Zypern im November 2024. Textauszug 1: Larnaka

Text

von  FRP

... Wir begeben uns daraufhin noch einmal zur Kathedrale „Agios Lazarus“ in der Hoffnung, dass die Frühmesse nun vorüber ist, und die Mittagsmesse noch vorbereitet wird. Und richtig, so ist es, und wir können uns ungetrübt umsehen. Die „Agios Lazarus“ bekam ihren Namen natürlich von jenem Lazarus von Bethanien, welchen Jesus Christus höchstpersönlich aus dem Schlaf der Toten wieder zum Leben erweckte. Er und seine Schwestern Martha und Maria waren besondere Freunde von Jesus, welcher von der Krankheit des Lazarus erfuhr, doch zu spät kam, um ihn noch einmal zu sehen. Der Tote lag bereits vier Tage in seiner Höhle, und Jesus verweilte nach dem Empfang der Nachricht, seinem Freund gehe es schlecht, noch zwei säumige Tage am See Genezareth. Er lässt jedoch den Stein, welcher das Grab verschloss, einfach beiseite wälzen und befiehlt dem Lazarus, heraus zu kommen. Und der gehorchte aufs Wort. Wie so viele andere Jünger Jesu, allen voran Petrus und Paulus, begab sich auch Lazarus nach Tod und Auferstehung seines Meisters in die Fremde, um das Evangelium zu lehren und zu verbreiten. Er setzte über nach Zypern und wurde von Paulus und Barnabas, - von dem noch zu berichten sein wird, - als erster Bischof von Kition eingesetzt, als auch diese beiden auf Zypern ankamen. Von hier aus ist es ja gar nicht mehr weit bis zum Heiligen Land. Im Jahr 890, während der Herrschaft des byzantinischen Kaisers Leo dem Sechsten, soll in Larnaka ein Sarkophag mit der Aufschrift „Lazarus, der Freund Christi“ aufgefunden worden sein. Über der Fundstelle wurde nun eine dem Lazarus geweihte Kirche quasi als „Entschädigung“ durch Kaiser Leo errichtet, welche wir nun betreten. Noch heute kam man sich in die Krypta der Kirche begeben, wo einige Sarkophage zu besichtigen sind.

                    

                                                 

Als die Venezianer und Kreuzfahrer Konstantinopel im Jahr 1204 eroberten und plünderten, überführten sie auch die Gebeine des Lazarus nach Westeuropa. Heute erheben die beiden französischen Städte Marseille und Autun den Anspruch, die Gebeine des Heiligen erhalten zu haben. Folgt man dem Anspruch der Stadt in der Bourgogne, befanden die Reliquien sich zuerst in der Kirche Saint Nazaire, bevor sie 1146 in die spätgotische Kathedrale Saint Lazare überführt wurden. Da die Kreuzfahrer Konstantinopel erst 1204 eroberten, klingt diese Geschichte wenig glaubhaft. Nehmen wir also an, die Gebeine landeten in Marseille. Dass man die Gebeine raubte, verschleierte man dort mit einer Legende aus dem Hochmittelalter: Lazarus sei ein Herzogssohn gewesen, der auf alle Eitelkeit der Welt verzichtete. Er wurde von Juden zusammen mit seinen Schwestern und mit seinen Freunden Maximin und Cedonius  auf einem Schiff ohne Ruder und Segel auf dem Meer ausgesetzt. Dieses Schiff landete in Marseille, wo Lazarus zum Bischof gewählt wurde.

                

                                 
Der Name der Stadt Larnaka, - gebräuchlich ist auch die Schreibweise „Larnaca“, - leitet sich ab vom griechischen Wort „Larnax“, welches „Sarkophag“ bedeutet. Der Name soll vergeben wurden sein, weil man hier sehr viele derselben aufgefunden hat, oder zumindest, nämlich im Jahr 1970, einen wesentlichen: Den des Heiligen Lazarus. Gefunden wurde immerhin ein Schädel, welcher sogleich in Gold gefasst-, und in einem Schrein in der Kathedrale aufbewahrt wird. Wie auch immer; jedenfalls stehe ich nun in der Krypta vor den leeren Sarkophagen; doch ein andächtig versunkener, kniender und betender Gläubiger macht es mir unmöglich, den Ort fotografisch einzufangen, und ihn dabei auszulassen. Jedenfalls agiere ich so leise und vorsichtig, wie irgend möglich. Wollen wir hoffen, dass er mich gar nicht bemerkt hat. Nicht umsonst bedeutet „Lazarus“ ja: „Gott hat geholfen“, - „El-Azar“. Selbst in der strengen Orthodoxie wagt man die Frage, mit welchen Folgen für einen bereits toten dies wohl geschehen sein könnte.

