Frauenpower

Kurzgeschichte zum Thema Grenzen/ Grenzen überschreiten

von  Elisabeth

Ageea war sehr überrascht, in dem Stapel der Petitionen, die sie durcharbeitete, Eena Kargas Bitte um eine Privataudienz zu finden. Hatte die Frau durch ihr Verhalten auf dem Frühlingsball etwa Probleme bekommen? Schließlich war sie eine der ersten gewesen, die mit der Königin Front gegen die Moderebellinnen gemacht hatte. Die Frau war Ageea sehr sympathisch und wenn sie irgendetwas für sie oder ihre Familie tun konnte, wollte sie das tun. Den Wunsch nach einer Audienz würde sie selbstverständlich gewähren.

*


Eena Karga sah zufrieden und selbstbewußt aus wie immer, als sie von der Königin im Kleinen Audienzzimmer empfangen wurde. Die stattliche Matrone machte einen angemessenen aber keineswegs formvollendeten Hofknicks und ließ sich dann in den Sessel plumpsen, den Ageea ihr anwies.

Ageea konnte sich lebhaft vorstellen, daß Eena Karga als Kind ebenso für ihre linkischen Bewegungen und Tollpatschigkeit getadelt und gehänselt worden war, wie sie selbst. Das sorgte bei der Königin für ein angenehm warmes Gefühl der Verbundenheit mit der älteren Frau.

"Eure Majestät sind zu freundlich mir die Audienz so schnell zu gewähren", begann Eena Karga, nachdem Ageea sie mit einer Handbewegung zum Sprechen aufgefordert hatte.

"Was führt Euch zu mir, liebe Eena Karga?" gab Ageea zurück. Große Probleme, die Eile notwendig gemacht hätten, schien sie nicht zu haben.

"Euer Majestät, ich komme mit einer recht ungewöhnlichen Bitte... richtiger einem Vorschlag zu Euch." Die Matrone sah sich wie beiläufig nach allen Seiten um. "Ein Vorschlag, der die Sicherheit Eurer Person betrifft, Euer Majestät", fuhr sie dann in gedämpfterem Tonfall fort.

"Hla Mu'iika sorgt ganz vortrefflich für die Sicherheit meiner Person", wandte Ageea ein. Zur Zeit stand er vor der einzigen Tür zum Kleinen Audienzzimmer, es gab keine geheimen Verstecke in den Wänden dieses Raumes und durch ein Fenster hätte es allenfalls ein Vogel geschafft. Selbst ihr geliebter Oberbefehlshaber der Leibwache war der Meinung gewesen, daß hier außer von einem Besucher keine Gefahr drohen konnte.

Ageeas Einwurf hatte Eena Karga anscheinend den Mut genommen. "Ihr könnt frei sprechen", ermunterte sie daher die Frau zum Weitersprechen.

"Meine Königin, Euer Majestät, auf dem Frühlingsball waren einige besorgniserregende Bemerkungen zu hören. Gerade der Hochadel, selbst Angehörige der Mitglieder des Hofrates haben sich teilweise sehr abschätzig über die Frühlingsmode und sogar über Eure Person geäußert", begann Eena nun langsam.

Ageea nickte traurig. Sie hatte sogar allen Grund anzunehmen, daß gewisse Mitglieder des Hofrates es nicht bei abschätzigen Bemerkungen über die Königin bewenden ließen, sondern Ageea lieber tot als auf dem Thron sahen. Nur leider hatten Hla Mu'iikas Nachforschungen noch immer keine konkreten Hinweise über die Auftraggeber hinter den Attentaten ans Licht gebracht.

Die Gedanken der Königin schienen sich in ihrem Gesicht widerzuspiegeln, denn Eena fuhr fort: "Wie es scheint, werden ja auch die Drahtzieher der Attentate durch das Verhalten des Hochadels ermutigt. Daß es selbst in der staatstragenden Schicht Anudaphiens Waagenversteller und Falschmünzer... bitte entschuldigt meine Sprache, Euer Majestät." Eenas gerechter Zorn entlud sich außerdem in roten Flecken auf ihren Wangen und Ohren.

"Leider habt Ihr ganz recht", versuchte Ageea ihren Gast zu beruhigen. "Und was ist nun Euer Vorschlag? Habt Ihr das Allheilmittel für mein Autoritätsproblem gefunden?"

