Kannitverstan
Ansprache zum Thema Persönlichkeit
von EkkehartMittelberg
Kommentare zu diesem Text
Ah, den mag ich! Ein feiner Humor.
Der "seltsame Spazierritt" von Vater und Sohn, die es allen recht machen wollten und damit bis zur Absurdität scheiterten, stammt von ihm.
Der "seltsame Spazierritt" von Vater und Sohn, die es allen recht machen wollten und damit bis zur Absurdität scheiterten, stammt von ihm.
Meinst du die Geschichte, in der Vater und Sohn am Ende den Esel tragen?
Genau diese. Hier ist sie, zum Genießen:
[Johann Peter Hebel: Poetische Werke. Darmstadt (München) 1968, S. 103 f.]
Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus, und läßt seinen Buben zu Fuß nebenher laufen. Kommt ein Wanderer, und sagt: „Das ist nicht recht, Vater, daß Ihr reitet, und laßt Euren Sohn laufen; Ihr habt stärkere Glieder.“ Da stieg der Vater vom Esel herab, und ließ den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann, und sagt: „Das ist nicht recht, Bursche, daß du reitest, und lässest deinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine.“ Da saßen beide auf, und ritten eine Strecke. Kommt ein dritter Wandersmann, und sagt: „Was ist das für ein Unverstand: Zwei Kerle auf einem schwachen Tiere; sollte man nicht einen Stock nehmen, und euch beide hinabjagen?“ Da stiegen beide ab, und gingen selbdritt zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn, und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann, und sagt: „Ihr seid drei kuriose Gesellen. Ist’s nicht genug, wenn zwei zu Fuß gehen? Geht’s nicht leichter, wenn einer von euch reitet?“ Da band der Vater dem Esel die vordern Beine zusammen, und der Sohn band ihm die hintern Beine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim.
So weit kann’s kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen.
[1808]
So weit kann’s kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen.
[1808]
[Johann Peter Hebel: Poetische Werke. Darmstadt (München) 1968, S. 103 f.]
Antwort geändert am 03.12.2024 um 00:52 Uhr
Peter Alexander hat die Geschichte vertont. Peter Alexander - Der Esel, der Bauer und sein Sohn (youtube.com)
Na sowas! Das hätte ich nicht gedacht.
Bei älteren Leuten ist der hier noch relativ populär. (Zwar lebe ich nicht in Baden, aber doch in der Nähe.)
Die Lobeshymnen auf Johann Peter Hebel nahmen lange Zeit kein Ende: Dies ist nur ein Ausschnit:
"Auch Theodor Heuss lobte an Hebels Werk, dass er die bodenständige alemannische Sprache nicht zur Parodisierung und Vulgarisierung nutzte, sondern sie zu „einem Werkzeug echten Dichtertums“ machte und ein Werk schuf, in dem, so Heuss, „der Unterton des Bleibenden, des Gültigen, des Ewigen, des Ewig-Menschlichen mitklingt“. [40]
Auch spätere Autoren brachten Hebel hohe Wertschätzung entgegen. Charakteristisch hierfür ist auch ein Zitat von Hermann Hesse: „Wir lesen, glaube ich, auch heut noch in keiner Literaturgeschichte, dass Hebel der größte deutsche Erzähler war, so groß wie nur Keller und viel sicherer und in der Wirkung reiner und mächtiger als Goethe.“ [41] Theodor W. Adorno rühmte Johann Peter Hebels Aufsatz Die Juden als eines „der schönsten Prosastücke zur Verteidigung der Juden, das deutsch geschrieben wurde“, [42] und Elias Canetti beschrieb in Die gerettete Zunge, welchen Stellenwert für ihn Hebels Schatzkästlein hatte: „Kein Buch habe ich geschrieben, das ich nicht heimlich an seiner Sprache maß, und jedes schrieb ich zuerst in der Kurzschrift nieder, deren Kenntnis ich ihm allein schulde.“ Marcel Reich-Ranicki schrieb: „Hebels Geschichten gehören zu den schönsten in deutscher Sprache“ [43] und nahm das Schatzkästlein in seinen Kanon der deutschen Literatur auf. Ebenfalls Teil des Kanons ist Die Rose, eines der wenigen hochdeutschen Gedichte Hebels. Das Schatzkästlein wurde außerdem in die ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher aufgenommen."
