Held mit Fuchs im Edeka
Text
von Isensee
Während ich in die Welt der Geschehnisse eintauchte, von den flüsternden Stimmen des Fuchses und Franzelius begleitet, fühlte ich, wie der Alltag um mich herum immer mehr in den Hintergrund trat. Die Erinnerung an die Lichtung, das schüchterne Glühen des Feuers und die unerwarteten Gespräche mit einem Fuchs waren wie eine magische Schleuse in eine andere Realität, die alles, was folgte, zu überschreiben schien.
Doch die Rückkehr in die Gewohnheiten war unausweichlich, und so fand ich mich schließlich in einem dieser privaten Edeka wieder – einem Ort so banal und klein wie die Träume, die man in der ersten Stunde nach dem Aufwachen vergisst. Auf der Suche nach etwas, das über die gesunde Ernährung hinausging – etwas Echtes.
Das Sortiment schien aus einer Wellness-Oase zu stammen – eine Überdosis an Körnern, die im Schaufenster wie schimmernde Juwelen auf ihren großen Auftritt warteten. „Heute schon Chiasamen gefuttert?“, schien der Fuchs auf der Verpackung zu sagen. Gesund essen, glücklich sein, mindestens 90 Jahre alt werden – oder so ähnlich.
Ich war hier, um Vorräte einzukaufen, und so wurde der neue Laden zu einem Labyrinth aus Regalen, in dem ich der verlorene Held war, der in der Gemüseabteilung nach dem Sinn des Lebens suchte.
Stangenbohnen wie kleine Kämpfer in der ersten Reihe, rundköpfiges Gemüse, das sich selbst feierte. „Hier drüben, Schatzi, ich heile ALLES!“, schien der Brokkoli zu rufen, während der Blumenkohl im hinteren Regal schüchtern die Blätter senkte. Aber wehe dem, der nach Grundnahrung suchte! Gemüsebrühe. Miniwürste, gefüllte Hörnchen mit Kakao oder Vanillebutter aus speckigen Plastikfolien Das war wie das Streben nach dem heiligen Gral – ein Selbstmord auf Raten, unauffindbar und verbannt, wie ein schlechter Witz in der falschen Gesellschaft.
Ich schlenderte zwischen den Gängen, umgeben von den neuen Gurus des gesunden Lebens, die sich in ihren Yogahosen auf der Suche nach dem nächsten Superfood befanden. „Ich habe 100 Gramm Quinoa für meinen Vitamincocktail! Und du?“, rief eine Dame mit einem Einkaufskorb voller grüner Wunder. Da stand ich, der Verlierer im eigenen Film.
Der Gedanke an eine gesunde Ernährung war so absurd wie der Wunsch nach einem Kaninchen, das mir beim Einkaufen freundlich zuzwinkert. Wo war es nur geblieben, das Kaninchen mit seinen weißen, fluffigen Ohren?
An der Kasse wartete ein fröhlicher Mitarbeiter mit dem Gesichtsausdruck eines verirrten Astronauten, der vergessen hatte, wo er gelandet war. „Haben Sie die App?“, fragte er mit einem Lächeln, das nichts Gutes verhieß. Ja, die App – mein persönlicher Führer durch die Nahrungsmittelsuppression. Aber ich war nur hier, um ein paar einfache Dinge zu kaufen, nicht um meinen Alltag mit einem digitalen Spürhund zu verwalten. Die Selbst-Scann-Kassen piepten wie eine Schwarm von Schnabeltieren, und ich stellte fest, dass die Freundlichkeit in den Augen der Kassiererin erfroren war. Wo war der Fuchs, der mir einen schönen Abend wünschen könnte?
„Du hast Glück, dass wir noch keine Automaten haben, die selbst scannen“, murmelte die Kassiererin, als ich ihr mein „normalen“ Gemüse hinstellte. Doch die Absenz eines Auf Wiedersehens klang wie das verstummte Gezwitscher in einem leeren Käfig. Ich schob meine Einkäufe über das Fließband und spürte den drückenden Blick der hinter mir Wartenden. Alles war so normal, so absurd und gleichzeitig so traurig. Die Tür quietschte, als ich sie öffnete, und ich sah den Himmel, der über dem Parkplatz hängte, wie eine schmutzige Decke, die jemand hastig zusammengefaltet hatte.
