Unterwegs

Gedicht zum Thema Suche

von  Lluviagata

Der Tod ist heute wundersamer Laune.
Er schreitet summend über warme Hügel,
am Hut ein Sträußchen flüsternder Alraune,
verdreht sich kurz vor eines Steines Spiegel
und putzt verschmitzt mit munterem Geraune
dem nächsten Engel einfach so die Flügel.

Des Nächtens hielt er Ernte, welche Wonne!
Er schnitt und mähte, löschte ein paar Kerzen,
vergatterte die beinerne Kolonne
wie aufgeräumt, um hie und da zu scherzen.
Er fächelt sich ein Wölkchen vor die Sonne
und ruht ein wenig, pflegt die alten Schmerzen.

Zum Abschied winkt er einmal noch den Linden.
Sie rauschen leise, ohne je zu klagen,
und sehen ihn im nahen Wald verschwinden.
Schon bald ertönt sein emsig lautes Schlagen.
Er eilt sich, um aufs Neue zu befinden
und lässt den Wind die Kunde weiter tragen.

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Kommentare zu diesem Text


 franky (14.08.21)
Hi liebe Llu

Ein eigentlich ernstes Thema, in Leichtigkeit verpackt.
War ein Vergnügen es zu lesen.

Liebe Grüße von Franky

 EkkehartMittelberg (14.08.21)
hallo Llu,

das Gedicht muss gut sein. Die originellen Bilder haben Kommentatoren sprachlos gemacht.

LG
Ekki

 Regina (15.08.21)
Ich weiß nicht, nach der "wundersamen Laune" hatte ich mehr Drama, mehr Ungewöhnliches erwartet. Aber dann kommt ja eigentlich nur die übliche Arbeit, die Gevatter Tod immer verrichtet. Mit dem Gedicht aber kommt man vom individuellen Sterben weg zu einer mehr kollektiven Sicht, das ist gut.

 Willibald (16.08.21)
Motto:

Der Tod kann Rappen und Schimmel reiten
Der Tod kann lächelnd im Tanze schreiten.
Er trommelt laut, er trommelt fein:
Gestorben, gestorben, gestorben muß sein.
Flandern in Not
In Flandern reitet der Tod


"Unterwegs", von Lliuva, das ist ein schöner, interessanter Text. Italowestern hatten als Besonderheit, grausam-brutale Szenen mit schwelgerischer Glissando_Musik zu unterlegen. Das funktionierte ähnlich wie in der Lyrik die harte Fügung

Dieser Begriff ist von Norbert von Hellingrath im Zusammenhang seiner Ausgabe der Pindar-Übersetzungen Hölderlins geprägt worden.

Hellingrath folgt einer Typologie der hellenistischen Rhetorik und unterscheidet eine ἁρμονία αὐστηρά und eine ἁρμονία γλαφυρά, eine harte und eine glatte Fügung. Die Art der Fügung mache sich geltend »durch härte und glätte der fugen zwischen den einzelnen elementen«.85 Die glatte Fügung hat für ihn den Gipfel erreicht in der romantischen Poesie und im Volkslied, wo die Fugen zwischen den Wörtern zugunsten des Zusammenhangs geglättet seien und die Reimzeilen ein gerundetes Gebilde von geschlossenem Stimmungsgehalt darstellen. Sein Musterbeispiel ist Eichendorff. Was eben als Typus der ›schlichten’ Lyrik umschrieben wurde, ist Lyrik der glatten Fügung.

Die harte Fügung hingegen lässt die Fugen sozusagen unverputzt, sie schichtet die Wörter als unbehauene Quader auf. Das große Vorbild ist Pindar, dessen harte Fügung als Wildheit und Regellosigkeit des Genies gedeutet werden konnte. Für die lateinische Dichtung wäre Horaz zu nennen, der freilich selbst nicht an Pindar heranzureichen gestand. Beispiele der harten Fügung in deutscher Dichtung bieten nach Klopstocks Oden der junge Goethe mit einigen Gedichten, Hölderlin, der Rilke der Sonette an Orpheus und der Duineser Elegien, Trakl, Celan, Nelly Sachs.

Stilistische Eigentümlichkeiten der harten Fügung sind tatsächlich nicht (wie bei der glatten Fügung) übergeworfene zusätzliche Regeln, sondern Eigentümlichkeiten, die einen »Zwist grammatischer und ungrammatischer Regelungen«86 bewerkstelligen und das Verständnis erschweren können: Neben den bei Klopstock schon namhaft gemachten Stilistika wären zu nennen: Inversionen, Anakoluthe, Ellipsen, Enallagen, Enjambements, Appositionen, ›lateinische‹ Partizipialkonstruktionen, absolute Komparative, nachgeholte Anreden.
 KARL EIBL Von der Unwahrscheinlichkeit der Lyrik und weshalb es sie trotzdem gibt

Im Italowestern wird durch den Kontrast Musik Geschehen das Schlimme gesteigert und doch gibt es einen gewissen Trost.

