Augenhöhemissverständnis

Text

von  Klemm

Bei der Begegnung auf Augenhöhe geht es um das Verhältnis von Personen. Heißt: ich behandele einen anderen Erwachsenen nicht wie ein Kind, sondern eben wie einen Erwachsenen. Heißt weiter: ich gehe davon aus, dass sein Denken und Handeln nicht zufällig über ihn hereinbrechen, sondern bewusst gewählt sind und er bereit ist, die volle Verantwortung dafür zu übernehmen und die Konsequenzen zu tragen. Wenn ich nun einer Person auf Augenhöhe begegne, deren Denken und Handeln von Desinformation, hanebüchenen Schlussfolgerungen und Menschenverachtung geprägt ist, entschuldige ich dessen Denken und Handeln nicht und ich habe auch keinen pädagogischen Auftrag an dieser Person zu leisten. Ich gehe davon aus, dass die Person sich aus freien Stücken für ihre Haltung entschieden hat. Sollte ich die Haltung als schädlich empfinden, gebietet die Augenhöhe, dass ich die andere Person dafür konsequent in Verantwortung nehme und sie nicht schone.

 

Die Begegnung auf Augenhöhe bezieht sich nicht auf Aussagen. Wer Schwachsinn redet, kann ganz und gar nicht verlangen, dass ich seinen Schwachsinn für voll nehme. Für voll nehme ich nur, dass er sich entschieden hat, Schwachsinn zu reden. Heißt: ungebrochene Gegnerschaft kann die respektvollere Alternative im Umgang mit anderen Menschen sein. Denn: ist es nicht der Gipfel der Arroganz, jemanden so zu behandeln, als rede und handle er unabsichtlich, ohne vorher darüber nachgedacht zu haben?


Ich zumindest finde nichts unverschämter, als im Gestus des Vermittlers, Denk- und Handlungsalternativen angetragen zu bekommen, die ich schon vor Jahren mit voller Absicht verworfen habe.


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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (17.10.24, 14:21)
Heißt: ungebrochene Gegnerschaft kann die respektvollere Alternative im Umgang mit anderen Menschen sein. Denn: ist es nicht der Gipfel der Arroganz, jemanden so zu behandeln, als rede und handle er unabsichtlich, ohne vorher darüber nachgedacht zu haben?

Letzteres kann natürlich passieren; aber ein Kompliment ist es nicht, dies zu unterstellen.
"Gipfel der Arroganz" erscheint mir etwas zu stark.

 Klemm meinte dazu am 17.10.24 um 14:31:
Gipfel ist meine subjektive Bewertung, herablassend ist es allemal. Denn selbst wenn es passieren kann, für wen hält man sich, dies beurteilen zu können. Angemessen sind Urteile bezüglich Äußerungen und Handlungen.

 Saira (17.10.24, 15:59)
Für mich sind deine Gedanken plausibel. Du begegnest anderen Menschen auf Augenhöhe und damit zollst du dem Gegenüber Respekt, auch wenn dessen Ansichten und Handlungen von deinen eigenen abweichen. Das ist für mich die Bedingung für eine respektvolle Auseinandersetzung.
 
Nicht immer gelingt es, die Balance zwischen Respekt und Ablehnung von schädlichen Ideologien zu finden, wenn wir auf Menschen treffen, deren Absichten wir schädlich oder irrational empfinden und darauf beziehst du dich.
 
Ein Vermittler sollte ebenfalls überlegen, inwiefern seine Einmischung Sinn macht. Dieser Versuch kann fürchterlich nach hinten losgehen.

 Klemm antwortete darauf am 17.10.24 um 16:09:
Nun, ich denke einer schädlichen Ideologie kann mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden, ohne ihre Anhänger zu entmündigen oder zu verachten. Heißt ja nicht, dass man nicht wütend sein darf oder mit ihm etwas zu tun haben muss, im Gegenteil auch Wut kann ein Zeichen für Respekt sein.

Verachtung hingegen ist, sich selbst als Denkenden und andere als Opfer ihrer Impulse oder als ferngesteuerte Masse darzustellen.

Antwort geändert am 17.10.2024 um 19:43 Uhr
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