WIR KRÜPPEL IN UNSEREN GÄRTEN
Gedicht zum Thema Leid
von hermann8332
WIR KRÜPPEL
IN UNSEREN GÄRTEN
Es war einmal ein Mann
der hatte zwei Beine
dann hatte er nur noch eins
am Schluß hatte er keins
Er lebte in einem Garten
mit einem kleinen Wochen-
endhaus
und saß dort meist
im Vorraum und sah zum
Fenster raus
Und wenn das Wetter schön war
saß er im Rollstuhl draußen
zusammen mit seinem Hund
allein im Sonnenschein
Er war krank
und nicht gesund
War ein beinloser Krüppel
der schwerbehindert war
und hatte Diabetes
und lebte dort Jahr für Jahr
mit seinem Wauwau
und irgendeiner Frau,
die betreute ihn
und die zur Arbeit ging
Bis sie in eine Klinik mußte
mit reaktiver Depression
und einem Burnout - Syndrom
Mitunter kam ein Pflegedienst
bei ihm vorbei , damit er halbwegs
versorgt sei …
Was ich an ihm bewunderte
war seine gute Stimmung
daß er nie Tübsal blies
und sich nicht hängen ließ
Zumindest nicht nach außen
jedoch ich es nicht weiß
wie er ihn hat verkraftet
diesen ganzen Scheiß
Eines schönen Tages,
da rief er mich an,
daß er sich nicht aufrichten
kann
Er sei aus dem Bett gefallen
und läge auf dem Estrich
wie ein Fisch auf dem Tocknen
und käme nicht mehr hoch allein
Ich war ziemlich erschrocken
und bot ihm Hilfe an
diesem armen Mann
Was ich sofort tat
und gab ihm noch
am Telefon den Rat
Er solle sich dann
abholen lassen
von einem Krankenwagen
denn diese Art der Lebensweise
wäre nicht zu ertragen …
Ich war schwer geschockt :
Als ich zu ihm kam
es mir den Atem nahm
so stank es in der Hütte
nach Kotze; Urin und Scheiße
wo er am Boden lag
in seinem eigenen Kot
und einen fruchtbaren
Anblick bot
umgeben von Müll und Abfall
welcher herumlag überall
zwischen Pfützen
seiner Notdurft
und verschmierten Fäkalien
verteilt im ganzen Raum
Dies war auszuhalten kaum
und ich hievte ihn aufs Bett
und konnte kaum mit ihm reden
denn es würgte mich im Hals
Fast mußte ich mich übergeben
Verstört triebs mich hinaus
aus diesem Horrorhaus
und ich lief zu einem Nachbarn
und bat diesen Mann
den Notdienst anzurufen
damit man ihn abholt
auch gegen seinen Willen
und seinen Widerstand
Was schließlich dann
auch stattfand
Ich sah ihn nie mehr wieder
und hörte nur davon
er sei entmündigt worden
und hätte einen Vormund
Im Tierheim sei der Hund
Der Garten ist nun verlassen
Die Frau kam auch nicht mehr
Alles ist leblos
einsam und ganz menschenleer
Ich konnt es erst kaum fassen
und war betrübt gar sehr
und dachte stets daran
wie er in seiner Loggia saß
hinter dem schmutzigen Fensterglas
und schaute
in die Natur hinaus
jahrein und jahraus
der arme Krüppelmann
Oft kommts mir in den Sinn
was ich bewunderte an ihm:
diese stille Betrachtung
und stoische Naturbeachtung
und die Schicksalsergebenheit
trotz alle Qual und allem Leid
und die Verbundenheit
mit der Natur
und seinem Garten
Was können wir
schon anderes erwarten
in diesem Jammertal
Wir müssen zeitig abtreten
und haben keine Wahl
Vom Tod bereits verkrüppelt
wenn wir geboren werden
und wandern schwerbehindert
hier herum auf Erden
Und haben nur zum Troste
eine illuisonäre ,
lächerliche Vision
aller Realität zum Spotte
und zum blanken Hohn
wenn wir am Ende
bepisst in unserer Scheiße
sitzen:
und aus Angst
vor dem Jenseits schwitzen
Liegt es an der Homo – DNA
daß man dies erträgt
und sich nicht unterkriegen
läßt
selbst wenn wir es wissen
daß man uns erzählt hat
nur fromme dumme Lügen ?
Inter faeces et urinam
nascimur
sind wir geboren vom Weib
und entstehen meist aus Lust
und zum Zeitverteib
Inter faces et urinam
morimur
werden wir abtreten und nach
ein paar Jahren
wird niemand mehr von uns reden ....
Doch immer mit dem Blick
auf diesen unseren
eingebildeten Garten
Sollte es ihn geben
was wird uns dort erwarten ?
Ps
Was sollen wir tun
wenn sich in uns der Ekel
und das Mitleid mischen
in unerträglicher Weise ?
Den christlichen Samariter
spielen und in der Gutmenschlich-
keit sich sielen ?
Oder als Ästhet
eskapistisch flüchten
aus psychohygienischen Gründen
um unsere Seelenruhe
zu bewahren
oder wieder zu finden ?
Gemäß der perversen Religion
des Schmerzes und des Leides
sind wir ethisch verpflichtet
zu mimen das Helferlein
und legen so den Keim
zum Helfersyndrom
Diese psychische Macke
ist dann unser schnöder Lohn !
Freude Spaß Genuß
Schwelgen in Lustbarkeiten
der Hang zur Hedonie
das wurde uns suspekt gemacht
denn wir sollen leiden
Es stützt
die Macht der Religion !
Adelt Schmerz und Leid ?
Unsinn: es macht uns für
psychische Defekte anfällig
und bereit …
und verhäßlicht die Welt
soweit
bis uns das Häßliche gefällt
und Wertschätzung erfährt
Das hat mich
DAS GLEICHNIS
VOM KRÜPPEL IM GARTEM
anschaulich gelehrt …
Übrigens war dieser Mann
trotz seiner tapferen stoischen
Haltung gar nicht bewundernswert
Leider war er ein Aufschneider
Und er war cholerisch
nachtragend und unduldsam
Doch kein larmoyanter
oder hysterischer Mann
Er ging einen auf den Nerv
recht bald und nicht nur
irgendwann ...
und hätte dies auch getan
wäre er nicht beinlos
sondern ein „ ganzer “ Mann
mit zwei vorhandenen Beinen
statt mit keinem
…. würde ich meinen …
Warum gibt es eigentlich
so viele Menschen
welche die Abscheulichkeiten
und den Tod in ihr Leben
hereinlassen ?
Nicht zu fassen:
Es ist die Religion des Pseudotrostes
der christlichen Gläubigkeit
der sie verfallen sind zu ihrem Unheil
und die sich anbietet so wohlfeil
mit dem Paradiesversprechen
Dieser Opportinismus
wird sich durch Ängste rächen
Der Tod betrifft uns nicht.
Solange wir da sind, ist er nicht;
und wenn er da ist,
sind wir nicht mehr
sagt Epikur
Christhos oder Dionysos ?
Das ist die eigentliche Frage
und sie bestimmt den Verlauf
unserer gezählten Tage