„Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache. Sie bestimmt die Sehnsucht danach, und die Entfremdung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten und leichtesten, wenn auch am leisesten vor sich. “ (WILHELM VON HUMBOLDT)
"die sprache ist das haus des seins" *-
behausenderer gibt es keins -
"kein ding sei wo das wort gebricht"**
so sagte einst wer im gedicht!
*Heidegger
**Stefan George
*
angefacht einst leib und seele
mensch steht auf zuinnerst weit
feuer in uns brenne schwele
flamme der ergriffenheit
züngelt schmiegsam über ränder
kommt zu wort erglüht im blick
wesen lehnt am sprachgeländer
spricht entsprechend dem geschick
bilder streifen schön durch räume
boden wankt und decke bebt
wände tränken wilde träume
sehnsucht (w)irr um fenster schwebt
hand oft scheu mag gerne greifen
herz gefasstes sinkt oft hin
viel am baum des lebens reifen
früchte reich an reiz und sinn...
*
die sprache spricht den menschen an...
und sagt zu ihm: „du tor,
wie kommst du dir so eloquent
doch mich beherrschend vor!
ich bin's vielmehr dem du verdankst
was du im wesen bist
oder hast du in echt gedacht
daß es umgekehrt ist?!“
die sprache spricht den menschen an
fast wie wer licht anmacht
weil er dank ihr nur der sein kann
der alles nimmt in acht *
entspricht er ihrem anspruch nicht,
auf ihn zu hör'n zu taub,
verfehlt er wozu er bestimmt
und wird des irr-sinns raub
* „Μελέτη τὸ πᾶν” - “Nimm in die Acht das Ganze als Ganzes“ (Periander von Korinth)
*
es schilderte einst im DECAMERONE
boccaccio das leben seiner zeit
manch eine episode ist nicht ohne
was leser ja bis heute weltweit freut
ein wort taucht darin auf zum ersten male
bis dato ist echt unklar woher's stammt
die sache braucht marinearsenale
und wasser unterm kiel eh insgesamt
"fregata" heißt das wort zu deutsch "fregatte"
hat noch mit "alten schachteln" nichts zu tun
obwohl man schachteln bereits damals hatte
doch kaum mit stützstrumpf und gesundheitsschuh'n -
heut' nennt man kleinste kriegsschiffe "fregatten"
und schützte die einstmals mit panzerplatten...
*
wir lassen uns doch kein’ vom pferd erzählen
von wegen sprache spräche nicht und so
wir brauchen nur ein grundwörtchen zu wählen
wie VORSTELLUNG dann liegt da drin schon SHOW
die ganze welt ist längst zur bühn’ verkommen
wo jeder (s)eine schau macht - nichts ist echt
und keiner fühlt sich dabei groß beklommen
es ähnelt wie vorm spiegel dem gefecht
der mensch stellt dinge vor sich nach belieben
kein ding erscheint als das noch was es ist
mensch ist die weltkulisse schön am schieben
wobei er längst das seins total vergißt:
ja seinsvergessenheit heißt "seine" wunde
und die ist auch mit wichtigtun im bunde...
*
so buchmacher die machen keine bücher *)
obwohl das wort es jedem suggeriert
denn tuchmacher die machen schließlich tücher
und niemand wird in dem fall nasgeführt
doch buchmacher die kümmern sich um wetten
vermitteln welche bieten welche an
und wetten führen oft zu ziemlich fetten
gewinnen ja für den der wetten kann
dabei muss aber einer richtig liegen
zum beispiel welches pferd das rennen macht
sonst wird er kaum so richtig kohle kriegen
oft ist es auch fortuna die ihm lacht...
*) verleger heissen die die bücher machen
doch wenn ein solcher mal ein buch verlegt
samt brille ist das durchaus nicht zum lachen
dann kann es sein dass sich echt unmut regt...
*
DIOGENES
bedürfnislosigkeit war sein programm
weshalb zum wohnsitz er die tonne nahm
ward nicht zuletzt drum "kyniker" genannt
und ist als solcher nach wie vor bekannt -
das wort "zynismus" kommt sogar daher
doch es bedeutet einst'ges heut' nicht mehr
ps
man wickelt menschen ein und um den finger
doch sind die's machen selten freudenbringer
besonders unerfreulich ist dann meist
dass die nicht mal gross ihr gewissen beisst
vom beissen kommt man schnell ja auf die hunde
mit denen sind so zyniker im bunde
als deren einer einst diog'nes galt
doch änderte worts auslegung sich bald...
