reime zur ZEIT und ihrem ZAHN aus der verseschmiede mit HORRORVISION HEIM

Gedicht zum Thema Zeit

von  harzgebirgler


es ist die zeit ein nagetier:
ihr zahn der nagt an dir und mir
da kannst du machen wirklich nichts
du träger des vernünft’gen lichts
bist ausgeliefert diesem zahn
und ihm im leben untertan...
der zahn der zeit muß endlich raus
aus dem gebiß vom weltenhaus
der nagt und nagt und beißt und beißt
und geht uns allen auf den geist:
wenn der mal nicht mehr beißt und nagt
was unentwegt gott seis geklagt


ja nun passiert seit eh und je
 [- das teil tat schon dem adam weh
und eva die ihn kosten ließ
vom apfel einst im paradies
das kostete unsterblichkeit
und fortan nagte sie die zeit
mit ihrem wirklich üblen zahn
an jeder ahnin jedem ahn -]
 blieb’ alles quasi frisch und neu
mensch dächt’ ans altern ohne scheu
denn alter gäb’ es einfach nicht
tod blies’ nicht aus des lebens licht


[- für böse freilich müßt’ er her
sonst ängstigt’ die rein gar nichts mehr! -]
ich weiß auch schon welch ein dentist
 im zeitzahnziehen meister ist
doch plapper ich den hier nicht aus
- im wurzelziehen wärs wohl gauß! -
behalt den namen schön für mich
weil ich ja weiß : das ärgert dich
und ärgern tu ich dich zu gern
weil mich zu ärgern liegt mir fern...

...auch der haifisch der hat zähne
dito zähne hat der leu

reißzahn unter löwenmähne
mgm brecht meiner treu!
ach des bertolts mackie messer
zeitzahn kann das alles besser
logo metro goldwyn mayer
dacht als kind mir schon auweia
zähne gibts da staunst du nur
in der tierischen natur


sollte man wohlweislich meiden
um nicht bißwund’ zu erleiden -
an der zeit ihr angesicht
mit dem zahn dacht ich noch nicht...
ja wer mag das schon begreifen :
licht erblicken wir und reifen
und wir werden dann gepflückt
voll vom lebensbaum - verrückt!

ES NAGT DER ZAHN DER ZEIT AM KIND

JA AUCH SCHON SEIT WIR MENSCHEN SIND

DAGEGEN HILFT NUN KEIN DENTIST

SELBST WENN DU SELBER EINER BIST

VON GROSSER KUNST MIT PROFESSUR

DENN STERBLICH SEIN IST MENSCHS NATUR!


**


man müsste heute manchen zähne ziehen
die meinen sie wär’n dichter oder so
vermessenheit ist längst schon weit gediehen
kaum fragt das mittelmaß je nach niveau

wobei niveau nur erst mal heißt : sich drehen
beständig nicht um sich bloß bei gott nein
dem anschein nach mag mensch im zentrum stehen
doch kann er dank des denkens mensch nur sein

was eines ist mit sprache und mit sprechen
ja dergestalt wird welt ihm offenbar
vermag zu scheiden guttat von verbrechen

wie sein von schein und trug von dem was wahr
doch eitel tut er sich im ich meist sonnen
und ist sich selbst die höchste aller wonnen
 
*
im vorfeld wär’ der zeit ihr zahn zu ziehen
der nagt seitdem wir sind an mark und bein
dem nagen kann was ist nie je entfliehen
da müßte es die zeit schon selber sein

die altert nie und bleibt selbst im vergehen
beständig strömt heran sie und vergeht
in diesem strom ist lebendes am stehen
und es vergeht indem es in ihm steht

den zahn der zeit zu ziehen vermag keiner
es gilt drum ihn als zahn zu akzeptier’n
dadurch wird seine nagerei kaum kleiner

doch gehts dem mensch nicht mehr so an die nier’n
denn existenz ist zeitlos nicht zu finden
insofern muß was existiert auch schwinden
 
*
im grunde kommt die eitelkeit aus trauer
waidwund spreizt sich das menschlein pfauig auf
der mensch ist über sein vergehen sauer
ihn schmerzt das ende einst vom lebenslauf

drum läßt er echt die sau raus hier auf erden
was ihm ja eh auf erden nur gelingt
will bleibsversessen erdes meister werden
egal ob die ihn irgendwann verschlingt

herr nietzsche nannte das den geist der rache
des willens widerwille gegen zeit
der menschen all gebaren und gemache

nichts weiter als „!WIR WOLLEN BLEIBEN!“ schreit
ob gott den schrei noch hört steht in den sternen -
er tat sich auch von uns längst schon entfernen...
 
