Während...

Text

von  Mondscheinsonate

ich überlege, ob ich den Bachmannwettbewerb, meine Freude, ansehe (on demand) oder dem Professor im Patentrecht zuhöre (der Computer wäre für beides in Griffnähe), entscheide ich mich für keines von beiden und bleibe im Gedankenkarussell stecken - Karussell, ein schönes Wort, sofort habe ich wunderschöne bemalte Pferdchen, die sich im Kreis drehen im Kopf. In Nizza mag ich das Karussell im Jardin Albert 1 neben der Promenade des Anglais. Schön, so etwas betrachte ich noch mit Kinderaugen. - , steht die Luft, nur eine Gelse durchbricht die Schwere und das Schweigen, surrt bedrohlich im Raum, auch die Grillen konzertieren, denke, dass ich das oft mache, ich überlege zwischen zwei verschiedenen Dingen und nehme dann spontan ganz etwas Anderes, weil mich die Entscheidung nervt oder ich nehme beides, was im Falle meiner Überlegung nicht ginge, also lasse ich es sein. Jedoch, während ich also denke, dass ich mich für beides gerade nicht begeistern kann, manchmal macht selbst die Begeisterung keine rechte Freude (da müsste man ja etwas tun, auch wenn man es mag - mitdenken), denke ich weiter, die Luft steht wirklich, dass wir noch die alte Nazi-Garde an Professoren hatten, ihr letztes Jahr am Bundesgymnasium, ich erinnere mich, der Geschichtslehrer sah uns als seine Kompanie an, riss die Türe auf, schrie sofort "Fenster auf!" und sprach im Olympiastadionton anno 1936 mit uns. Schon lustig wie krank manche waren, ihr Leben lang. Oder der Kriegsversehrte Dr. K. in Geografie, der war das Gegenteil, ganz lieb, sprach am Liebsten von Kohleabbau und dem Wetter, dies mit Enthusiasmus, fuchtelte wild mit den Händen und stampfte mit dem verbliebenen Bein auf. Diese Themen und seine Modelleisenbahn, er erzählte von ihr, bewegten ihn. Im wahrsten Sinne des Wortes. Aber, beide sind nun tot, jeder Staub, so ist es. 

Es bleiben nur Dinge übrig, wenn man endgültig geht, sonst nichts. Der Füllhalter und Ehering (ich ließ ihn auf Größe 50 verkleinern) meines Großvaters, die Armbanduhr von R., der Gedichtband von Leo mit Widmung, das Foto von Andi, Patrizia und mir (Sweet Sixteen). Mehr nicht, aber diese Dinge sind wichtig geworden, geben das Gefühl, dass noch alles in Ordnung ist. 

Und, während ich das denke, denke ich, dass sich, bezugnehmend auf Geografie, die Welt weiterdreht, Wiener Walzer oder schöne Pirouetten auf Glatteis mit neu und feingeschliffenen Kufen. Das war schön, die ersten schneeweißen Eislaufschuhe, wackelig auf glattem Boden, nach und nach dahingleitend, der Freundin die Hände reichen und lachen, auf den Boden plumpsen, wieder aufstehen. Ja, immer wieder aufstehen. Ich mache das jetzt und entscheide mich doch für den Bachmannpreis. 


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