Tatsächlich

Text

von  Saudade

Und während ich überlege, was ich am Samstag anziehen soll, eine 90'-Party, nennt sich Ball, ist aber nur eine Party, widert es mich an, gehe ich doch nur meiner Freundin zuliebe, denn die 90' sind vorbei und wir sind alt. 

Damals zog ich die kürzesten Röcke an, heute sähe das aus, als ob ich es dringend nötig hätte, das fällt weg. Obwohl, so denke ich, ich hab's nötig, aber nicht dringend, nämlich Spaß zu haben - "I love your Smile" - das auf jeden Fall. 

Letztens war ich auf einer Vernissage und auch in der "Burg", das brauche ich nicht übersetzen, weltbekannt, aber das ist kein Spaß, da steht man oder sitzt so elegant und steif, das ist doch kein Spaß, oder doch? 

Manche machen immer dasselbe und denken, sie machen etwas anderes  dabei ist es immer und immer wieder dasselbe, wie armselig, nein, ich gehe auf Zeitreise und komme lächerlich, weil ich schon alt bin.

Zugegeben, die Vernissage und die "Burg" (König Lear) war schon schön, ich frage mich, ob das jetzt eben "mein Spaß" ist, muss bejahen, Zeiten ändern sich, irgendwann braucht man eben keine harten Beats von Prodigy mehr und auch keine Shirts mit Jointlöchern, muss nicht mehr ewig in der Vergangenheit hängen, indem man alte Lieder rauf und runter spielt und darüber philosophiert, nein, irgendwann tritt die Langeweile auf, totgehört. Zeiten ändern sich, ob jemand will oder nicht, aber bei den "Oberkrainern" verweigere ich, auf das "Engelbertkonzert" fühlte ich mich genötigt, aber irgendwie waren die glänzenden Augen der alten Damen lieb, ich weinte fast vor Rührung und Schmerz, die sind noch dort wo sie nicht mehr sind, aber ich werde dort sein, wo ich nicht mehr bin, in den 90'. Schlimm, aber ja, coole Zeit, frei wie ein Vogel, alles lebte noch, nur die Alten starben, aber die waren schon alt, damals zumindest, jetzt sterben die Alten, die damals jung oder jünger waren, das erschüttert mich. Die eigene Endlichkeit zog ins Leben ein - "Who want's to live forever" - war kein Gedanke, nur ein Lied. 

Und während ich auf der Vernissage stand, dies mit einem Gläschen Weißwein in der Hand, die Bilder betrachtend, dachte ich, das macht mir Spaß, wirklich Spaß, kein Kellergewölbe, wo der Tequilla 10 Schilling kostete und nach dem dritten sowieso nicht mehr zur Toilette gefunden wurde, es wurde errochen, sozusagen, irgendwie, die war sowieso kaputt und das Wasser rann bereits in den engen Flur, egal. Igitt, mich schüttelt es bei dem Gedanken. Nein, Danke, das war vielleicht Spaß, wird es nie wieder sein, auch nicht das Cola-Rot mit billigem Wein in der Arena, dies nach dem Pantera- Konzert - "Walk", ja, bitte, schnell weg!

Die Dinge nun anders betrachten, ich neigte den Kopf etwas, ein Bild gefiel mir, ich ließ mich auf die Linien ein, rutschte fast auf dem Steinboden, die Stöckelschuhe klapperten, nicht die Doc Martens in lila, ganz stolz war ich auf den Dreck darauf, bis die Mutter putzte, das gab ein Wortgefecht, wie viele Gefechte davor und danach gewann niemand, aber der jugendliche Zorn konnte herausgelassen werden, das dachte ich nicht, während ich ruhig das Bild betrachtete, es spielte leise eine klassische Musik, nicht laut wie auf dem "Guns n' Roses" - Konzert, die Hitze war kaum erträglich, aber es war schön, das ist es jetzt nicht mehr, nein, das kommt nie wieder, so wie nichts wieder kommt, das ist gut so, außer die Verstorbenen, die könnten ruhig wiederkommen und in ein paar Jahren sind es nur noch wenige, die da sein werden, das denke ich traurig, aber so ist das Leben, da nützt auch keine Pseudozeitreise, die man sich selbst im Wohnzimmer vor laufenden ur-alt Platten vorlügt oder auf Parties. Manchmal, tatsächlich, ist das gut so, denn vielleicht, nach diesen Gedanken, schätzt man mehr das Jetzt, das ist nämlich gut, weil es die Summe der vergangenen Zeit ist, vorallem die Realität.


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Kommentare zu diesem Text


 uwesch (24.02.25, 23:34)
Eindringliche, nachvollzielbare Schilderung. Gern gelesen. LG Uwe

 Saudade meinte dazu am 24.02.25 um 23:50:
Dankeschön.
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