In der Ferne stand der Fuchs, der auf mich wartete, seine Augen funkelten im Halbdunkel. „Na, du hast das ganze Gemüse in der Hölle gefunden?“, rief er mir zu, als wäre er ein Zauberer, der nur darauf wartete, die neuesten Tricks zu zeigen. „Ich dachte, die Möhren wären die heimlichen Herrscher hier!“
Auf dem Parkplatz vor dem Rewe standen die Autos in einer Ordnung, die mehr über ihre Besitzer verriet als jede noch so detaillierte Biografie. Der Fuchs und ich lehnten uns gegen einen Poller.
„Sieh dir diesen SUV an“, begann der Fuchs mit einem schrägen Lächeln. „Ein wahrhaft majestätisches Exemplar von Überkompensation. Vermutlich ein paar gelbe Aufkleber auf der Heckscheibe – 'Mein Kind ist ein Ehrensportler' – das soll ja niemanden daran erinnern, dass der Parkplatz die einzige Arena ist, in der es wirklich zählt.“
„Das ist er also, der große Beschützer“, erwiderte ich.
„Der einzige, der es wirklich drauf hat, ist die Assistenzsystem-Technologie, die den Fahrer vor dem eigenen Ehrgeiz bewahrt. Wäre das Auto ein Mensch, würde es wahrscheinlich vor einem Aufsichtsrat sitzen und darüber debattieren, wie man 'elterliche Verantwortung' in den sozialen Medien verkauft.“
Der Fuchs nickte, sein Blick wanderte zu einem kleinen, verbeulten Fiat, der etwas verloren zwischen den glänzenden SUVs parkte. „Ah, der kleine Graue. Sieht aus, als wäre er vom Rest der Familie zum Einkaufen geschickt worden, während die wahren Stars der Straße einen anderen Termin haben. Wahrscheinlich träumt der Fahrer davon, einmal in einem echten Fahrzeug zu sitzen, aber das hier ist die beste Ausrede, die er hat, um nicht am Wochenende selbst zum Sportplatz zu müssen.“
„Das wäre dann das Kind der Existenz“, sagte ich. „Eingerollt in einen teuren Sportanzug und mit einem Handy ausgestattet, das teurer ist als der Wagen selbst. Im echten Leben muss man sich damit zufrieden geben, am Parkplatz zu parken und das Spiel vom Rand aus zu beobachten.“
„Und der Kombi da drüben? Ein Überbleibsel aus besseren Zeiten, das seine besten Tage hinter sich hat“, bemerkte der Fuchs. „Hier wird die Nostalgie zum Treibstoff – wie eine Sphinx, die darüber sinniert, wie man die Kinder mit Geschichten über gute alte Zeiten anlockt, während sie in einem Stau stehen, der an der eigenen Existenz nagt.“
„Genau, und während die ganze Familie die Erinnerungen in den Kofferraum packt, fragt sich der Fahrer wahrscheinlich, ob es nicht sinnvoller wäre, einfach das Fahrrad zu nehmen. Aber dazu fehlt der Mut – und die Zeit für einen echten Neuanfang“, entgegnete ich und ließ meinen Blick über die anderen Autos gleiten.
„Und was ist mit dem neuen Elektroauto? Ein Paradebeispiel für Fortschritt und Umweltbewusstsein, das jedoch immer noch einen Preis hat, der einem die Luft zum Atmen nimmt“, fügte der Fuchs hinzu. „Der Fahrer ist wahrscheinlich ein echtes Unikat: einer, der in der digitalen Welt lebt, aber in der realen nie den Fuß vom Gas nehmen kann. Kommt man da wirklich an, wenn man mit so viel Ladezeit ins Leben startet?“
„Das ist der Punkt“, murmelte ich. „Selbst das umweltfreundlichste Auto ist nur eine Maske für das, was drunter steckt. Am Ende bleibt alles beim Alten, während die einzige wirkliche Veränderung das Gadget in der Hand ist.“
Mit einem letzten Blick auf die Szenerie schüttelten wir die Köpfe über die kleinen Komödien des Alltags. Der Fuchs schnüffelte in der Luft und sagte: „Lass uns diesen Parkplatz verlassen. Vielleicht gibt es irgendwo da draußen ein Leben, das nicht nur durch Blech und Glas definiert wird. Übrigens, ich habe einen Plan geschmiedet, und wir sollen Franzelius am Bauernstein treffen.“ Und so machten wir uns auf den Weg, die absurden Geschöpfe des Alltags hinter uns lassend, auf der Suche nach dem, was wir vermissten.