Es ist vorbei

Monolog zum Thema Zeit

von  Terminator

Stop bitching about season 2! "Aber sie verbringen ganze 12 Folgen auf dieser Farm!" Und in den nächsten 12 Folgen wird die große weite Welt erforscht, die Geschichte vorangetreben, die Charaktere werden komplexer, die Spannung höher? Tut mir leid, aber die nächsten 24 (!) Folgen werden am selben Ort verbracht, die Charaktere werden vereinfacht und stumpfen ab, genau wie der Zuschauer mit der ins Absurde gesteigerten Brutalität, wobei die Entscheidungen und Ereignisse immer weniger Konsequenzen haben, so dass die zwar immer noch unterhaltsame Handlung immer mehr ermüdet, und erst nachdem sich die Gruppe zerstreut, fängt die Geschichte, auf einem niedrigeren Niveau, wieder an, interessant zu werden. Warum ist das relevant? Weil Rick, Shane, Andrea, Glenn usw. zwar fiktive, aber immer noch Personen sind, während du, real life NPC, zwar real, aber keineswegs echt bist. Der fällige Paradigmenwechsel ist von real (existent) zu echt (wirklich). Ich wette, allein in Frank Darabonts Kopf sind mehr echte Menschen zu finden als derzeit auf der ganzen Erde.


Der Wille (introvertierte Intuition) war es, der am 7.7.2022 mich als apollinischen Mann konstituierte. Der heroische Mensch ist bloß besser als andere, ein Vorbild, ein Held, ein Ideal, das andere Menschen anstreben können. Zum asketischen Menschen verhält sich das gewöhnliche Menschlein wie ein Affe oder ein Hund, da ist keine nontriviale Kommunikation mehr möglich. Für den apollinischen Menschen ist der real life NPC wie eine Ameise oder eine Amöbe. Mit Verstand und Vernunft (extravertiertes Denken) begriff ich mich im März 2023 auf rationale Weise als Übermensch. Und gerade aufgrund dieser Distanz zu den "normalen Menschen" habe ich mich im Sommer anderen Menschen geöffnet wie nie. Empathie bis zur Erschöpfung. Verständnis, Menschenliebe usw. Im Herbst wurde meine menschenfreundliche Einstellung bestätigt. Nein, nicht durch Lebenserfahrung: durch ein Buch. Zeitgleich zeigte mir einerseits Rutger Bregman, dass der Mensch "im Grunde gut" sei, und die Lebenserfahrung, dass Wohlwollen, Güte usw. entweder manipulativ missbraucht oder absichtlich missverstanden werden. Letztlich haben die anderen in mir, einem reinen Spiegel, nur sich selbst gesehen, und das war ein hässlicher Anblick.


Egal. Auf meiner Europareise in der ersten Oktoberhälfte, als Budapest, Rom, Maastricht und Brügge schon hinter mir lagen, dachte ich auf der Fahrt nach Brüssel, dass das bisher verachtete Paris nun in der Nähe lag, und es auch für mich dort etwas zu sehen gab: nein, ich fuhr nicht als Tourist nach Paris. Mich zog es an einen Nicht-Ort, der, ohne dass ich wusste, wo das überhaupt war, im August 2012, als ich mich zum letzten Mal romantisch verliebte (in ein Mädchen, das ist, aber nicht existiert), auf meinem Desktop war. Ich sah diesen spirituellen Bahnhof in eine andere Welt nach dem Aufwachen und vor dem Einschlafen, und erst Jahre später, beiläufig, wurde mir klar, dass es La Defense in Paris war. Also fuhr ich hin. Am 14.10.2023, späten vormittags, war es dort fast menschenleer. Jetzt sackte es auch emotional (im introvertierten Fühlen), dass ich zum apollinischen Mann geworden war. Ich fühlte es und zog mich im Winter in die totale Introversion zurück, sprach nur kurz und funktional mit anderen Menschen. Im Januar 2024 sickerte das apollinische Wesen auch zu meiner letzten kognitiven Funktion durch (extravertierte Sinnlichkeit). Seitdem bin ich mit dieser Welt fertig und es gibt für mich nur das Jetzt. Ich habe in kurzer Zeit viel erkannt. Doch mit wem soll ich es teilen? Wer würde das verstehen? Mir ist klar, dass all diese real life NPCs, die ich bisher als Mitmenschen wahrnahm, jeden Turing-Test bestehen würden, doch letztlich sind fast alle auf dieser Welt philosophische Zombies aus einer höheren Perspektive betrachtet.


Ich erinnerte mich an ein langes Kapitel über das Scheitern der Kommunikation aus einem großartigen Buch über Optimismus und Pessimismus bezüglich der conditio humana (von welcher aus übrigens auch der Übermensch startet; nein, Übermensch bedeutet nicht, Superkräfte wie Homelander zu haben, sondern, aus eigener Willenskraft das eigene Menschsein zu übersteigen, sich als Person von seiner psychophysischen Natur ins seeisch-geistige Wesen zu transzendieren, und damit den Echtheitstest der Seele zu bestehen). Ich ließ es darauf ankommen. Zuerst schrieb ich dankbar den Autor selbst an, dann kommunizierte ich mit Menschen, mit denen die Kommunikation nicht scheitern sollte, und wenn doch, dann wäre das der ultimative Beweis für das grundsätzliche Scheitern menschlicher Kommunikation. Wir hatten tiefe, ehrliche, interessante Gespräche. Doch letztlich wurde bei aller Freude und Freundschaft nichts Allzumenschliches transzendiert. Andererseits mache ich schon lange Erfahrungen gelungener Kommunikation: im Geistigen. In Träumen sind "zwischenmenschliche" (ich würde diese Wesen nicht mehr Menschen nennen; das sind zwar Personen, aber höherer Art) Kontakte echter, die Kommunikation klarer, die Beziehungen erfüllender. Ich fühle mich wirklich geliebt und verstanden, und ich selbst liebe meine wahren singnificant others rückhaltlos, ohne mich vor Täuschung und Enttäuschung fürchten zu müssen.


