Dachboden

Erzählung zum Thema Absurdes

von  S4SCH4

Gelächter auf dem Dachboden. Dort steht nichts, dort stand nie was, aber immer erhoffte ich mir, dort würde einmal etwas stehen. Etwas wie alte Fotos, Musikinstrumente, gelesene Bücher, alte Schätze halt und Erinnerungen an mein Leben. Erinnerungen, die sich gehalten hätten und sicher wären, etwas, das den Zahn der Zeit überstanden hätte und treu blieb. Doch so etwas habe ich nicht. Wer ich bin? Im Heim nannten sie mich den Großvater, obwohl eigentlich jeder dort ein Großvater oder eine Großmutter war. Ich bin nicht älter, nicht jünger, habe nicht mehr oder weniger Kinder als andere, nur einer davon ist berühmt. Wirklich berühmt. Diese Berühmtheit hat mir vor einiger Zeit dieses große Haus gekauft, in dem ich nun wohne; zusammen mit zwei Haushälterinnen. Zum Haus gibt es eine Menge zu sagen. Die Wände haben Ohren! Also wirkliche. Abgebildete Ohren, meine ich. Die Haushälterin meinte zwar zu mir ich würde spinnen, es wären schneckenartige Kunstformen oder derlei, doch mir ist die Sache klar, so klar es nur sein kann: Es sind Ohren. Die Decken können sprechen, denn es gibt dort diesen riesigen weißen Stuck, der einem großen, halboffenen Mund gleicht, und der wie gesagt, sprechen kann. Durch besagten Mund flüstert es mir zu, mehrere Stimmen, wie ein Radio, doch ohne eine Frequenz, frequenzlos und allgegenwärtig. Auch alle anderen Geräusche tragen Stimmen. Die Besatzung des Hauses, wer auch immer sie sei, möchte mir etwas mitteilen, etwas in Sätzen sagen, sich lose positionieren und auf Kommando anreden. So viel zu den Ohren, aber es gibt noch mehr… Augen zum Beispiel. Letzte Nacht war Karneval. Wir haben uns alle Masken aufgesetzt und uns im Haus versteckt, dann einander gesucht. Unsere Masken hatten Augen die umherrollten und sich in alle Richtungen bewegten, die Bewegung sei rein zufällig; zumindest behauptete das Renata, eine der Haushälterinnen. Meine Sichtweise ist eher die, dass diese Augen sich ganz und gar nicht zufällig bewegten, sondern etwas hinterherjagten, das sich im Chaos versteckt. Wo dieses Chaos ist? Überall! Auch wenn es nicht gegenwärtig ist, ist es in der Ordnung bereits enthalten. Die Entstehung des Chaos, aus dem Geordneten wird kontrolliert von den wilden umherkugelnden Augen meiner Maske, so viel war mir klar. Das hat mir übrigens der große weiße Mund an der Decke erzählt, zumindest behauptet er das von sich. Er beansprucht diese Erzählung für sich, für mich. Doch genug, ich schweife ab, ich sehe einmal lieber, nach was auf dem Dachboden vor sich geht…


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