Eena nickte. "Vielleicht schon."

"Aber Hla Mu'iika..."

"Nichts für ungut, Euer Majestät", unterbrach Eena die Königin eifrig. "Aber Euer Feuerwesen ist nicht gerade unauffällig - und ebenso auch wenig beliebt. Ein Schwätzchen hält niemand mit ihm, viele Informationsquellen bleiben ihm daher verschlossen."

"Das ist nur zu wahr."

"Mein Vorschlag, richtiger der Vorschlag von mir und fünf meiner Cousinen, die ebenfalls auf dem Ball zugegen waren, ist folgender: wir hören uns unauffällig für Euch um und sammeln alles an Hinweisen über respektloses Verhalten Euch gegenüber. So könnt Ihr es schnell ahnden oder Gegenmaßnahmen ergreifen. Eure Augen und Ohren werden wortwörtlich bei allem in Anudaphien zugegen sein."

Ageea hörte staunend zu und Eena kam nun richtig in Fahrt.

"Die Zofe meiner ältesten Tochter Ineea ist eine Cousine der Zofe von Tabija Ulés, die nach ihrem Verhalten beim Frühlingsball zu urteilen eine der Wortführerinnen Eurer unwilligen Untertanen ist. Über diesen Kanal werden wir sicher wertvolle Informationen sammeln können und sind so bei nächster Gelegenheit gegen ähnlich hässliche Vorhaben wie den Modeboykott gewappnet.

Und das ist nur eine unserer Verbindungen zu den Haushalten des Hochadels. So ist der Hausarzt der Familie Fja der Gatte meiner Cousine Adimeea - nach ihr habe ich übrigends meine jüngste Tochter benannt, die ja die Freude hatte, Euch persönlich kennenlernen zu dürfen. Und..."

"Ich denke, ich kann mir jetzt ein Bild machen", schnitt Ageea - nicht unfreundlich - den Wortschwall ab. "Es stehen Euch also reichhaltige und unauffällige Quellen der Informationsgewinnung zur Verfügung."

"Sie stehen EUCH voll und ganz zur Verfügung, Euer Majestät", beeilte Eena sich einzuwerfen und setzte zuversichtlich hinzu: "Und wenn wir es geschickt anstellen werden wir außerdem in spätestens einer Woche wissen, wer die Attentäter beauftragt hat."

"Da könntet Ihr sogar recht haben." Ageea lächelte. Der Gedanke, über einen wirklich eigenen Geheimdienst zu verfügen - unabhängig von General Karfi Fja, an dessen Treue ihr gegenüber sie starke Zweifel hatte - gefiel ihr gut. Und angesichts des spontanen Loyalitätsbeweises der Frauen während des Frühlingsballs war Ageea geneigt, ihnen die Gelegenheit zu geben, sich zu beweisen.

Schließlich hatte sie nichts zu verlieren.

* * *




Anmerkung von Elisabeth:

2006, als kleine Nebengeschichte zum Fantasyroman meiner Freundin 'any' entstanden (natürlich mit ihrer Erlaubnis), der zunächst 'Eskapismus' hieß und nach einer Überarbeitung 'Die Amazonen von Ayama'. Tatsächlich wirkte die Welt dieses Fantasyromanes bei der mehrfachen Lektüre (unter anderem als Korrekturleserin beider Versionen) auf mich sehr antik, mit nur wenigen eher mittelalterlichen Elementen und einigen ungewöhnlichen, nichtmenschlichen Fantasyvölkern.

Anudaphien ist ein Königreich aus anys Phantasie, ebenso die Königin Ageea (als einziges Kind des verstorbenen Vorgängerkönigs plötzlich anstelle eines für sie vorgesehenen Gatten an der Spitze des Reiches), die meisten anderen genannten Personen und die Geschehnisse, auf die sich meine Story bezieht.
Von mir ist die geschriebene Szene und die Idee dazu.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (16.11.23, 17:31)
Die Frauenpower wird bestimmt ihr Ziel erreichen, Elisabeth.

Liebe Grüße
Ekki

 Elisabeth meinte dazu am 16.11.23 um 18:58:
Lieber Ekki,

ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar.

Tja, unter dem Radar werden die Damen bestimmt Erfolg haben, da bin ich auch sicher.

Liebe Grüße von Bettina
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