Dem Auferweckten haftet danach und für immer etwas Gespenstiges an. Er soll seit seinem Folgen des Rufes Jesu nie wieder gelacht haben, was für einen Zyprioten ein schrecklicher Gedanke ist. All die mittelalterlichen Pilger und Kreuzfahrer, die in das Heilige Land aufgebrochen waren und auf Zypern Station machten, ignorierten die Kathedrale des Heiligen Lazarus. Notgedrungen übernachtete Bernhard von Breydenbach im Jahr 1486 direkt in der Kirche, da es sonst, außer einer schäbigen Taverne, in der Stadt schlicht „keine Häuser“ gegeben hätte. Wahrscheinlich meint er damit Wirts-Häuser. „Wir bekamen Brot, Wein, Trauben und ein paar Granatäpfel. Wie fromme Schafe schliefen wir in der Kirche“. Bis zur Teilung Zyperns wurde in der Kathedrale auch nicht geheiratet, da kein Segen damit verbunden sein soll; und Kindern unter sieben Jahren ist das Aufsuchen der Krypta nicht gestattet. Der Ort des ersten Grabes und der Wiedererweckung, „Lazarion“, befindet sich im heutigen Gaza und heißt, arabisiert, Al-Eizariya.

 


Der Tod des Lazarus ist nun eigentlich ein Sonderfall, wo wir strikt zwischen zwei verschiedenen Toden unterscheiden müssen: Einen vorläufigen, und einen endgültigen. Auch der definitive, und von keiner weiteren Intervention Jesu beeinträchtigte, sogenannte „Tod des Auferweckten“, der Tod also eben jenes besagten Lazarus, ist umstritten. Einige meinen, Lazarus sei in der Ägide des römischen Kaisers Claudius friedlich entschlafen, also irgendwann zwischen 41 bis 54 nach Christus. Fast doppelt so alt wäre er geworden, wenn jene recht haben, die sagen, Kaiser Domitian hätte ihn enthaupten lassen, da er sich der Ableistung eines heidnischen Opfers widersetzte. Das wäre dann irgendwann zwischen 81 und 96 nach Christus geschehen, der es sich nicht nehmen ließ, dem Lazarus persönlich im Kerker noch einmal zu erscheinen, und dem Todgeweihten gut zuzureden. Von einer wo möglichen erneuten Erweckung und Wideraufsetzung des abgeschlagenen Hauptes hat er offenbar nichts erwähnt. So blieb Lazarus also tot, man könnte in seinem besonderen Fall auch sagen: End-gültig tot. Solange die Reliquien sich in Kition, - respektive: Larnaka,- befanden, wurden sie acht Tage vor Ostern in einer Prozession durch die Straßen der Stadt getragen, begleitet von dem Singsang „Lazarus ist auferstanden“. Noch um die vorletzte Jahrhundertwende wurde das Lazarus-Fest in der Stadt mit erheblichen Aufwandfast wie ein Mysterienspiel gefeiert. Es gab ein Lazarus-Kleid, eine Lazarus-Blume, - die Chrysantheme, - das Lazarus-Brot, und einen Lazarus-Knaben, der sich von einer mit Teppichen ausgelegten Lazarus-Lagerstatt „erheben“ musste, als die Priester ihn riefen. Allerdings versteckte man die Kinder dabei in den Häusern, denn Lazarus bringt in der Orthodoxie, wie gesagt, Unglück. Bei den Erwachsenen spielt das wohl nicht mehr so eine große Rolle; die meisten haben wohl schon alles ihnen Bestimmte hinter sich. Mit Ausnahme des Todes, versteht sich. Des endgültigen.



Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online: