Kuan Yin und der Laborbefund - Teil 2

Protokoll zum Thema Anpassung

von  LotharAtzert

Sporne das Pferd der Bewußtheit mit der Peitsche des Gegenwärtigseins an.
Dzog Chen Weisheit


Montagmorgen Nasenoperation. Und heute ist schon Samstag. Bis es soweit war, musste ich einen, nein ein halbes Dutzend Parcours durchlaufen und das Schicksal saß zentnerschwer im Nacken: Maske tragen, Temperaturmessung am Eingang, Hände desinfizieren, Bogen 1 ausfüllen, Nummer nehmen, warten bis Aufruf erfolgt, Kabinennummer beachten. (1+2 waren sichtbar, die 3, natürlich meine, war gefühlt 200 m hinter ein paar Ecken), dort ... ach so ich hab das Wesentliche vergessen: als ich die Brille aufsetzte, um Fragebögen auszufüllen beschlug die augenblicklich, so daß ich kaum sehen konnte, was gefragt und was anzukreuzen sei. Ich konnte gerade noch ein "Ja" bei "sind sie schwanger" vermeiden. Dann ins Haus A 4. Stock, rechte Tür aussteigen, dort warten, warten, warten ... "ja das höre ich nicht zum ersten mal, das mit der Brille" warten ...
... da fiel mir dann plötzlich Kuan Yin ein, die Gute und ein Schauder ergriff mich, angesichts der Leiden in den drei Krankenhäusern auf hunderten von Zimmern, in fast jedem Bett und aus meiner inzwischen schon genervten Haltung wurde urplötzlich die Bewußtheit vom realen Leiden auf allen Etagen, Einzelschicksale, um das sich ein Vielfaches an weiteren Schicksalen anschloss - um ein Haar hätte ich losgeflennt.

Karma. Entstanden aus Unwissenheit, Gier und Haß: jede Selbstsucht bekommt, was sie in der Vergangenheit verbockt hat, also ver-ur-sacht. Doch das zählt nicht, wenn man mitten im Leid ist und helfen kann. Dann hilft nur ... jetzt war ich dran, wieder etwa 100 Fragen beantworten, bekam eine Mappe ausgehändigt, die ich bei der Blutentnahme vorzulegen hatte, welche ein Stockwerk höher lag, "wie in den Aufzug hinein, so oben heraus. Nicht andere Seite, ist anderes Haus,"
Niemand zu sehen. Klopfen an drei, vier Türen, nichts. Bis eine Reinigungskraft kam und half: sie werden aufgerufen und wenn nicht, da ist Apparat, sie wies mit dem Arm auf denselben, da müssen Knopf drücken und reinsprechen.

Also erst mal warten ... warten ... die Allbarmherzige kam hier an ihre Grenzen, aber, das muß ich schon sagen, die ganzen Schwestern, als auch die Ärzteschaft, schienen Extrareserven zu aktivieren, um den Ansturm an Kranken virenfrei zu managen. Und die meisten Helfenden waren schön, auch wenn man den Mund zur Zeit nicht zu sehen bekommt, so daß umso begehrlichere Funksignale in den Augäpfeln aufblitzen.
Gut, ich ging dann doch zum Apparat, drückte den Knopf und nach einer weiteren Ewigkeit floss das erste Blut aus dem linken Arm.

Danach zur HNO-Ärztin, wieder warten, ... halb so alt, wie ich, dafür doppelt so schön. Ach ja, seufz, es hätte doch damals ...
Dann zurück, dann wieder verzwickter Gang auf neuem Stockwerk zum Narkosearzt. Eine Stunde warten, neuen Fragebogen zwischendrin ausgefüllt, die Brille beschlug weniger, als bei der Ankunft.. Dann kurzes Gespräch, knapp 4 Minuten vielleicht, dann wieder Nasenstation warten, allmählich kannte ich jeden Gang und dann endlich irgendwann durfte ich gehen - um am Sonntagmachmittag dort anzurufen, wann ich am Montagmorgen zur Operation da sein muß. Bis dahin - strengste Quarantäne!

Jedenfalls dachte ich das, bekam jedoch noch abends um 8 den Anruf der HNO-Ärztin mit der Botschaft: "Herr Atzert, es tut mir leid, Sie müssen morgen nochmal kommen, ihre Blutwerte, da stimmt was nicht, der Kaliumwert ist viel zu hoch.
Irgendwie war mir das von Anfang an klar - es konnte nicht anders laufen, das Verdrängte, bzw die Zurückziehung aus falscher Plausibilität musste raus, dh. das Ganze nochmal, nur nichts mehr ausfüllen, nunja, dafür wieder pieksen, das war's dann eigentlich auch mit Quarantäne.

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