Lila Blüten im Schnee

Gedicht

von  Redux

als das märchen seinen anfang nahm

war das wetter wichtig bis entscheidend

im april und auch im september

wenn die saat ins feld gebracht wurde

im sommer wenn polternd ein fuder stroh

vor dem drohenden gewitter in die scheune schaukelte

zwischendurch erklärten sie mir gut und böse

oben über den wolken war der himmel

in dem man kam wenn man einst sterben musste

und nur die lieben menschen

zu denen man sich und alle anderen der familie

zweifellos zählte irgendwann eintreten würden

dort wohnten gott die engel die apostel und die mutter maria

unten in der erde war die hölle und der teufel

und alle menschen die böse waren oder nicht glaubten

als der opa eines tages anfang märz nicht mehr war

fuhr er was keiner gesehen hatte aber dennoch jeder wusste

in den himmel auf der wolkenverhangen graute

erdbeben gab es in afrika und übersee und auch kriege

in indochina und bei den schwarzen

mörder gab es nur in den ganz fernen städten

und nackte die sich umarmten verschwanden

wenn flugs der fernsehkanal deren drei es damals gab

übersprungen und umgestellt wurde

babys kamen weil gott sie den müttern schenkte

im sommer brannte die sonne und im winter fiel schnee

und samstagnachmittags wurde der hofplatz gefegt

und damit der fall in das ungewisse land der fragezeichen verhindert

eines morgens mitten in einem pochenden frühling

nach tagen frühen sommers

zwischen wild keimenden knospen aus äckern und zweigen

zog über den atlantik und der nahen nordsee

eine schlechtwetterfront aus hagel und schneeregen zu uns

und nach unruhiger nacht

öffnete sich des morgens das märchen aus schein und sein

zweier ineinander geschichteter bilder verschiedener zeiten

lila blüten lugten aus dem schnee

und ich starrte in eine welt der unwägbarkeit

das märchen war aufgebrochen

und aus der gravur millionenfacher isobaren

blinkte ein fetzen licht.



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (26.01.24, 05:22)
Sehr gute Farbauswahl, Herr Bert,

steht Lila in ihrem Symbolwert doch für Intelligenz, Spiritualität und Transformation, die "Fetzen an Licht", die unser Leben durchdringen können, wenn alles gut läuft ... 8-) 

Für mich ein formidables Gedicht.

 Dieter Wal (26.01.24, 12:18)
Erfreulich groß(-artiges) Lyrikschnitzel. Wie schön, dass nicht nur unsere Omas und Opas für Rechts kV mit braunem Gesumms überschütten, sondern auch ernsthafte Autoren absolut lesenwerte Texte bringen!
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