Das dröhnende Lachen des Teufels. Hohn. Komik und Witz.

Essay

von  Willibald

(1) Gelächter und Gelichter

An der Spitze der Werteskala, da funkelt das gottbeseelte Lächeln, ein Kräuseln der Lippen, das von geistiger Erfülltheit und Erleuchtung kündet. Ganz unten scheppert das abfällige, grobe Lachen der Missgunst und des Neides. Der Engel lächelt verklärt, der Teufel lacht dröhnend Hohn.


Gottbeseeltes Lächeln,  grobes Lachen und Teufels dröhnender Hohn.  Das ist  eine theologiekonforme Abwertung des gewöhnlichen Lachens. Sie findet sich aber auch außerhalb des religiösen Denkens. Ernsthaft ist Komik nicht, ernstzunehmen ist Komik nicht. Witzelei mag ganz nett sein, aber Gelächter, das ist nicht selten etwas für das Gelichter, Gesindel, Plebs, Pöbel, Horde, Pack, Lumpenbrut, Krapüle.
Hä?

Das Lachen ist eine meist unwillkürliche Reaktion auf etwas Komisches. Komisches entsteht recht oft bei der mehr oder minder heftigen Aggression auf logische Normen und (hoch)moralische Normen. Abgesehen davon, dass dabei Entlastung, Superioritätsgefühl, Hereinholen des Ausgegrenzten passiert:

Die Struktur von Komik und Komödien – und der Witz mag eine Art Kleinmodell der Komödie sein – ist recht gut mit der neueren Skripttheorie und der ehrwürdigen Inkongruenztheorie zu fassen: Ein komischer Text lässt in seiner Exposition eine bestimmte Ereignisfolge (ein Skript) erwarten, dann entsteht plötzlich – eine Art Kipp-Phänomen – ein völlig anderes Skript.

Erste Ideen zu einer Inkongruenztheorie des Komischen zeigen sich bereits bei Platon, Aristoteles und Horaz. In der Aufklärung, angeregt v. a. durch F. Hutcheson und J. Beattie, entstehen ausführliche Komödienpoetiken.  Beattie formuliert 1778 – wie mir scheint – sehr elegant:

"Laughter arises from the view of two or more inconsistent, unsuitable, or incongruous parts or circumstances, considered as united in one complex object or assemblage“.

(2) Jokes

Für die Freunde von Komikgenuss und Komikanalyse  "Material" (Witze halt, aber halt schon - wie der Wiener sagt - rechte "Mörderwuchteln").

(a) "Grim Grom"

Der neue chinesische Botschafter hat einen Termin für ein Treffen mit dem russischen Außenminister "Grim Grom" Andrey Gromyko (1909–89). Der chinesische Botschafter stellt sich vor: "Zhuˇi Hui!"
In Gromykos Gesicht zuckt kein Muskel, er zuckt mit keiner Wimper. "Zhui sam!", antwortet er.
Der ahnungslose chinesische Botschafter fragt: "Und wo ist Gromyko?"
(verständlicher, interpoliert man russische Phoneme:

"Kau einen Schwanz",
das slavische  "sam" in GrimGroms Antwort: "selber".)

(b) Zäpfchen

Der Arzt verschreibt seinem Patienten Zäpfchen. Der Mann holt sie in der Apotheke und geht heim. Er macht die Schachtel auf und nimmt ein Zäpfchen heraus - „Jessas“, sagt er zu seiner Frau, „iatz woaß i gar ned, wia i des einehma soi.“ – „Dann ruafst hoid an Dokta o!“, rät seine Frau.  Der Mann geht zum Telefon und ruft an: „Sie, bittschön, Herr Dokta, wia soi i denn die Zapferl einehma?“ – „Natürlich rektal, das ist doch klar“, sagt der Arzt.
Der Mann kommt zurück zu seiner Frau. „´Rektal´ hod a gsogt. Woast du, wos des is?“ – Naa, des hob i no nia nie ghört“, sagt sie. „Ruafst hoid nomoi o und fragst´n.“ Er geht wieder zum Telefon und ruft an: „Sie, bittschön, Herr Dokta. Sie ham gsagt, i soi de Zapferl ´rektal´einehma. Wos hoasst denn des?“ – „Rektal heißt so viel wie anal“, erklärt der Arzt. Der Mann geht wieder zu seiner Frau zurück: „Er hat gsogt, ´anal´geht´s aa. Woasst du, wia des geht?“, fragt er die Frau. „Naa“, sagt die, „des hob i aa no nia  net ghört. I moan, du frogst am bestn nomoi an Dokta.“
Also telefoniert der Mann noch einmal: „Sie, bittschön, Herr Dokta. Sie ham vorhin gsogt, i soi des Zapferl ´anal´einehma – wia macht ma denn des?“ Der Arzt schnauft tief durch: „Stecken sie es sich in den Hintern hinein!“ 
Der Mann kommt zu seiner Frau zurück. „Und, wos hod da Dokta gsogt?“ – „Bäs is a ma.“