(Wikipedia)
"Auch Theodor Heuss lobte an Hebels Werk, dass er die bodenständige alemannische Sprache nicht zur Parodisierung und Vulgarisierung nutzte, sondern sie zu „einem Werkzeug echten Dichtertums“ machte und ein Werk schuf, in dem, so Heuss, „der Unterton des Bleibenden, des Gültigen, des Ewigen, des Ewig-Menschlichen mitklingt“. [40]
Auch spätere Autoren brachten Hebel hohe Wertschätzung entgegen. Charakteristisch hierfür ist auch ein Zitat von Hermann Hesse: „Wir lesen, glaube ich, auch heut noch in keiner Literaturgeschichte, dass Hebel der größte deutsche Erzähler war, so groß wie nur Keller und viel sicherer und in der Wirkung reiner und mächtiger als Goethe.“ [41] Theodor W. Adorno rühmte Johann Peter Hebels Aufsatz Die Juden als eines „der schönsten Prosastücke zur Verteidigung der Juden, das deutsch geschrieben wurde“, [42] und Elias Canetti beschrieb in Die gerettete Zunge, welchen Stellenwert für ihn Hebels Schatzkästlein hatte: „Kein Buch habe ich geschrieben, das ich nicht heimlich an seiner Sprache maß, und jedes schrieb ich zuerst in der Kurzschrift nieder, deren Kenntnis ich ihm allein schulde.“ Marcel Reich-Ranicki schrieb: „Hebels Geschichten gehören zu den schönsten in deutscher Sprache“ [43] und nahm das Schatzkästlein in seinen Kanon der deutschen Literatur auf. Ebenfalls Teil des Kanons ist Die Rose, eines der wenigen hochdeutschen Gedichte Hebels. Das Schatzkästlein wurde außerdem in die ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher aufgenommen."
(Wikipedia)
Theodor W. Adorno rühmte Johann Peter Hebels Aufsatz Die Juden als eines „der schönsten Prosastücke zur Verteidigung der Juden, das deutsch geschrieben wurde“
Diesen Aufsatz muß ich mir gleich mal vornehmen - den habe ich nicht in Erinnerung.
Von wegen Erinnerung: Ich dachte Unverhofftes Wieder sehen und Kannitverstan seine allgemein b ekannt. Hier ist zunächst eine Zusammenfassung von "Unverhofftes Wiedersehen":
"Ein Bergmann im schwedischen Falun und seine Braut wollen „auf St. Luciä“ – dem Tag des Lichterfests der Heiligen Lucia von Syrakus am 13. Dezember – heiraten, doch wenige Tage vor der Hochzeit kehrt er nicht mehr aus dem Bergwerk zurück; auch wird seine Leiche nicht geborgen. Fünfzig Jahre vergehen – der Erzähler veranschaulicht den Ablauf dieser Zeit durch eine Aufzählung historischer Ereignisse von 1755 bis 1807 – da wird „etwas vor oder nach Johannis“ – dem Mittsommerfest – in einem eingestürzten Streb des Bergwerks die von vitriolhaltigem Wasser vollkommen konservierte Leiche eines Jünglings gefunden. Niemand kennt ihn, bis „die ehemalige Verlobte des Bergmanns“ erscheint. „Grau und zusammengeschrumpft“ kommt sie an einer Krücke, erkennt ihren Bräutigam und sinkt „mehr mit freudigem Entzücken als mit Schmerz auf die geliebte Leiche nieder“. Es „ist mein Verlobter, um den ich fünfzig Jahre lang getrauert hatte, und den mich Gott noch einmal sehen läßt vor meinem Ende.“ An der Beerdigung nimmt sie in ihrem Sonntagsgewand teil, „als wenn es ihr Hochzeitstag […] wäre“. Als man den Leichnam ins Grab legt, sagt sie: „Schlafe nun wohl, noch einen Tag oder zehn im kühlen Hochzeitsbett, und lass dir die Zeit nicht lang werden. Ich habe nur noch ein wenig zu tun und komme bald, und bald wird’s wieder Tag.“ (Wikipedia)
"Ein Bergmann im schwedischen Falun und seine Braut wollen „auf St. Luciä“ – dem Tag des Lichterfests der Heiligen Lucia von Syrakus am 13. Dezember – heiraten, doch wenige Tage vor der Hochzeit kehrt er nicht mehr aus dem Bergwerk zurück; auch wird seine Leiche nicht geborgen. Fünfzig Jahre vergehen – der Erzähler veranschaulicht den Ablauf dieser Zeit durch eine Aufzählung historischer Ereignisse von 1755 bis 1807 – da wird „etwas vor oder nach Johannis“ – dem Mittsommerfest – in einem eingestürzten Streb des Bergwerks die von vitriolhaltigem Wasser vollkommen konservierte Leiche eines Jünglings gefunden. Niemand kennt ihn, bis „die ehemalige Verlobte des Bergmanns“ erscheint. „Grau und zusammengeschrumpft“ kommt sie an einer Krücke, erkennt ihren Bräutigam und sinkt „mehr mit freudigem Entzücken als mit Schmerz auf die geliebte Leiche nieder“. Es „ist mein Verlobter, um den ich fünfzig Jahre lang getrauert hatte, und den mich Gott noch einmal sehen läßt vor meinem Ende.“ An der Beerdigung nimmt sie in ihrem Sonntagsgewand teil, „als wenn es ihr Hochzeitstag […] wäre“. Als man den Leichnam ins Grab legt, sagt sie: „Schlafe nun wohl, noch einen Tag oder zehn im kühlen Hochzeitsbett, und lass dir die Zeit nicht lang werden. Ich habe nur noch ein wenig zu tun und komme bald, und bald wird’s wieder Tag.“ (Wikipedia)
Irgendwelche Verben an einander kleistern, nach dem Motto harzgebirgler. Das halte ich, für groben Unfug, und will mir hier auf Retour ein bißchen Luft machen. Das Potential hat leider nicht mehr drauf.
