Nachtgeschichte

Kurzgeschichte zum Thema Nacht

von  RainerMScholz

Er liebte die lauen Sommernächte in der Stadt, wenn der Asphalt noch glänzte vom zuvor niedergegangenen Schauerregen und die Luft nach feuchtem Teer roch, dioxinschwanger und chlorophylschwarz. Ungezählte blankpolierte Sterne glänzten am schwarzen Himmel. Er ging ruhig durch die Allee silberner Pappeln zu einem mit geschlossenen Rosenblüten umfriedeten kleinen Platz und zündete sich in der Mitte des kiesgedeckten Rondells eine Zigarette an. Fast gewann er den Eindruck, er befinde sich gar nicht im Zentrum der Behausungen von Abertausenden von Menschen, die hier lebten, arbeiteten, aßen und tranken und sich vermehrten, um dann abermals in Schlaf zu sinken innerhalb ihrer kleinen Zimmer und Räume, um wiederum morgen ihren Beschäftigungen nachgehen zu können. Der gleißende Mond warf sein fahles Licht über die schieferglänzenden Dächer. Er zerdrückte die Zigarette mit der Stiefelspitze im Kiesbett und setzte seinen Weg fort in die schattenblauen Straßenschluchten hinein. Am Ausgang des kleinen Rosenparks begegnete ihm ein Paar, das ineinanderverschlungen auf einer hölzernen Bank mit gegenseitigen Zuwendungen befaßt war. Sie sahen kurz auf, als er vorüberschritt. Er lächelte. Von fern drang leise Musik aus einer geöffneten Kneipentür, Männerlachen verscholl, Gläser klirrten. Ein zarter Windhauch sang wispernd durch das silberne Blattwerk der Äste.
Abermals hielt er inne, um sich eine Zigarette anzuzünden. Sein Streichholzpäckchen war verbraucht und er suchte in seinen Taschen nach einem vielleicht verbliebenen Zündholz. Er sah sich um. Es war niemand auf der Straße zu sehen. Er ging weiter. Das Geräusch seiner Schritte auf dem Asphalt hallte an den leeren Häuserwänden wider. In der rechten Hand drehte er seine kalte Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger. Eine Wolke schob sich vor den Mond und tauchte die Mauern in das gelbe schale Licht der Straßenlaternen.
Als das Mondlicht zurückgekehrt war, stand wie aus dem Nichts ein Mann vor ihm. Er war von untersetzter, gedrungener Gestalt, unscheinbar in seinem Äußeren, einen Hut hatte er in das graue, schwer zu lesende Gesicht gezogen und er trug einen Regenüberwurf. Der Mann jedoch versuchte, offenkundig ebenfalls von seinem plötzlichen Auftauchen überrascht, um ihn herumzugehen, nur das kurze Aufblitzen kleiner tiefliegender Augen verriet seine Verblüffung.
"Entschuldigen sie bitte, hätten sie vielleicht Feuer für mich?".
Der Mann sah an sich herab und griff dann unschlüssig, nachdem er die dünne Aktentasche zwischen Arm und Körper geklemmt hatte, in seine Manteltasche, in der anderen Hand hielt er einen zusammengeklappten Regenschirm.
Die Messerklinge blitzte kurz auf im silbernen Licht. Er drückte den Hinterkopf des Mannes nach unten auf die Brust. Sein Hut rollte hinunter in den Rinnstein, Papiere, weiße Blätter, eine leere Brotdose entleerten sich aus der Aktentasche. Ein rascher Schnitt öffnete die Halsschlagader. Blut schoß aus der zerschnittenen Kehle und benetzte den Asphalt. Der Mann presste kraftlos die Hand auf die überquellende Wunde und starrte in den dunklen Himmel. Er röchelte. Sein Gesicht schien bleich. Der Kontrast zur frischen Röte des Blutes verursachte diese Bleiche. Und dass sein Blut aus dem Körper entwich. Dann war er tot. Ganz langsam war der Mann auf die Seite gefallen, hatte sich mit der linken Hand versucht abzustützen und war dann zu Boden gesunken. Seine Finger unklammerten noch den Hals.
Er  wischte die Klinge ab, klappte das Messer zu und steckte es ein. Dann rollte er die Leiche herum. Er griff in die Manteltasche und fand ein Päckchen Streichhölzer. Es war noch halbvoll. Der Name einer Bar stand auf dem Päckchen. Er zündete die Zigarette an. Er kannte den Namen der Bar. Er würde dort hingehen. Es war nicht weit. 


(c) Rainer M. Scholz


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Kommentare zu diesem Text


 mannemvorne (09.02.22, 22:18)
°
———__—-> „Caementu`mori“

Gute ! Nacht
Geschichte
 _____________________Last Delicious  sigarette
Grußdazzu
mv


Sack Zement! 

 RainerMScholz meinte dazu am 10.02.22 um 14:40:
Besser Sack Zement als Sack übern Kopf.
Gruß + Dank,
R.
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