(c) Kurz-Schluss-Logik - Enthymema-Logik

Ein Gespräch an der Bar, ein Mann (M) und ein Fremder (F) unterhalten sich:
M: "Sie sind Logiker? Was ist denn das?"
F: "O. k. ich erklär´s: Hast du ein Aquarium?"
M: "Ja ..."
F: "Dann sind da auch bestimmt Fische drinnen!"
M: "Ja ..."
F: "Wenn da Fische drinnen sind, dann magst du bestimmt auch Tiere."
M: "Ja ..."
F: "Wenn du Tiere magst, dann magst du auch Kinder."
M: "Ja ..."
F: "Wenn du Kinder magst, dann hast du bestimmt welche ..."
M: "Ja ..."
F: "Wenn du Kinder hast, dann hast du auch eine Frau."
M: "Ja ..."
F: "Wenn du eine Frau hast, dann liebst du Frauen"
M: "Ja ..."
F: "Wenn du Fauen liebst, dann liebst du keine Männer!"
M: "Logisch!"
F: "Wenn du keine Männer liebst, dann bist du nicht schwul!"
M: "Stimmt, WAHNSINN!"

Der Fremde geht und ein Bekannter (B) kommt ...

M: "Du, ich muss dir was erzählen: Ich hab gerade einen Logiker getroffen!"
B: "Einen WAS?"
M: "Einen Logiker. Ich erklär's dir. Hast du ein Aquarium?"
B: "Nein ..."
M: "Schleich dich, du schwule Sau!"

(d) Milch

Die 98-jährige Mutter Oberin aus Polen liegt im Sterben. Die Nonnen versammeln sich um ihr Bett und versuchen, ihre letzte Reise angenehm zu gestalten. Sie geben ihr etwas warme Milch zu trinken, aber sie will nichts.

Dann bringt eine der Nonnen das Glas zurück in die Küche. Sie erinnert sich an eine Flasche irischen Whiskey, den sie zu Weihnachten geschenkt bekam, öffnet die Flasche und gießt eine große Menge in die warme Milch. Zurück am Bett hält sie das Glas an die Lippen der alten Frau. Mutter Oberin trinkt ein wenig, dann ein wenig mehr und hat, schneller als man hätte glauben mögen, das ganze Glas bis zum letzten Tropfen ausgetrunken.

"Ehrwürdige Mutter", bitten die Nonnen ernsthaft, "bitte schenke uns etwas von deiner Weisheit, bevor du von uns gehst". Die Mutter Oberin richtet sich im Bett auf und sagte mit einem dankbar-frommen Blick nach oben und dann zu den Nonnen: "Verkauft diese Kuh nicht."

(e) Bar

Ein Betrunkener kommt aus einer Bar und wird von einer Nonne angesprochen, die an der Tür steht. Sie ermahnt ihn und erzählt ihm, wie schlecht Alkohol für sein Gehirn, seinen Körper und seine Seele ist.
Er unterbricht sie  und sagt: "Wovon redest du da? Hast du jemals in deinem Leben etwas getrunken? Sie sagt: "Nein, habe ich nicht. So sagt der Betrunkene: "Wie kannst du mich dann kritisieren, wenn du es nicht erlebt hast?
Also denkt die Nonne eine Minute nach und stimmt dann zu, einen Drink zu probieren, aber sie fragt: "Welchen Drink trinken Damen? Der Betrunkene sagt: "Gin". Die Nonne sagt: "In Ordnung, ich werde es tun, ich werde etwas Gin probieren, aber lass sie es in eine Tasse füllen, damit es niemand merkt."

So geht der Betrunkene zurück in die Bar, bestellt ein Guinness für sich selbst und einen Gin in einer Kaffeetasse. Der Barkeeper schreit: "Es ist wieder diese verdammte Nonne da, nicht wahr?"

Hier in der Bar-Geschichte  dürfte sich das Modell von Inkongruenz und kippenden Scripten recht gut "abbilden".
Das Lachen  als  Reaktion  auf den Kollaps der Ermahnungsgeschuchte und das blitzartige Verstehen des Nonnentricks ist hier zu beobachten:  der erstaunliche Dave Allen, katholisch-irisch erzogen, vor Publikum:



 Dave Allen


(3) Vertiefung -
Als hilf- und  aufschlussreich befunden:


Aarons, D. (2012).  Jokes and the Linguistic Mind.  New York und London: Routledge,
Alexander, R. J. (1997). Aspects of verbal humor in English. Tübingen, Germany: Gunter Narr Verlag.
Antonopoulou, E. (2003). Parody and perverted logic in humorous film and sitcom scripts: A GTVH based account for humorous devices. Antares, 6, 21– 25.
Antonopoulou, E., & Nikiforidou, K. (2011). Construction grammar and conventional discourse: A construction-based approach to discoursal incongruity. Journal of Pragmatics, 43( 10), 2594– 2609.
Attardo, S. (1994). Linguistic theories of humor. Berlin, Germany: Mouton de Gruyter.
Attardo, S. (2001). Humorous texts: A semantic and pragmatic analysis. Berlin, Germany: Mouton de  Bel.
Crossley, S., & Hempelmann, C. F. (2011). Wordplay in church marquees. Humor: International Journal of Humor Research, 24( 2), 187– 202.


