßt dich Gil.

 Malik äußerte darauf am 16.04.19:
nach der Bibel sind es zehn Plagen
Kommt drauf an, auf welche Stelle man sich bezieht:
Nach 2. Mose 7-11 sollen es folgende Plagen gewesen sein:
1 - Verwandlung aller Gewässer in Blut
2 - Frösche
3 - Stechmücken
4 - Stechfliegen
5 - Viehpest
6 - Blattern
7 - Hagel
8 - Heuschrecken
9 - Finsternis
10 - Tötung der Erstgeburt

Nach Psalm 105, 26-36 sind es allerdings sieben Plagen:
1 - Finsternis
2 - Wasser wird Blut
3 - Frösche
4 - Ungeziefer und Stechmücken
5 - Hagel und Blitze zerstören Weinstöcke und Feigenbäume
6 - Heuschrecken und Käfer
7 - Tod der Erstgeburt

Halte es aber nicht für unmöglich, dass da noch drei dazukommen. Also bei uns, nicht im Psalm.
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