Hungry

Zu meinem Körper hatte ich schon immer ein distantiertes Verhältnis. Wie sich Hunger anfühlt, habe ich erst sehr spät gemerkt, da war ich schon über zwanzig. Ich bekam als Kind nie das Essen, das mir schmeckte. Als kleines Kind wurde ich am Tisch festgehalten, wenn ich meinen Teller nicht leer gegessen hatte. Buttermilchsuppe mit Klößen, eine Tortur. Brotsuppe, mit Schwarzbrot und Buttermilch, schauder. Sah aus und schmeckte wie Kotze. Aber ich musste aufessen, oft saß ich stundenlang am Tisch und durfte nicht aufstehen. Häufig gab es am Sonntag Bratwurst, die mochte ich gern, aber ich musste sie mit meinem Bruder teilen. Die halbe Wurst fand ich zu wenig. Ansonsten gab es viel Kohlgemüse, Erbsensuppe, Bohnensuppe und Linsensuppe. Ich bekam davon Bauchschmerzen und Luft im Bauch. Pupsen war aber verboten in meiner Familie. Milch mochte ich überhaupt nicht, doch meine Brüder feierten wahre Milchexzesse, Sie wurden allerdings auch größer als ich. Bei mir wurde später eine Lactoseintoleranz diagnostiziert. Ich ekelte mich zu Tode vor Quark, saurer Milch (Dicke Milch, die auf dem Schrank gezüchtet wurde) und saurer Sahne. Vor Joghurt schüttelte ich mich. Am liebsten wäre ich magersüchtig gewesen, das funktionierte aber auch nicht. Nach einer bestimmten Sorte Antibabypillen bekam ich Fressattacken und nahm innerhalb einer Woche 5 Kilogramm zu. Es dauerte ein Jahr, bis ich wieder mein Normgewicht zurück hatte.