November

Erzählung

von  minze

Während sich alles ablegt draußen, beruhige ich mich. Nur so, ohne dabei einen Tee zu trinken, was zu rauchen oder mich abzulenken. Es soll einfach passieren. Die Vögel sehe ich eher aus der Ferne, die Blätter, die liegen, sind nun schwer und nass. Ich trage sie ab wie eine Aufgabe und sie sind alle lebendig. Dass nicht überall etwas Neues startet, zwangsläufig, scheint richtig zu sein. Dass manches auf sein Finale hin ausläuft, ob man es forciert oder zusieht.

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Bei Marco und Emmis Ende greift er zu meiner Hand, ich gehe also mit ihm mit, wir sind jetzt verbundener. Ich war schon bereit und bin dankbar, dass wir miteinander reden. Emmi vergräbt sich in ihre eigenen Fragen und Marco will über alles Mögliche sprechen, er ist es nur nicht gewohnt, also fängt er immer wieder von vorne an. Er sagt Dinge, die eindeutig und schon lange gesagt klingen, nur haben wir sie noch nicht so zueinander gesagt. Alles, was ihm einfällt, zu dem, wie er an die Arbeit geht und was er in der Liebe sucht, eigentlich, das sind die ersten Versuche von Formulierungen, nicht immer treffsicher. Er zählt auf, was Gemeinsamkeiten sind, die wichtig sind, ihre Werte; ihr Einklang. Welche Situationen zum Exit führen. Kein direkter, weil dann die Ablenkung eintritt. Ich merke erst jetzt, dass immer nur ich geredet habe, dass ich einen enormen Vorsprung habe. Wie langsam er spricht. Dass es entspannt ist, zuzuhören. Ich koche neben dem Zuhören Tee, ich schaffe es auch, alle Blumen zu gießen. Eventuell werde ich die Orchideen etwas zu viel gießen oder ich kann mir neue Pflanzen zulegen. Meine Mutter meint, man könne alte Strumpfhosen über den Topf ziehen, damit die Kinder die Erde nicht im Haus verteilen. Ich habe nie Feinstrumpfhosen aufgehoben und ich dehne in Gedanken eine herkömmliche maximal aus, dass sie auch über Palmenkübel gehen, steche ein Loch durch die Mitte und für mich vermischt sich der Geruch vom Schritt und von der Blumenerde. Ich verliere mich etwas darin, was nicht die Aufmerksamkeit schmälert, für Marco. Ich fühle damit auch die Pausen. Ich rede nicht in die Pausen hinein. Er lernt, sie selbst zu füllen. Vielleicht ist es übertrieben, ihm das zuzutrauen, aber er muss liefern. Er muss liefern ohne Ende in der jetzigen Situation; er muss sich freischwimmen würde Andrea sagen.

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Andrea hat mir wieder von der Statue erzählt, die Bennet gehauen hat. Ich wundere mich, warum sie ihn mit Vornamen nennt und darüber vergesse ich den Nachnamen des Künstlers. Aber sie ist eine Weile in der Freiburger Szene unterwegs gewesen und ihr Mann kennt alle und hat sie auch mitgenommen. Ob Bennett allerdings zu ihr oder zu ihrem Mann gehört, weiß ich nicht. Die Statue ist sehr groß, sie stand im Schaufenster. Sie besteht vor allem aus einer kräftigen und schweren Figur, die fest verbunden mit dem Fundament scheint. Sie hat beeindruckende Brüste und um ihren Körper wandeln viele Linien, wie Hände, die sich entlang schlängeln und nach oben ragen, offen, suchend. Aber sie ähneln auch Schlingpflanzen. Bennett erklärte Andrea die Figur, als er selbst ungefähr 30 war, gerade neu Vater. Die dicke Figur, die feste, sei die Frau und die suchenden, filigranen, sich verästelnden Gebilde, das sei der Mann.

Das erste Mal, als Andrea mir davon erzählte, hatte sie es noch auf dem Handy als Bild, mich verwunderte zu der erdigen Beschreibung der tatsächliche weiße Stein. In der Erinnerung, wie sie mir wieder ehrfürchtig davon erzählt, vermischt sich aber mein Bild von der Statue mit dem wahren und mit dem, wie vehement sie es sagt, wie sie es ausführt. Das ist ein Geschenk, was die Frauen haben, also, wie sich zu sich gefunden haben, zum Beispiel nach der Schwangerschaft.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (15.11.21)
Ab "Andrea,,," gefällt mir der Text gut, hat auch einen lustigen Schluss.
Alles davor finde ich nichtssagend, sorry.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 03.12.21 um 15:40:
Ja, davor wird schwammig und kunstvoll "um den heissen Brei" herumgeredet - der Leser erfährt nicht, um was es geht.

 nautilus (21.11.21, 16:04)
Ich finde dein Text liest sich gut und zum Teil sehr verspielt, wenn die Protagonistin beispielsweise ihren Gedanken über Blumenerde und Strümpfe nachhängt. In meinen Augen machen diese Passagen immer die Würze deiner Texte aus. Ich mag diese Art zu schreiben, als ob man in fremden Gedanken verhaftet wäre.

LG nautilus

Kommentar geändert am 21.11.2021 um 16:05 Uhr

 minze antwortete darauf am 21.11.21 um 17:49:
danke dir für dein Feedback, v.a. schön, eines dazu zu bekommen, was für dich mitbestimmend für meine Texte im Allgemeinen ist :)

Antwort geändert am 21.11.2021 um 18:03 Uhr
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