Sonnenball

Gedicht

von  unangepasste

Die Tücher,
in denen wir unsere Wolken bargen,
hängen noch klamm
im Wind.

Wir versprachen uns Schafe
am Deich und keine Gewitter,
und die Segel flatterten weiß.

Nur die Sonne
konnten wir nicht greifen.
Unfassbar rollte sie
unter dem Boot hinweg.


Anmerkung von unangepasste:

2015

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Kommentare zu diesem Text


 LottaManguetti (01.08.19)
Eine schöne Impression mit einer beeindruckenden Wortwahl (z.B. "Unfassbar" "rollte" sie "unter" ...).

Grüßle
Lotta

 unangepasste meinte dazu am 01.08.19:
Vielen Dank!

 Regina (01.08.19)
Die ersten beiden Verse verursachen eine Stimmung, aber sagen nichts Klares aus. Der letzte Vers, ja, der meint was.

 unangepasste antwortete darauf am 01.08.19:
Danke! Eine ähnliche Rückmeldung bekam ich 2015, als das Gedicht ganz neu war und ich es einem "Testleser" schickte.
Es wäre interessant zu wissen, ob noch mehr Leser keine Aussage darin finden. Für mich öffnet es Assoziationsraum (aber das heißt nicht, dass es so auch ankommt, das ist mir bewusst): Man hat das Negative, die Wolken, in Tücher gewickelt und damit "vesteckt" - vor sich selbst und dem anderen, aber auch beiseite gelegt. Leider kann es dadurch nicht fortziehen. Jetzt, da die Tücher im Wind flattern, wurde es freigelassen und überschattet nicht mehr den (All-)Tag.

Antwort geändert am 01.08.2019 um 09:25 Uhr

 Regina schrieb daraufhin am 01.08.19:
Ja, aber "das Negative" ist eben auch nichts Konkretes. Ich habe bei deinen Gedichten manchmal den Eindruck von Verschleierung, als ob du dich scheust, klar darzustellen, wovon du schreibst.

 FrankReich äußerte darauf am 01.08.19:
Ich denke, dass hier eine Steigerung zum Konkreten auszumachen ist, denn die Schafe, also Schäfchenwolken werden am Deich anstatt eines Gewitters ja erwartet, die Chiffre in der ersten Strophe lockert sich damit in der zweiten zum Symbol (Schafe, weiß flatternde Segel = Hoffnung?), um in der letzten schließlich ein Bild zu evozieren, und gerade dieser Dreisatz macht den Reiz des Gedichtes aus.

 tulpenrot ergänzte dazu am 01.08.19:
Wenn Geschriebenes etwas klar darstellen soll, dann ist es eher ein Bericht oder ein (wissenschaftlicher) Diskussionsbeitrag zu einem Thema oder eine Gebrauchsanweisung, aber weniger Lyrik. Sie lebt von der Vermittlung von Stimmungen und Eindrücken, lässt vieles ungesagt und offen, legt sich oft nicht fest. Man muss sich darauf einlassen können.
Also haben solche Texte durchaus ihre Berechtigung. Ob sie einem gefalle ist eine andere Kategorie ...
Angelika

 FrankReich meinte dazu am 01.08.19:
Abstraktes und Konkretes stehen in der modernen Lyrik längst gleichberechtigt gegenüber, warum also nicht auch einmal mischen?
Selbst Konkretes kann auch doppeldeutig, bzw. ironisch aufgefasst werden, wie der erste Vers aus Brechts Gedicht "Auf einen chinesischen Theewurzellöwen" verdeutlicht: "Die Schlechten fürchten Deine Klaue,". Kommentar eines Bekannten dazu: "Die allerdings kann auch ein Guter nur schwerlich entziffern."
Der Phantasie sind in der Literatur nun einmal keine Grenzen gesetzt; ausschlaggebend vor allem in der Lyrik ist für mich zunächst aber, dass ihr Stil Interesse weckt, denn der reizt zur Analyse, und das ist in diesem Fall mehr als gegeben.

 unangepasste meinte dazu am 01.08.19:
Danke fürs Teilen eurer Gedanken dazu! Eine sehr interessante Diskussion, wie ich finde.
Und vielleicht geht es auch weniger um Interpretation als um eigene Bilder und Gefühle, die im Leser hervorgerufen werden - und da ist jeder anders. Manche brauchen klare, prosaische Aussagen, eine Art Bestätigung der eigenen Ansichten / Wahrheiten, andere wiederum empfinden gerade in solchen Bilderwelten mehr.
Mir persönlich geht es nicht um die Vermittlung einer bestimmten Weisheit, sondern vielmehr darum, an die Grenzen der Sprache zu stoßen und ins Unsagbare hervorzudringen - ein hoher Anspruch, dem man kaum gerecht werden kann. Schließlich reichen die Worte, die konventionalisierten Bedeutungen, die immer wieder gehörten, gleichen Sätze nicht aus, um alles zu sagen, Empfindungsnuancen auch im Gegenüber wachzurufen. Und trotzdem will ich mehr erfassen, als dieses beschränkte Werkzeug "Sprache" zulässt. Dafür brauche ich die Bilder mit ihren neuen Räumen und kreativen Verbindungen.

 unangepasste meinte dazu am 01.08.19:
Und zur von manchen empfundenen mangelnden Klarheit: Geht da nicht die ganze Poesie verloren? Natürlich kann ich schreiben:

"Johanna und Paul wollten die Probleme in ihrer Beziehung nicht sehen, schauten weg; so gelang es ihnen zwar, oberflächlich unbeschwert vor sich hinzuleben, aber echte Erfüllung fanden sie nicht."

Oder eben so ähnlich.

Aber dann bin ich ganz schnell in der Prosa.

Antwort geändert am 01.08.2019 um 17:35 Uhr

 AchterZwerg (01.08.19)
Der Dame Lotta schließe ich mich vorbehaltlos an.
Ein traumhaft sicheres und in sich schlüssiges Gedicht (bleibt stets im Bild).
Ich persönlich denke zunächst an ein Überschwemmungsgebiet, das schon mehrfach Heimsuchungen erfahren musste.
Gegen die Sonne ist allerdings kaum etwas zu machen.
Im übertragenem Sinn sehe ich das planvolle Handeln zweier (der?) Menschen vor mir, die von ihren Gefühlen überrollt werden.

Vortrefflich, meine Schöne. :)

 unangepasste meinte dazu am 01.08.19:
Vielen Dank, das freut mich! Eine sehr schöne Interpretation.

Antwort geändert am 01.08.2019 um 17:34 Uhr

 W-M (01.08.19)
ich würde da die zeiten bzw. die abfolge nochmals bearbeiten ... nicht (fast) alles in der vergangenheit, das wirkt ermüdend, bisschen aktiver darf schon sein. und brech deine eigene innere logik / wahrheit für ein gedicht, das andere lesen sollen / müssen, bisschen auf ... nicht immer so streng dem eigenen folgen?!
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