Der Plan

Dialog zum Thema Sein

von  Jack

Dieser Text ist Teil der Serie  Zhuang Jack

Schüler: Weißt du, was du morgen machst?


Zhuang Jack: Eine vorausgeplante Handlung ist eine tote Handlung, und ich lebe.


Schüler: Aber wir haben doch alle Pläne?


Zhuang Jack: Wer Pläne hat, der lebt, als wäre er schon tot.


Schüler: Und was hast du morgen vor?


Zhuang Jack: Nichts. Absichten sind Suizidgedanken.


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Kommentare zu diesem Text


 Isensee (01.05.25, 04:13)
Das ist also „Der Plan“ – ein Text, der tut, als würde er keine Absicht haben, während er in Wirklichkeit vor kalkulierter Absicht trieft. Ein Aphorismus-Dialog, gestanzt wie eine Zen-Gruppenmeditation mit zu viel Online-Philosophie im Vorlauf. Der Schüler fragt, der Meister verweigert sich – aber so gepflegt, so performativ, dass man das Echo von LinkedIn-Posts mit Pseudo-Tiefgang kaum überhören kann.
„Eine vorausgeplante Handlung ist eine tote Handlung, und ich lebe“ – das klingt erstmal nach der Wiederbelebung antiker Stoikerdevisen durch einen schlecht gelaunten Dalai Lama. Und ja, es hat Wirkung. Weil es provoziert. Weil es imitiert. Weil es in vier, fünf Sätzen mehr Metaphysik behauptet als mancher 400-seitige Ratgeber über achtsames Kartoffelschälen.

Aber: Das hier ist kein Text über das „Sein“. Es ist ein Text über das Behaupten des Seins, über das lautstarke Flüstern: Ich bin tiefer als du!. Und das ist grandios. Weil es einem ein nervöses Zucken irgendwo zwischen Lachen und Gedankenkrampf abringt. Es bleibt hängen – nicht weil es tief ist, sondern weil es so tut, als ob.
Verweigerungsästhetik – ein dialogisches Textformat, das sich der Auflösung entzieht, nicht zur Wahrheit, sondern zur rhetorischen Eskalatiot. Die Leere wird zur Aussage – das ist Wittgenschteinschön, bei Zhuang Jack aber auch unterhaltsam nihilistisch.
Und ja, zwischen den Zeilen wummert etwas: ein leiser Zynismus, ein geistiger Suizid auf Raten. Die Form des Dialogs täuscht noch Nähe vor, aber in Wahrheit gibt es hier keine Kommunikation – nur zwei Figuren, die ein Bühnenstück für ein inneres Publikum aufführen. Am Ende bleibt ein Text, der weniger sagt als spüren lässt – und genau darin liegt seine Stärke. Weil er sich entzieht. Weil er eine Antwort schuldig bleibt, die man gar nicht formulieren wollte. Und weil man, kaum dass man das alles abtun will, nochmal liest. Und nochmal. Und dann merkt: Verdammt, das Ding lebt. Genau weil es so tot tut.

 Jack meinte dazu am 01.05.25 um 05:54:
Dieser scheinbar esoterische Text ist voraussetzungsreicher als Adornos Negative Dialektik. Deine Kritik gilt eher den gleich zujubeln werdenden Epigonen der auf infantiles Niveau heruntergebrochenen Mystik, die einen Adlerflug sehen und Bahnfahren verstehen.

 hehnerdreck antwortete darauf am 01.05.25 um 11:13:
Der Kommentar liest sich wie eine geschickte Umkehrung: Das ursprüngliche Thema im Textinhalt des Autors dient als bunt bemaltes Sprungbrett für die eigenen geistigen Früchte des Kommentators, der zuvor wie ein kleiner Hund in freudiger Erwartung ungeduldig mit dem Schwanz wedelte, sobald er die duftende Wiese mit ihren vielen Wildblumen erspäht hatte, auf der er wie ein Kuckucksei seinen eigenen kleinen bunten Garten hinterlassen konnte (was ich wohl jetzt gerade ebenso ... aber egal).

Die Formulierung „Es lebt, weil es so tot tut“ erinnert an Philipp Tinglers Replik auf Raoul Schrotts kritische Bemerkung über Christian Krachts Roman „Die Toten“. Schrott hatte das Buch als „zu kalt“ empfunden und beim Lesen nur „Nichts“ wahrgenommen. Tingler konterte dies, indem er Krachts „Nichts“ als ein bewusst meisterhaft inszeniertes „Nichts“ persifliert und damit die Tiefe hinter der scheinbaren Leere hervorhob.

Gelungen erscheint mir auch Jacks Rekommentar, der sich am Schluß durch die Bilder des Adlerflugs und des Bahnfahrens ausdrückt. Diese Bilder verweisen auf den Kern der KV-Literatur: das lebendige Festhalten an Widersprüchen. In diesem Fall wird durch eine noch unberührte, junge Qualität eines lebendigen „Nichts“ gezeigt, wie Widersprüche nicht nur bestehen bleiben, sondern auch eine kreative Kraft entfalten können. Es ist gerade diese Fähigkeit, Gegensätze lebendig zu halten – wie in diesem Beispiel durch die neue Dimension eines scheinbar leeren Nichts – die die Stärke der KV-Literatur ausmacht.

