great fun with Shrek, Shrek great with fun.

Essay

von  Willibald

1. Wiedersehen und Genuss mit dem Shrek von 2001

Vor kurzem – Rotemund ermunterte ihn  zu einer Filmsache – hat Willibald einen Film wieder angesehen, den er und seine Kinder seit langem lieben. „Shrek“. Und er hat das Textbuch gegoogelt .1 Eine bilderträchtige Kolumne findet sich anderswo.2

Der Film von 2001 gilt als ungewöhnlich gelungen und erfolgreich bei Publikum und Kritik. In der Handlungsführung und den Details findet sich in der Tat Bemerkenswertes. Und:  Dies ist einer der seltenen Fälle, in denen Filmexperten und  „Amateure“ bemerkenswert viel Spaß haben. So wie bei Chaplins " Circus" oder seinem "Goldrausch".



Die Regisseure und Produzenten von Dreamworks setzen als Hauptfigur einen sympathischen Unhold, zurückgezogen, menschenmeidend wegen schlechter Erfahrungen mit den Hominiden.
In Shreks Sumpfdomizil brechen bekannte Märchenfiguren ein (Schneewittchen, Hexen, Pinocchio, Lebkuchenmann..), da  sie aus dem Reich des fiesen, nach Cleanness und Glorie verlangenden kleinwüchsigen Lord Farquaad verbannt werden.
Bedrängt von den Neuankömmlingen und verärgert nimmt Shrek einen geschwätzigen, wegkundigen Gefährten auf, den er ohne Individualisierung einfach „Esel“ nennt. Zusammen mit ihm startet nun eine Reise, die später ein Quest wird,  um Lord Farquaad aufzusuchen. Ein erster Schritt aus der Einsamkeit in den prosozialen Bereich.
Lord Farquaad  verspricht ihm, die Märchenfiguren aus Shreks Reich zu entfernen, wenn er einen Drachen tötet und Prinzessin Fiona rettet, damit sie Farquaads Braut werden kann und ihm so das zufällt, was einen echten König auszeichnet.
Shrek stimmt dem zu, findet Drachen und Prinzessin, aber er tötet den Drachen nicht, weil der Drache sich in Esel verliebt.

2. Ernst in der Komik

2.1 Das Ritterrettermotiv: Thine heart is pure  ..... a little unorthodox


Das Liebesmotiv erweitert sich:
Zum einen sieht Fiona zunächst Shrek als den heroischen  Ritter entsprechender Hochliteratur und ihrer Ausläufer im Märchen. Das bringt dann Komik und Vergnügen:

          You rescued me! You're amazing. You're - - You're wonderful.
          You're... a little unorthodox I'll admit. But they deed is great, and
          thine heart is pure. I am eternally in your debt.
                              (Fiona nach ihrer Rettung zu Shreck) (Script: 27)

Fionas Erstaunen wird hier deutlich. In altertümelnden Shakespearian Code  eine Art Klimax zu Beginn, der Retter, erstaunlich, wundervoll, dann ein Einschnitt, nicht  nur wegen des Fremdwortes "unorthodox", das kaum im Lexikon des durchschnittlichen Rezipienten zu finden ist. In Mustern der Ritter- und Märchenromantik gilt Shreks Verhalten als Flop, als Enttäuschung.  Dann folgt – als gehe es um die Rettung des Ritterschemas unter Ausklammern von gegenläufiger Erfahrung – im hohen Code die adversative Wendung: " Aber Eure Tat ist groß, das Herz ist rein." Und als Folgerung die Formel von ewiger Schuld. Der Ritus von Admiratio und  Rettungsdank hat sich wieder stabilisiert.

Gleichzeitig läuft ganz evident eine dramaturgische Strategie der komischen Fallhöhe: Shrek plumpst von der Anhöhe herab und rumpelt in den Esel. Als der sich schüttelt, setzt Fiona nach: „Aber was wäre ein tapferer Ritter ohne sein edles Ross?“ Ein Setting,  das Lachen auslöst, ein Setting, das  große Werte und große Worte auf den Bauch fallen lässt. Die Hochkultur als realitätsfremd, als wirklichkeitsverfehlend, ist dem Lachen preisgegeben, verstärkt durch des  Esels stolz-ambivalenten Hinweis an Shrek, er habe das hoffentlich gehört. Fiona denke, er sei ein Ross.

2.2 Shrek im Shock

Zum anderen kommt es bei aller Komik der bisher laufenden Verkennung zu einer rührenden, wirklich rührenden Verkennung und Enttäuschung unseres seltsamen Heros Shrek:

Nachts ist Fiona zwar nicht bei ihren Begleitern, hört aber heimlich ihr Gespräch über Sternbilder, über Größenphantasien, über die Ablehnung, die Shrek als Oger erfahren hat.
Was wir noch nicht wissen, aber bald erfahren: Sie ist nachts ein Oger. Der Esel,  konfrontiert mit ihrer Nachterscheinung,  ist entsetzt und fürchtet sich: Dieser Oger da hat vermutlich Fiona gefressen.
Nun folgt ein Mehrfach-Twist. Wir erfahren, dass die Doppelexistenz Fionas Folge eines Fluches ist. Zu brechen durch der wahren Liebe erster Kuss. Dann sei Liebe in ihrer wahren Form möglich:

                By night one way, by day another. This shall be the norm...
                until you find true love's first kiss... and then take love's true form.