**
wir flechten jetzt aus schuppen einmal zöpfe -
so in gedanken macht sich das ganz leicht
als zierde für vielleicht zylinderköpfe
denen auch rennsportmässig keiner gleicht
da gibt es köpfe mit sehr viel zylindern
die lassen den motor echt mächtig röhr’n
und herzen selbst von schulpflichtigen kindern
höher schlagen wenn sie ihn röhren hör’n
hängt dann daran ein schuppenzopf geflochten
wie einst ein fuchsschwanz an der mantantenn’
den wahre fans natürlich immer mochten
macht das richtig furore denn der fan
fährt ja voll ab auf abgefahr’ne sachen
die fahrspaß erst zu einem solchen machen!...
*
...ihr saht die saat nur sehen ist nicht säen -
die sprache spricht doch immer wieder schön:
wenn winde wehen und so schiffe gehen
geh’n die kaum zu fuß über chausseen
und schuppen sind weiß gott nun nicht gleich schuppen
worin im garten so geräte sind
oft findet man in bootsschuppen schaluppen
der’n segel blähen sich voll gern im wind
in schuppen sind zudem auch loks am locken
und schuppen findet man im lockenhaar
oft viel - da bist du echt voll von den socken
weil schuppenlos die kopfhaut lange war -
mit schuppen jedenfalls ist nicht zu spaßen
und tauchen längst geflochten auf in massen...
**
DICHTE MAL!
Wir brauchen keine ZAUBERFEE
um dort zu sein: Am WÖRTERSEE
und fahren mit dem WÖRTERSCHIFF
gekonnt um manches RECHTSCHREIBRIFF
werfen auch Wörter über BORD
und wählen uns das Wörtchen "WORT"...
darauf zum Beispiel reimt sich HORT
wenn du nicht weißt was ein Hort IST
hör zu damit dus nicht VERGISST:
Da gehen Kinder morgens HIN
und haben Spiel und Spaß im SINN
aus dem gehn Kinder abends FORT
den ganzen Tag warn sie oft DORT
tobten herum und aßen AUCH
füllten sich ihren kleinen BAUCH
mit Essen was den Kindern SCHMECKT
danach wird der Tisch ABGEDECKT
und aufi gehts zur MITTAGSRUH
das Kindchen macht die Äuglein ZU
schläft vielleicht für ein zwei STUNDEN
zwecks erneuter SPIELERUNDEN
bis es heißt der Hort ist AUS
und die Kinder gehn nach HAUS...
Dichten wie du siehst ist LEICHT
vorausgesetzt dein Wortschatz REICHT
[der Schatz ist wertvoller als GOLD
selbst wenn man ihm kaum Achtung ZOLLT]
und klar doch auch die PHANTASIE
weil ohne sie gelingt es NIE -
nur sie verleiht dem Herzen SCHWINGEN
die es zu tollen Ufern BRINGEN
wohin kein Schiff auf Erden FÄHRT
und das ist gar nicht so VERKEHRT...
Fang gleich mal an mach ein GEDICHT
denn allzu schwer ists wirklich NICHT!
*
ein dichter stieg hinab zur quelle
und spähte auf der sprache grund
dort schwamm vergnügt das wort FORELLE
prompt wurde wäss'rig ihm der mund
ja es erschien vor seinen blicken
das fischlein welches er gern aß
und zeigte sich ihm voll entzücken
daß er des wortes fast vergaß
den fisch mocht er so gerne essen
FORELLE blau echt wunderbar
da konnt'st du müllerin vergessen
so delikat wie jene war
da braucht man auch zu keine noten
wie schubert einst so schöne schrieb
dito na klar null pfefferschoten
und kaum einmal ein nudelsieb...
*
„die sprache ist mir wunderbar erschienen“
sprach ed zu ben „und sprach mich total an
das zeige ihr sprach sie zu mir mein mienen-
spiel was man nur als freudig deuten kann
denn nichts spricht mich ja mehr an als die sprache
wie könnte das auch jemals anders sein
ist sie doch unsres wesens wohngemache
und geist fällt durch des fenster in uns ein!“
„sie hat uns mehr“ sprach ben „als wir sie haben
und waltet selbst wenn was sie uns verschlägt
wobei sie auch der schriften buchenstaben
ermöglicht erst und alles schreiben trägt -
die sprache spricht uns an bloß wir entsprechen
dem anspruch eher kaum und radebrechen!“...
*
das tolle an der sprache sind die worte
du sagst zum beispiel MIST und weißt sofort
es geht auf keinen fall um sahnetorte
doch fällt die runter stimmt wieder das wort
das eine ist meist faktisch wie der HAUFEN
das andere meint übertragen mist
dann ist etwas nicht wunschgemäss gelaufen
worüber du mit recht verärgert bist
das wort mist läßt ihn schön vor dir erscheinen
da liegt der haufen ganz korrekt benannt
und mist so würde ich zumindest meinen
gibts täglich mannigfach im ganzen land
ein feld zu düngen mag kaum mit gelingen
obwohl meist ärsche den zuwege bringen...
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