Teichi
Teichi
:)
hallo ekki,
sehr gelungen & sehr gern gelesen!
die meisten stochern mehr im nebel
doch nie johann peter hebel -
ein erzähler sondergleichen
dem schwer das wasser zu reichen.
lg
henning
hallo ekki,
sehr gelungen & sehr gern gelesen!
die meisten stochern mehr im nebel
doch nie johann peter hebel -
ein erzähler sondergleichen
dem schwer das wasser zu reichen.
lg
henning
Vielen Dank, Henning.
Man kann sich eine Vorstellung von dem Mutterwitz Hebels machen, wenn man eine Zusammenfassung von Kannitverstan liest:
"Ein junger Handwerksbursche aus Tuttlingen besucht zum ersten Mal in seinem Leben die holländische Weltstadt Amsterdam und bewundert dort ein besonders prächtiges Haus und ein gewaltiges Schiff, aus dem die kostbarsten Waren gerade entladen werden. Er fragt nach den Besitzern des Gebäudes und des Schiffes und erhält beide Male die Antwort „Kannitverstan“ („Ich kann Euch nicht verstehen.“). Der deutsche Handwerksbursche aus Tuttlingen glaubt jedoch, dass es sich dabei um den Namen des Eigentümers handele und ist beeindruckt vom Reichtum des vermeintlichen Herrn Kannitverstan. Betrübt vergleicht er dessen Glück mit seiner eigenen Situation und hadert mit seinem Schicksal, bis er schließlich auf einen Leichenzug trifft und nach dem Namen des Verstorbenen fragt. Als er daraufhin wieder die Antwort „Kannitverstan“ erhält, versöhnt er sich mit der Ungleichheit in der Welt und bedauert den Verstorbenen, dessen großer Besitz ihn doch nicht vor dem Tod hat bewahren können. Der Leichenzug wird ihm zum Memento mori und es wird ihm klar, dass Herr Kannitverstan ihm nichts voraus hat." Quelle : Kannitverstan – Wikipedia
Man kann sich eine Vorstellung von dem Mutterwitz Hebels machen, wenn man eine Zusammenfassung von Kannitverstan liest:
"Ein junger Handwerksbursche aus Tuttlingen besucht zum ersten Mal in seinem Leben die holländische Weltstadt Amsterdam und bewundert dort ein besonders prächtiges Haus und ein gewaltiges Schiff, aus dem die kostbarsten Waren gerade entladen werden. Er fragt nach den Besitzern des Gebäudes und des Schiffes und erhält beide Male die Antwort „Kannitverstan“ („Ich kann Euch nicht verstehen.“). Der deutsche Handwerksbursche aus Tuttlingen glaubt jedoch, dass es sich dabei um den Namen des Eigentümers handele und ist beeindruckt vom Reichtum des vermeintlichen Herrn Kannitverstan. Betrübt vergleicht er dessen Glück mit seiner eigenen Situation und hadert mit seinem Schicksal, bis er schließlich auf einen Leichenzug trifft und nach dem Namen des Verstorbenen fragt. Als er daraufhin wieder die Antwort „Kannitverstan“ erhält, versöhnt er sich mit der Ungleichheit in der Welt und bedauert den Verstorbenen, dessen großer Besitz ihn doch nicht vor dem Tod hat bewahren können. Der Leichenzug wird ihm zum Memento mori und es wird ihm klar, dass Herr Kannitverstan ihm nichts voraus hat." Quelle : Kannitverstan – Wikipedia
Antwort geändert am 03.12.2024 um 17:34 Uhr
schön, dass Graeculus die Geschichte nochmal praesentiert hat. Fürwahr ein Genuss. lG von M.
Merci, Monika,
es ist fast gleichgültig, welche Erzählung von Hebel man liest. Sie sind fast alle ein Genuss,
LG
Ekki
es ist fast gleichgültig, welche Erzählung von Hebel man liest. Sie sind fast alle ein Genuss,
LG
Ekki