Hier im Gedicht läuft eine weiche. volksliedhafte Fügung und ein (gar nicht unbedingt so grauslicher ) Tod samt Aktion durch die Zeilen. Wow.

Es ist zwar ein Lied, das im Dritten Reich auch Furore machte, aber es stammt aus der Wandervogelbewegung und Paul Celan mochte es. Und "Unterwegs" ist ein seltsam tröstliches Todeslied.

Der Tod reit´t auf einem kohlschwarzen Rappen
Er hat eine undurchsichtige Kappen
Wenn Landsknecht´ in das Feld marschieren
Läßt er sein Roß daneben galoppieren
Flandern in Not
In Flandern reitet der Tod

Der Tod reit´t auf einem lichten Schimmel
Schön wie ein Cherubin vom Himmel
Wenn Mädchen ihren Reigen schreiten
Will er mit ihnen im Tanze gleiten
Falalala, falalala…

Der Tod kann auch die Trommel rühren
Du kannst den Wirbel im Herzen spüren
Er trommelt lang, er trommelt laut
Er schlägt auf eine Totenhaut
Flandern in Not
In Flandern reitet der Tod

Als er den ersten Wirbel geschlagen
Da hat´s das Blut vom Herzen getragen
Als er den zweiten Wirbel schlug
Den Landsknecht man zu Grabe trug
Flandern in Not
In Flandern reitet der Tod

Der dritte Wirbel ist so lang gegangen
Bis der Landsknecht von Gott sein´n Segen empfangen
Der dritte Wirbel ist leis und lind
Als wiegt eine Mutter in Schlaf ihr Kind
Falalala, falalala…

Der Tod kann Rappen und Schimmel reiten
Der Tod kann lächelnd im Tanze schreiten.
Er trommelt laut, er trommelt fein:
Gestorben, gestorben, gestorben muß sein.
Flandern in Not
In Flandern reitet der Tod

Text und Musik: Elsa Laura von Wolzogen (1876-1945)
nach einem rheinischen Nonnentanzlied von ca. 1450
in St. Georg Liederbuch deutscher Jugend (1935)

 Rappe, Schimmel, Tod

Kommentar geändert am 16.08.2021 um 18:57 Uhr

 Quoth meinte dazu am 24.08.21:
Toller Kommentar, Willibald, aber er stellt das kommentierte Gedicht (das ich auch bewundere) beinahe in den Schatten! Gruß Quoth

 Quoth antwortete darauf am 24.08.21:
Ergänzung: Meine Lieblingsballade (auch ein wenig Italowestern):

Herr Aage
Herr Aage, wie der reiten kann,
Wie der sitzt auf seinem Pferde,
So sitzt, so reitet kein andrer Mann
Auf dieser dänischen Erde.
Er reitet in die grüne Welt hinein.

Er ritt hinaus bei Morgenrot
Aus seinem marmornen Schlosse,
Es sprang sein Herz, und er war tot
Und saß noch auf seinem Rosse.
Er reitet in die grüne Welt hinein.

Drei Prinzen würfelten wo er ritt
Im Weghaus und hoben die Becher.
Steig ab, Herr Aage, und würfele mit
Und trinke, du tapferer Zecher!
Er reitet in die grüne Welt hinein.

Die Hochzeit zieht wohl über den Plan,
Die Braut im grünen Kranze -
Halt an, Herr Aage, du froher, halt an,
Du Tänzer, komm zum Tanze!
Er reitet in die grüne Welt hinein.

Am Fenster sitzt in Zindel und Seid’
Stolz Elin und weinet bitter:
So kommst du endlich, mein Glück und Leid,
Du schöner, treuloser Ritter!
Er reitet in die grüne Welt hinein.

Die Hochzeit tanzt, die Jungfrau weint,
Die Prinzen würfeln und scherzen,
Die Vöglein singen, die Sonne scheint
Hoch über dem toten Herzen.
Er reitet in die grüne Welt hinein.

Moritz Hartmann
Aus der Sammlung Zeitlosen

 Teichhüpfer (24.08.21)
Das falsche Gesicht sehe ich, die glauben es wäre so, und sehen sich selbst nicht mehr.

Kommentar geändert am 24.08.2021 um 15:33 Uhr

 Willibald (24.08.21)
Hallo, Quoth,

was ist denn das für eine irre Balladenvolksweiseabsurdistangeneriert?

Die unheimliche Faszination etwa bei der Polysemie von "das Herz springt". Sehr anders als Fontane. Aber der Herr Oluf von Herder (Erlkönigs Tochter) spukt da herum.

Gleich geguckt, wer der Moritz der Zeitlosen ist. Mein rationaler Imperativ lässt mich nach einer dänischen Überlieferung mit einem Herrn Aage suchen. Davon unbenommen: Ein splitternder Tagtraum. Jenseits von Historismus.

greetse

 Quoth schrieb daraufhin am 24.08.21:
Bei Bömmes "bricht" das Herz, auch sonst ein paar Änderungen, aber nicht schlecht:
https://music.youtube.com/watch?v=D6-a68qiHYQ
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