(Graeculus´"Logisches Argumentieren" steckt da auch drin, Komik und ihre Logik, das ist Spaß.)

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Kommentare zu diesem Text


 Moja (16.05.20)
Ich lache noch - ich kann jetzt nix schreiben,
bloß einen Gruß rüber winken, oky doky...

Moja

 Willibald meinte dazu am 16.05.20:

 Graeculus (16.05.20)
So alt ist die Inkongruenztheorie schon? Das wußte ich nicht. Kannst Du mir eine Platon-Stelle dazu angeben?

***

Es ist immer blöd, wenn man bei einem Witz um eine Erklärung bitten muß, aber „Bäs is a ma.“ - ich versteh's nicht.

***

Eine sehr pessimistische Deutung des Lachens findet man bei Thomas Hobbes:
[...] Plötzlicher Stolz ist die Leidenschaft, die jene Grimassen hervorbringt, die man Lachen nennt. Es wird entweder durch eine plötzliche eigene Tat verursacht, die einem selbst gefällt, oder durch die Wahrnehmung eines Fehlers bei einem anderen, wobei man sich selbst Beifall spendet, indem man sich damit vergleicht. Und dies kommt meistens bei Leuten vor, die sich bewußt sind, daß sie selbst nur äußerst geringe Fähigkeiten besitzen. Sie sind gezwungen, die Unvollkommenheiten anderer Menschen zu beobachten, um vor sich selbst bestehen zu können. Und deshalb ist häufiges Lachen über die Fehler anderer ein Zeichen von Kleinmütigkeit. Denn eine der Aufgaben, die großen Geistern zukommen, liegt darin, anderen zu helfen und vor Spott zu schützen, sich selbst aber nur mit den Tüchtigsten zu vergleichen. [...]
(Thomas Hobbes: Leviathan. Herausgegeben und eingeleitet von Iring Fetscher. Frankfurt/Main 1984, S. 44 f.)

Ich unterscheide Menschen, die über andere lachen (andere lächerlich machen) von denen, die über sich selbst lachen bzw. uns über uns selbst lachen lassen.

 Willibald antwortete darauf am 17.05.20:
Grüße dich, Graeculus.

Zu den Vorläufern der Inkongruenztheorie:

Es gibt, so scheint es, bei Plato Ansätze. Weniger der plötzliche, unvermutete Umschlag von einem Skript in ein Gegensätzliches, aber doch das synchrone Nebeneinander eben etwas Konträres bis Kontradiktorisches

Zu denken wäre etwa an Philebos 49C (Selbstverkennung, anoia, Selbstüberschätzung) und an Theaitetos 173ff (Spott über die Intellektuellen, Anekdote Thales und der Brunnen..., ). Man könnte etwa auch an die spätere Plautusfigur des Miles Gloriosus denken, seine nicht gleich bestätigte Inkongruenz von Reden und Tun.

Beim Zäpfchen geht es um den Schlusssatz und die darin enthaltene Fehldeutung der korrekten Arztanweisung. Der Bauer versteht sie so, dass der "Doktor ihm böse" ist.

greetse
ww

Antwort geändert am 17.05.2020 um 12:55 Uhr

 Graeculus schrieb daraufhin am 17.05.20:
Danke für die Auskunft. Die Thales-Geschichte, ja; Philebos schaue ich nach.

 Willibald äußerte darauf am 20.05.20:
Zwischendurch:

Schrödingers Katze geht in eine Bar.
Und tut es auch nicht.

Neugierde!
Sie könnte Schrödingers Katze getötet haben.

Neu im Angebot:
Schrödingers Katzenfutter. Halber Preis.
(Allerdings ist es fifty-fifty, dass die Dose leer ist.)

"Mäh, Mäh!"
"Hei, Schrödingers Schaf!
Hast du Wolle?"
"Ja, Sir, nein, Sir,
drei Säcke gleichzeitig voll und leer, Sir.


Gesucht:
Schrödingers Katze.
Tot und Lebendig.

 Graeculus ergänzte dazu am 21.05.20:
Guter Einfall. Man kann sich ein Leben im Banne von Schrödingers Katze vorstellen. Das wäre wunderbar paradox.

 EkkehartMittelberg (16.05.20)
hallo Willibald, ich habe einiges über Komik gelesen, aber noch niemals Theorie, die mit so witzigen Beispielen belegt wurde.
Amüsierte Grüße
Ekki

 Jorge (16.05.20)
Ein Essay wie eine Fundgrube alkoholisch determinierter Spässe und Lebensweisheiten.
Die sterbende Nonne und die Gin - süchtige Betschwester und Schliesslich Dave Allen würzen diesen besonderen Text.

Vielen Dank
Jorge

 AchterZwerg (17.05.20)
Auch ich zeige mich entzückt und - lachend.
Ach, würde doch jedwede schnöde Theorie auf diese Weise dargebracht!

Liebe Grüße
der8.

 Willibald meinte dazu am 17.05.20:
Jorge, Ekki, Achter, maximas gratias.
ww
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