Angesichts der Geschehnisse

Parabel zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  S4SCH4

Die Kirche hatte nach der Messe noch Medikamente aller Art verteilt, aus den gefundenen Vorräten des in Trümmern liegenden Spitals ein paar Straßen weiter.
Außerdem wolle man noch zu einer Beichtstunde einladen, in Kriegszeiten sei sowas nötiger denn je, offerierte man.
Vom Dorf war nicht mehr übriggeblieben, als eben die Kirche und ein paar darum befindliche Häuser. Darauf konnte man sich etwas einbilden oder nicht, aber es war wie es war. Die Menschenmenge geriet vor der Kirche nun in Aufruhr und Stimmen stachen aus der Masse hervor, woraus bald ein Gespräch entstand:

„Lasst und Gott um Vergebung bitten!“
„Gott? Warum das? Wenn hier wer Vergebung braucht, dann die, die unser Dorf eingeäschert haben, und zwar durch uns!“
„Um zu vergeben, bedarf es Information!“
„Das ist ganz und gar unmöglich, wir hören doch nur, was wir hören sollen!“
„Oder was wir hören wollen!“
„Gott ist der Einzige, der vergeben kann. Uns, den Menschen, für alles was wir uns hier gegenseitig antun!“
„Und wenn Gott nicht vergibt? Wer tut es dann?“
„Niemand!“
„Niemand?“
„Die Zeit heilt alle Wunden.“
„Oder vergisst sie doch, diese Wunden!“
„Eine lebensbedrohliche Wunde, tut kaum weh, habe ich einmal gehört.“
„Gott hat uns vergessen!“
„Oder bluten wir für ihn nur eine lebensbedrohliche Wunde? Sind wie sein Opferlamm?“
„Genau, und von niemandem versorgt!“
„Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“
„Dann steigt er auf das Trittbrett des Buses auf.“
„Er ist der Bus!“
„Oder haben wir für ihn bezahlt und tun es noch.“

Als der Priester merkte, dass die Lage zu eskalieren drohte, wandte er sich an die Menge:

„…Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott.“, zitierte der Geistliche.
„Sieht er etwa sie Unperson, oder nur sich selbst? fragte jemand und brachte den Mob erneut auf.
„Nein damit meint er … “

Der Priester unterbrach das aufkommende Gespräch der Masse und fuhr lautstark fort:

„…Denn vor Gott sind nicht gerecht, die das Gesetz hören, sondern die das Gesetz tun, werden gerecht gemacht werden“, zitierte er erneut Römer 2.
„Was sollen wir also tun?“
„Die Toten beerdigen!“
„Unsere Kranken verarzten!“
„Dem Feind vergeben.“
„Oh … nicht schon wieder…“

Der Priester fuhr ein letztes Mal fort:

„…Alle, die ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz verloren gehen; und alle, die unter dem Gesetz gesündigt haben, werden durchs Gesetz verurteilt werden“, zitierte er abermals.
„Gehen wir nun verloren oder werden wir verurteilt?“
„Genau! Sind wir Menschen oder Nicht?“
„Wäre es nicht schlechter durch Menschen verurteilt zu werden?“
„Noch schlimmer wäre es unmenschlich verloren zu gehen!“
„Wir sind verdammt! So oder so.“
„Wir sind doch alles Menschen!“
„Aber nicht alle sind ein Christusmensch.“
„Gegen wen kämpfen wir eigentlich?“
„Gegen die Feinde!“
„Gegen uns!“
„Gegen uns und die Feinde.“
„Für Gott?“
„Wegen ihm!“

Im Folgenden hatten sich zwei gegenüberstehende Lager gebildet. Mittendrin standen vereinzelt einige Menschen, die nicht so recht wussten wohin sie hören oder gehen sollten; sie waren hin und hergerissen und die ersten, die zum Himmel schauten und die dort nahenden Bomber wahrnahmen. Gestikulierend und rufend versuchten sie die anderen zu warnen, doch die beiden Lager beschimpften sich währenddessen immer lauter werdend … als der Mob schließlich gegenseitig auf sich losging, erdrückte er die ruhigsten Stimmen, zwischen sich liegend, zuerst.



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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (30.10.25, 10:45)
Hallo Sascha,

der Mob hört nicht auf die Stimme der Versöhnung únd Vernunft.

LG
Ekki

 S4SCH4 meinte dazu am 30.10.25 um 12:16:
Hallo Ekki,
Du erkennst den springenden Punkt auf Anhieb, Chapeau. Und du bringst mich auf eine Idee: ich bin ein wenig unglücklich mit der Beschreibung „…erdrückt er jene zuerst“. Ich werde es angelehnt an deinen Kommentar vielleicht ändern zu „…erdrückt er die ruhigsten Stimmen zuerst“.

Eine Diskussion darüber, wie diese Stimme entsteht und lebendig wird und die beiden anderen Streitparteien womöglich belebt, nehme ich gerne an. Aber wir können, fürs erste, die „Kirche auch gerne im Dorf lassen“.

Danke Dir und liebe Grüße
Sascha

 Wastl (30.10.25, 13:33)
Meiner Interpretation der Bibel zufolge ist Gottes Plan durchdachter und raffinierter, als sein abgefallenes Geschöpf (wenngleich auch mächtig und klug) ihn geistig durchdringen kann. So entstehen immer neue Situationen, die zuvor noch nicht stattgefunden haben und deshalb unberechenbar sind, in denen wir Menschen geprüft werden. Sich dem Mob zu entziehen oder einige von ihnen zur Vernunft oder zum Glauben an den Sohn zu bringen, kann eine dieser Möglichkeiten sein, die dieser Plan vorsieht. Wer weiß?

Liebe Grüße

Wastl
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