Vom aufrechten Müßiggang!

Anekdote zum Thema Stärke/Schwäche

von  Bluebird

Ich erinnere mich, dass ich als jüngerer Mann – ich war damals 25 Jahre alt – eine Fahrradtour  durch die Niederlande gemacht habe. Zugegeben, eigentlich keine wirklich große Herausforderung, sieht man mal von einem klapprigen Hollandrad und dem daran befestigten Gepäck ab. Und das ich zu dem Zeitpunkt eigentlich in keiner guten körperlichen Verfassung war.
  Nun radelte ich also auf einer recht eintönigen, wenig befahrenen Landstraße irgendwo hinter Arnheim meinem nächsten Etappenziel entgegen, mich gleichmütig-dösend einer angenehm niedrigen Trittfrequenz überlassend.
  Plötzlich gerät hinter mir die Luft in Wallung und  eh ich noch richtig erwacht bin, ist es auch schon geschehen. Zwei sportlich durchtrainierte junge Männerkörper auf zwei mindestens ebenso durchtrainierten Rennrädern haben mich pfeilschnell passiert  und sind auch schon wenige Augenblicke wieder außer Sichtweite.
    Mich irgendwie gedemütigt  zurücklassend.

Nun ist das ja so mit dem männlichen Stolz so eine Sache. Der weiß sich auch in so einer kritischen Situation zu helfen: „Ich hab´s ja nicht so eilig! Ich genieße die Landschaft. Schließlich bin ich ja im Urlaub, oder nicht? Und überhaupt, was soll solch eine Raserei überhaupt bringen?“
    Und um die Richtigkeit meiner These zu unterstreichen, setzte ich meine Reise in genau gleichem Tritttempo fort, als wenn nichts gewesen wäre.

Etwa eine halbe Stunde später, ich war jetzt gar nicht mehr so weit von meinem Zielort entfernt, staunte ich nicht schlecht, als ich meine beiden „Freunde“ am Straßenrand in intensiver Beschäftigung mit einem der beiden Rennräder  sah.
    Instinktiv nahm ich  eine lässig - vornehme Haltung ein, um meinem unerwarteten Triumph auch eine  würdige Form zu geben. Und in der Tat blickten beide auch kurz und etwas irritiert auf, als ich sie gemächlichen Trittes, erhobenen Hauptes und mit einem improvisierten "So sehen Sieger aus!"- Blick  passierte.
    Wenig später erreichte ich in gehobener Stimmung die Stadt, deren Namen ich leider vergessen habe.

Und die Moral von der Geschichte?
Vergiss auch in Coronazeiten das Müßiggehen nicht!

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (18.03.20)
Köstlich!
Etwas Ähnliches ist mir in der Nähe von Bukarest passiert, allerdings mit dem Auto. Ich fuhr auf einer Schlaglochpiste knapp 30, da ich in Sorge vor platten Reifen und Schlimmerem war. Ein Schild wies auch auf Tempo 30 hin. Alle rasten sie an mir vorbei, manche unter Hupen und Vogelzeigen.
Ja und dann kam die Polizeikontrolle, man winkte mich als Einzigen an der Schlange von stehenden Fahrzeugen vorbei, ich dankte grüßend und grinste noch einige Zeit vor mich hin ...

Kommentar geändert am 18.03.2020 um 10:06 Uhr

Kommentar geändert am 18.03.2020 um 10:07 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 18.03.20:
Die Geschichte ist ja noch besser als meine :)

 LotharAtzert antwortete darauf am 19.03.20:
Lieber Bluebird,
eben in tiefer Meditation vernahm ich plötzlich die Worte des freigelassenen Sklaven Epiktet:
"Alle Eile ist des Teufels".
Bleib gesund

 GastIltis (18.03.20)
Till Eulenspiegel lässt grüßen

Wenn du es eilig hast, gehe langsam

Till Eulenspiegel ging eines schönen Tages mit seinem Bündel an Habseligkeiten zu Fuß zur nächsten Stadt. Auf einmal hörte er, wie sich schnell Hufgeräusche näherten und eine Kutsche hielt neben ihm. Der Kutscher hatte es sehr eilig und rief: "Sag schnell - wie weit ist es bis zur nächsten Stadt?" Till Eulenspiegel antwortete: "Wenn ihr langsam fahrt, dauert es wohl eine halbe Stunde. Fahrt ihr schnell, so dauert es zwei Stunden, mein Herr." "Du Narr" schimpfte der Kutscher und trieb die Pferde zu einem schnellen Galopp an und die Kutsche entschwand Till Eulenspiegels Blick.
Till Eulenspiegel ging gemächlich seines Weges auf der Straße, die viele Schlaglöcher hatte. Nach etwa einer Stunde sah er nach einer Kurve eine Kutsche im Graben liegen. Die Vorderachse war gebrochen und es war just der Kutscher von vorhin, der sich nun fluchend daran machte, die Kutsche wieder zu reparieren. Der Kutscher bedachte Till Eulenspiegel mit einem bösen und vorwurfsvollen Blick, worauf dieser nur sagte: "Ich sagte es doch: Wenn ihr langsam fahrt, eine halbe Stunde..."

 loslosch schrieb daraufhin am 18.03.20:
ich schätze mal, bluebird hat hier die urheberrechte. trotz speude bradeoos. festina lente. eile mit weile.

 Bluebird äußerte darauf am 18.03.20:
Nicht schlecht, Herr Gastlitis!
Ich kannte die Geschichte nicht, aber sie gefällt mir ausgesprochen gut! :)

Antwort geändert am 18.03.2020 um 15:02 Uhr

 GastIltis ergänzte dazu am 18.03.20:
Bei Eulenspiegel geht es nicht um Urheberrechte, sondern um Allgemeinbildung. Aber wem der Glaube wichtiger als die Allgemeinbildung ist, der kann sich durchaus rechtschaffen an den Spitzfindigkeiten des Herrn mit der Narrenkappe, ob er nun aus Kneitlingen am Elm oder Mölln oder als Tyll Ulenspiegel sogar aus Flandern stammte, erfreuen. Übrigens ticken ja in den Niederlanden die Uhren eh etwas langsamer, und das zu schnelle Fahren wird dort ohnehin als Gotteslästerung angesehen und entsprechend geahndet. Offenbar nicht nur vom Gesetz her!
Cora (29)
(18.03.20)
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 Bluebird meinte dazu am 18.03.20:
Ich dachte eigentlich, dass meine leichte (Selbst-) Ironie zu erkennen wäre .. natürlich haben sie mir nichts (bewusst) getan, dennoch haben Handlungen anderer möglicherweise eine unbeabsichtigte Wirkung auf uns .. .lösen Emotionen aus ... ja, und ein bisschen Schadenfreude darf durchaus auch mal sein :) ....

Aber eigentlich ging es mir auch eher um die Quintessenz der Geschichte, die durch die beiden anderen Geschichten in den Kommentaren ja auch unterstrichen wurde

Antwort geändert am 18.03.2020 um 23:04 Uhr
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