Und eigentlich war schon immer so, dass fiktive Personen mir mehr bedeuteten als real life NPCs: als ich am Ende meiner Schulzeit durch die Hölle auf Erden ging, stand mir Mr. Prentice aus Outer Limits als fiktive Großvaterfigur bei, in meiner Einsamkeit mit Ende 20 waren mir Spartacus, Drago, Gannicus und Agron wie Brüder, und was ist schließlich "The Walking Dead" anderes als die klare Sicht auf die gegenwärtige Dystopie ohne die immaterielle, und darum nicht unmittelbar wahrnehmbare Virual-Reality-Brille nicht nur aus Facebook und Instagram, sondern aus Konsumgesellschaft, menschlichen Beziehungen, falschen Lebenszielen und sozial erwünschter kognitiver Selbstimmanenz? Die Narzssmus-Pandemie der letzten Jahrzehnte ist die Immunantwort der Matrix (figurativ gesprochen) darauf, dass einige wenige begreifen, dass sie sich, umgeben von NPCs, in einer simulierten Welt befinden. "Ich! Ich, nicht du bist die Hauptperson!" schreit mich gleich ein ganzer Haufen von "Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung" schon mein ganzes Leben lang an. Ihr Ziel ist, mir die Kraft zu rauben, mich zu verwirren, zu beschämen, mich zu fesseln und in Ketten zu legen (mit Schuldgefühlen hat es sehr lange funktioniert). Was ich niemals hätte erkennen sollen, ist, dass sie alle zwar existieren, aber nicht echt sind. Sie wollen mich in ihren Wahn hineinziehen, diesen soll ich für meine Realität halten. Tut mir leid, ihr Elenden. Es ist vorbei.



Anmerkung von Terminator:

Nuance: Nicht jeder, mit dem die Kommunikation scheitert, ist zwangsläufig ein NPC. Letztlich liegt es an mir, dass ich keine meaningful relationships mit eventuellen significant others auf dieser Welt mehr aufbauen kann: meine Prüfung, meine Pflicht, ist vorbei, und der Rest meines Lebens ist Kür (was auch bedeutet, dass die Zeit, die mir hier bleibt, nichts mehr bedeutet: nur Rückschau und Reflektion für mich selbst). Es macht auch Sinn, dass die wenigen echten Personen in dieser simulierten Welt, die hier ihr  nulltes Leben leben, sich gegenseitig nicht erkennen können: jeder muss seine Prüfung allein bestehen. Allein und in völliger Ungewissheit leben und sterben: nur so kann der wahre Wert einer Seele bestimmt werden. Ein empirisches Ich, ein psychophysisches Selbst hat jeder, und so sind die real life NPCs, weltimmanent betrachtet, natürlich nur a posteriori NPCs.

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Kommentare zu diesem Text


 FRP (08.02.24, 06:39)
"dass die Zeit, die mir hier bleibt, nichts mehr bedeutet: nur Rückschau und Reflektion für mich selbst"

So geht es mir seit 1998. Na ja, seit 2019 reise ich wieder ein wenig, was mich schon etwas demütig und partiell ausgefüllt hinterlässt. Seltsam, die Erfahrung: Es ist gar nicht schlimm, im Gegenteil. Man ist irgendwie ... frei von all den Täuschungen und Irrungen der Liebes- und Player-Welt. Das Leben will nichts mehr von mir, endlich Ruhe. Amen, Bruder

 Terminator meinte dazu am 08.02.24 um 07:59:
Es ist gar nicht schlimm, im Gegenteil.
Natürlich! Es ist die absolute Freiheit; du bist niemandem mehr etwas schuldig, nicht einmal dir selbst. Wenn die Kür bei mir so lange geht, dann erlebe ich noch das Jahr 2050...

 LotharAtzert antwortete darauf am 08.02.24 um 16:06:
Pssst.
(zwei alte Wasser-Männer beim Träumen)

Antwort geändert am 08.02.2024 um 16:06 Uhr

 Terminator schrieb daraufhin am 09.02.24 um 00:54:
Mögen alle Wesen glücklich werden. Ob das bei Un-Wesen wie NPCs bzw.  philosophischen Zombies überhaupt einen Unterschied macht, ist eine andere Frage.

 LotharAtzert äußerte darauf am 09.02.24 um 09:20:
Letztlich haben die anderen in mir, einem reinen Spiegel, nur sich selbst gesehen, und das war ein hässlicher Anblick.
Der Gedanke ist mir seit einigen Jahre bekannt. Nur den "reinen" Spiegel teile ich nicht. Unsere Zeit unter Menschen ist nie ganz rein, solange noch die Unterscheidung in Ich und andere besteht.

Ich hörte mal vom "Vairocana-Tantra", wobei der Praktizierende angehalten wird, die komplette Außenwelt als Buddha Vairocana zu erkennen. Das ist zwar ein Extrem, aber intuitiv ahnte ich den Sinn der Praxis und ich glaube, du kannst dir diesen auch vorstellen: das Ich erscheint sofort als jener, der in den Spiegel schaut und statt zu schimpfen oder sonst eine Emotionalität, beginnt es mehr und mehr, daß das, was innen fehlt, im äüßeren Spiegel sichtbar wird. Dh. nicht ich bin Spiegel für andere, sondern das Andere erscheint als Spiegelung des Inneren.
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