Ich saß bei Lisa, und es war mal wieder einer dieser Momente, in denen ihre Wohnung wie ein stiller Kokon wirkte – ruhig, fast meditativ, aber auch leicht erdrückend. Sie hatte diese Fähigkeit, durch nichts zu sprechen, sondern einfach nur da zu sein, ohne dass man sich gezwungen fühlte, etwas zu sagen. Und das war vielleicht der Schlüssel: Bei Lisa war alles so besonders, weil nichts eine Bedeutung hatte, bis man es für sich selbst entdeckte. Der Staubsaugerroboter zog seine Runden, der quietschende Rhythmus fast wie ein monotoner Herzschlag. Irgendwie war es fast beruhigend, diesem kleinen Gerät beim Verirren zu zusehen. Es drehte sich im Kreis, immer wieder. Ein paar Streifen hier, ein paar dort. Der Teppich blieb so oder so nie wirklich sauber. Aber das war auch nicht der Punkt. Der Roboter war immer da, ohne je wirklich da zu sein. Wie so ein schüchterner Gast, der den Raum betritt und nie wirklich Teil der Gesellschaft wird – er machte das, was man von ihm erwartete. Die perfekte Anwesenheit. „Was macht der eigentlich?“, fragte ich, als wollte ich der ganzen Situation mehr Gewicht verleihen, als sie eigentlich hatte. „Er saugt Staub“, sagte Lisa, als sei das der tiefste Gedanke, der je ausgesprochen wurde. „Ja, aber was ist mit ihm?“, fragte ich, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten, nur um der Stille zu entkommen. Lisa schüttelte nur den Kopf, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. „Er saugt Staub.“
Ich lehnte mich zurück und beobachtete weiter, wie der Roboter seine Bahnen zog, wie ein Musiker, der immer wieder das gleiche Stück spielte, ohne jemals die Melodie zu hinterfragen. Immer wieder an derselben Wand. Immer wieder zurück. Aber er wusste es nicht. Es war seine Aufgabe, und er tat sie, auch wenn der Raum nicht sauberer wurde. Ich fragte mich, ob er jemals den Moment erlebte, in dem er wusste, dass er scheitern würde. Der Moment, in dem der Kreis zu einem toten Punkt wurde. War er sich seiner eigenen Nutzlosigkeit bewusst? Oder war das nur eine Projektion meiner eigenen Unsicherheit? Der Roboter stieß gegen das Möbelstück, fuhr dann weiter, als sei er ein gelangweilter Büroangestellter, der seine letzten Schritte macht, ohne zu wissen, dass niemand mehr da ist, um ihm zu sagen, wann er Feierabend hat. „Glaubst du, er langweilt sich?“, fragte ich, fast ein bisschen spöttisch, als wäre ich der Einzige, der diese Tragik in seinem unschuldigen Tun sah.
„Wovon?“, fragte Lisa, die das Ganze wahrscheinlich nur als technische Notwendigkeit betrachtete. Sie hatte nie die Zeit, sich über so etwas Gedanken zu machen, und warum auch? Es war doch nur ein Staubsaugerroboter. Aber ich wollte mehr sehen. Ich wollte wissen, ob er irgendwann, mitten im Kreis seiner Bewegungen, innehalten und fragen würde, was er da eigentlich tat. Ob er sich vor der Wand verneigte, nicht aus Respekt, sondern aus einer Art hilflosem Bewusstsein, dass er keine Wahl hatte. Und dann, plötzlich, drehte er sich – für einen Moment schien es, als ob er etwas entdeckt hatte. Ein winziger Fehler im System. Eine falsche Entscheidung. War es vielleicht die Erkenntnis, dass er sich ständig im Kreis bewegte, ohne wirklich voranzukommen? Oder war es einfach nur ein Stopp, der zu spät kam, der Moment, in dem der Strom ausging? Er stieß gegen die Wand, blieb stehen. Der Kreis war unterbrochen. Und für einen Augenblick schien es, als ob der Roboter, der so viele Stunden in der gleichen Routine verbracht hatte, zu einem stillen Verlierer wurde. „Hast du das gesehen?“, fragte ich.
„Er ist halt kaputt“, sagte Lisa und drückte den Reset-Knopf, als wäre nichts gewesen. Sie sah das alles anders. Für sie war es einfach Technik. Ich konnte das nicht so leicht abtun. Der Roboter fuhr zurück zur Box, als wäre nichts geschehen. Keine Tragödie, keine große Bedeutung. Aber da war noch etwas anderes, das mich nicht losließ. Was, wenn er es nicht geschafft hätte? Wenn er einfach da geblieben wäre, mitten im Raum, „gestorben“, und niemand hätte es gemerkt?