 
EIN KINDLEIN KOMMT ZUR WELT UND SIEHE DA:
DIE ZEIT IST IHM VON ANFANG AN SO NAH
WIE SONST WOHL NICHTS - SIE IST DES DASEINS QUELLE UND RÜCKT IHM ERST AM ENDE VON DER PELLE BEKÖSTIGT ES DERWEIL HÄLT’S FROH AM LEBEN DES WEGE SONNBESTRAHLT GERN HINAN STREBEN


***

HORRORVISION HEIM

Ein Kasseler Einfamilienhaus -
dort löscht ein Greis drei Leben aus:
Das seiner Frau, sehr alt wie er,
und auch die Tochter lebt nicht mehr;
der alte Mann gab sich zum Schluß
mit eigner Hand den Todesschuß.
Warum, weshalb, aus welchem Grund?:
Die Tochter heißts war nicht gesund
mental; die Eltern, fürsorglich,
ließen ihr Kind wohl nie im Stich,
das ja mit fünfundfünfzig Jahr’
selbst ebenfalls schon älter war:
Jahrzehntelanges Pflegen, Kümmern;
Besorgungswege, die verschlimmern
im Alter sich, wenn Kräfte schwinden -
oft läßt sich da kein Ausweg finden,
der nicht ins Heim führt, auf Station -
da leb dein Leben dann und wohn!
Auch ambulant statt stationär
trifft häufig wohl auf Gegenwehr:
Abhängigkeit von fremden Leuten
kann für so Alte Scham bedeuten
die mancher eben nicht erträgt
und dann schon Exitus erwägt...
 
Verlust der eigenen vier Wände
Verlust der Kraft der eignen Hände
Verlust vielleicht der Geisteskraft
wie ihn Demenz nicht selten schafft
das stellte für die zwei fürwahr
ein riesiges Dilemma dar:
Wird man gebrechlich, gar dement,
daß einer sich kaum selbst mehr kennt,
und will doch sorgen für ein Kind,
weil Eltern meist nun mal so sind,
es nicht in welche Heime geben
und selbst auch nicht in Heimen leben
wo es nach Pisse stinkt und Tod
und geldgeiles Gespare droht
an Aufwand Personal und Zeit
das eigentlich zum Himmel schreit
wo Horror in den Fluren lauert
Dekubitus im Laken kauert
Pillen Windeln und Katheter
Maßregeln bei Rumgezeter
wo Respekt auf der Strecke bleibt
Profitgier kühl die Rechnung schreibt
die immer höher wird und steigt
je mehr zum Tod sich Leben neigt...
 
Alte Menschen sind nicht dumm
hören viel und hörn sich um
wissen daß wenn der Leib rostet
Pflege eine Menge kostet
und zuletzt sogar das Leben
so was solls in Heimen geben
in so Deponien für Alte
wo im Grunde nur der kalte
Abendhauch das Herz gefriert
und Entsorgungskunst gebiert...
 
...es überstieg zuletzt die Kraft
der beiden, die ja vieles schafft,
solange noch die Kräfte reichen;
doch wenn dieselben stetig weichen,
reift wohl bisweilen der Entschluß,
daß man das jetzt beenden muß -
der Kasseler Greis hat das erkannt
und nahm das Schicksal in die Hand...
 
(5/2011)



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Kommentare zu diesem Text


 franky (20.04.22, 10:52)
„wo Respekt auf der Strecke bleibt
Profitgier kühl die Rechnung schreibt

 
Hi lieber Henning
Da bist Du hautnah an der Realität.
Habe alles mit Respekt gelesen.
 
Grüße von Franky

 harzgebirgler meinte dazu am 20.04.22 um 11:19:
hi lieber franky,

was da hinter den kulissen
abgeht mag man fast nicht wissen -
gemolken werden bis zum tod
ist aber das was vielen droht
wie nutzvieh sozusagen
nutzlos scheint drob zu klagen.

besten dank & gruß
henning
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