Antwort geändert am 01.05.2025 um 11:15 Uhr

 Jack schrieb daraufhin am 01.05.25 um 23:40:
Ich bin leer und genieße die Kraft, allem zu widerstehen, was mich füllen will.

Ich bin traurig und halte Distanz zu jedem, der mich trösten will.

Ich bin einsam und tausche diese Einsamkeit nicht gegen die beste Gesellschaft in dieser Welt.

Diese und noch andere Voraussetzungen bringe ich mit, der Meister Zhuang Jack.

Wer im Metanarrativ des Primats der Gesellschaft gefangen ist, im Metanarrativ der Weltimmanenz, im Metaparadigma der Kritik (alles ist Lüge, alles ist zu entlarven, nur wer kritisiert hat recht), bringt die Voraussetzungen nicht mit.

Wäre dieser Text nicht von mir, sondern von jedem anderen Autor hier, wäre die Kritik von Isensee nicht nur zutreffend, sondern nicht hart genug. Du kannst auch den "Kleinen Prinzen" sieben Bewusstseinsstufen unter Zhuangzi, Laotse oder mir lesen und verstehen, diesen Text und das Taoteking eher nicht (so wie ich es mit 20 las und nur Autohaus verstand, wo andere selbsternannte Mystiker Bahnhof verstanden haben).

 hehnerdreck äußerte darauf am 02.05.25 um 00:21:
Das höchste Verstehen ist das Nichtverstehen

 Jack ergänzte dazu am 02.05.25 um 00:25:
Gibt es angeborene Meisterschaft in der Spiritualität?

 hehnerdreck meinte dazu am 02.05.25 um 00:37:
Die (gute alte) Spiritualität kümmert sich um sich selbst und die Seinen. Alles ist an seinem Platz. Also keine unnötigen Sorgen. Alles wird gut, auch das Schlechte, sagt zumindest zur mir meine Spiritualität - die muss sich ja nicht mit anderen decken - aber ich nehme an, eigentlich schon.

 Jack meinte dazu am 02.05.25 um 01:16:
Ich war mit 20 (und noch Ende 20) dümmer als ich heute klug bin, weil ich voll und ganz Kritiker war. Jeden Tag den Selbstmord, die Negation*, begehen, und hoffen, morgen, übermorgen, in einem Jahr endlich glücklich zu sein: das ist die Dummheit der intelligenten Menschen.

*Wer nur in der Negation lebt, negiert auch sich selbst.

Antwort geändert am 02.05.2025 um 01:31 Uhr

 hehnerdreck meinte dazu am 02.05.25 um 12:46:
Hat Dir das als eine Art Schutz vor etwas bestimmten gedient?

 S4SCH4 meinte dazu am 05.05.25 um 13:50:
Jeder spielt seine Rolle und manche spielen die Rolle, aus der Rolle zu herausfallen, mit scheinbarem Witz, mit Anleihen an klassischen Rollenbildern, die sie zwar als fütternde Hand nehmen, und entweder beißen, oder aber von oben herab "entwürdigen", ach was soll ich sagen: Das "wirklich wahre" Blütenland hat mich wohl nicht erreicht.

 denkfrei (01.05.25, 21:41)
Das planen ist des Jetztes Tod. Das Leben plant nicht es IST. Entscheiden wir uns für Leben dann auch für unser SEIN und nicht das werden, weil das passiert im JETZT. Werden kann nicht geplant werden. Werden IST.

 hehnerdreck meinte dazu am 02.05.25 um 00:22:
Der Istzustand ist ein Immerist

 Jack meinte dazu am 02.05.25 um 01:16:
Mit dem "ist" hast du das, was ist, getötet.

 hehnerdreck meinte dazu am 02.05.25 um 12:48:
Danach kommt die Wiedergeburt. Töten kann man im Grunde genommen nichts - nur transformieren. So ist der Tod nicht nur eine Illusion sondern ein Übergang - wobei der vorhergehende (Aggregats-)Zustand beendet wurde, der würde aber ohnehin nicht ewig existieren können.

 Augustus meinte dazu am 05.05.25 um 13:02:
Verschiedene Perspektiven auf den Tod bieten verschiedene Lösungen an.  
Behauptet man, man sei selbst wie eine Zahl, also einmalig, exklusiv, und ausgeschlossen als eine andere Zahl, entstehen interessante Konsequenzen

Jede Zahl kann durch die Summe von Einsen (1111…) abgebildet werden. Aber auch jede Zahl taucht wieder in höheren Zahlen auf und geht in einer neuen Zahl auf

Es ist denkbar, wenn die Zahl stirbt, zerfällt sie in Einsen und sie kann in einer höheren Zahl wieder vorkommen, aber nicht exklusiv, weil die neue höhere Zahl selbst einmalig ist. 
Vor diesem Hintergrund versteht sich, warum es heute keine Neandertaler mehr in modernen Zivilisationen gibt; deren Zahlen sind in höheren Zahlen aufgegangen. 

Absichten sind Suizidgedanken gleicht dem Roulettespiel der Farbe grün und der Zahl 0. Wer da mitspielt, kann den totalen Verlust erleiden. Ich finde, wer Absichten hat, kann auch gewinnen. Absichtler (Menschen mit Absichten) sind demnach suizidale Zocker, deren Streben der Gewinn ist. 

 hehnerdreck meinte dazu am 05.05.25 um 13:23:
Ob unsere Sprache dafür alleine ausreicht um dies zu verstehen?
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