Und wir hören bei Fiona eine Art Echo von Shrek:

              When I was a little girl, a witch cast a spell on me. Every night I
              become this. This horrible, ugly beast! I was placed in a tower to
              await the day my true love would rescue me.
              {Sobs}                         
            (Fiona im Mühlengespräch zum Esel) (Script 46)

Keine Frage: Hier deutet sich nicht nur Fionas Nähe zu Shreks Erfahrung an, er sei abstoßend. Es liegt auch nahe, die Möglichkeit  gegenseitiger Liebe anzusetzen, selbst wenn Fiona den Gedanken an Farquaad nicht aufgibt. So setzt denn auch der Esel nach:

But, you know, um, you're kind of an
              ogre, and Shrek - - well, you got a lot in common.

Nun wechselt der Focus  in die Außenszenerie: Shrek nähert sich den beiden Gesprächspartnern. Eine Sonnenblume in der Hand, er hat sich ermannt, Fiona seine Zuneigung zu gestehen.
                                   
                                          SHREK
                        (to himself) Princess, I - - Uh, how's
                        it going, first of all? Good? Um, good
                        for me too. I'm okay. I saw this flower
                        and thought of you because it's pretty
                        and - - well, I don't really like it,
                        but I thought you might like it 'cause
                        you're pretty. But I like you anyway.
                        I'd - - uh, uh...(sighs) I'm in trouble.
                        Okay, here we go.

              He walks up to the door and pauses outside when he hears
              Donkey  and Fiona talking.

                                    FIONA
                        I can't just marry whoever I want.
                        Take a good look at me, Donkey. I mean,
                        really, who can ever love a beast so
                        hideous and ugly? "Princess" and "ugly"
                        don't go together. That's why I can't
                        stay here with Shrek.

              Shrek steps back in shock.

Die körperliche Reaktion zeigt uns, wie sehr Shrek getroffen ist. Und wir bedauern, dass er die Polysemie von Fionas Äußerung nicht durchschaut. Sie spricht von ihrer Doppelexistenz. Und dass sie deswegen nicht bei Shrek bleiben könne, er habe sich ja, so können wir interpolieren, in die schöne Prinzessin verliebt.

Ein klassischer Fall von „Hamartia“ (Graeculus und Aristoteles werden sich freuen), eine Art Verfehlung von Menschen, die wissen, was für sie gut ist und denen wir ihr Glück gönnen, die aber einen Fehler machen, weitgehend entschuldbar, einen Fehler, der sie ins Unglück bringt, das sie aufgrund ihrer grundsätzlichen Gutheit nicht verdient haben.

3. Happy Ending der besonderen Art

Widerwillig und bedrückt bringt Shrek Fiona in Farquaads Schloss,  der Zuschauer weiß,  dass Shrek falsche Schlüsse gezogen hat und hofft und bangt und leidet.

Erfreulicherweise taucht der Esel in Shreks Klause auf, klärt halbwegs das Missverständnis („She was´nt talking about you. She was talkin´ about, uh, somebody else.”). Der Drache wird herbeizitiert, man fliegt nach Duloc, unterbricht kühn in der Kirche die Ehezeremonie. Shrek erklärt andeutungsweise seine Liebe. Die Sonne geht unter. Fiona wird ein Oger. Shrek versteht nun, was der Esel gemeint hat. Die beiden erklären sich ihre Liebe. Farquaad wird vom Drachen ausgeschaltet. Fiona zitiert die Formel: „By night one way, by day another. This shall be the norm... until you find true love's first kiss... and then take love's true form."  Es kommt zum ersten Kuss. Ein Lichtwunder wie in Disneys „Die Schöne und das Biest“. Fiona ist ein Oger geworden. Alles andere als „wunderschön“ nach herkömmlichen Maßstäben. Aber für Shrek wunderschön.

Das Disneymärchenbuch des Anfangs, das Shrek auf der Toilette zerrissen hat, wird nun reaktiviert.
Ein Märchenbuch liebevoll-betulich präsentiert. Gerade, wenn man sich auf die Wunderwelt einlässt,  eine aggressive Wendung: Die grüne Ogerhand reißt ein Blatt heraus, das Bild des kussbereiten, knieenden Ritters.





Nach Auslöschen des Ritters kaum mehr möglich: Eine Eheschließung unter Engelsägide und im Zeichen des Kreuzes:



Offensichtlich unter anderen Vorzeichen  (siehe die Vignetten links) doch möglich:



Fiona und Shrek leben hässlich-glücklich unter der Observanz von zwei grünen Oger-Engeln (oben links), Puttos, nicht mehr die stilisierten ätherischen Kultgestalten ohne Unterleib .

Eine wunderbare Transformation mit Realismusanspruch.
Oder?

p s.
Willibald schaut gerade bei Amazon "The Great" - Katharina die Große,  ein Spektakel, brillant, diese Serie, scheint mir.


Anmerkung von Willibald:

(1) Moviescript: [exturl=][/exturl]
(2) Filmkolumne:  Das ist Shrek

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